Wulff-Freund Groenewold:Mit dabei im schnellen Spiel der großen Jungs

Er stieg auf mit Medienfonds, machte Filme wie "Zettl" und war ganz nahe dran an der Macht: Filmunternehmer David Groenewold. Jetzt gibt sein Freund Christian Wulff auf, seine Geldgeber meckern und die Party-Stimmung ist vorbei. Wer ist der Mann, über den der Bundespräsident stürzte?

Oliver Das Gupta, Hans-Jürgen Jakobs und Hannah Wilhelm

Der Mann, über den der Bundespräsident stürzte, ist ein Freund großer Gesten. Sicher, er hatte stets einen guten Riecher für Filmstoffe, für Sachen wie "Der Rote Kakadu" oder "Elementarteilchen", aber sein Hang zu Prunk und Protz war möglicherweise noch größer. Wenn seine Filme in Cannes auf einer Filmmesse vorgestellt wurden, dann spendierte der Freund des Bunten gern eine Sause - erinnert sich einer, der dabei war. Und was für eine Sause!

Eine feste Groesse in der Filmbranche

"Ich würde nie einen Film machen mit Leuten, mit denen ich nicht auch abends ein paar Gläser Wein trinken möchte":  Wulff-Freund David Groenewold (links) vor ein paar Jahren gegenüber der Berliner Morgenpost.

(Foto: dapd)

Die Investoren, die er für seine Filme begeisterte und dort ordentlich Geld locker machte, wurden eingeflogen. Und natürlich die Schauspieler. Glanz und Glamour fand David Groenewold, 39, offenbar schon immer besser als schnöde Büroarbeit. "Und David war immer mit dabei, immer mit irgendwelchen Seidentüchern um den Hals", sagt ein alter Bekannter.

Der Filmproduzent hat das schnelle Spiel der großen Jungs gespielt, die das Tragen eines doppelgereihten Marine-Blazers mit Goldknöpfchen mit dem Auftritt eines seriösen hanseatischen Geschäftsmanns verwechseln. Zu Verhandlungen lud er dann in seine Villa in Berlin-Grunewald. Dort, hinter einer Mauer, beschützt von Überwachungskameras, redete es sich leicht heiß über mögliche Deals - und im Konferenzzimmer verbreitete ein Plakat mit Unterschriften von Stars so etwas wie kreative Atmosphäre.

Und weil der Mann mit den gewellten Haaren und dem leicht rosigen Teint irgendwie gefühlt auf jeder Filmparty in der Hauptstadt rumhing, landete er das ein oder andere Mal auf der "Liste der 100 peinlichsten Berliner", die das Stadtmagazin Tip jährlich kürt.

Wenn Berlinale war, das Filmfestival der Hauptstadt, dann lud Groenewold fulminant ein. Er war Garant für gute Stimmung, sei es ganz oben im Journalisten-Club im Hochhaus des Axel Springer Verlags, oder im Adlon-Hotel. Da erklärte er im China Club schon mal Journalisten, wie sich die Weltkugel so dreht. Doch so manches davon zerschlug sich, wie es überhaupt mit der Karriere des David Groenewold nicht zum Besten steht.

Er wollte ganz hoch hinaus in der schicken Welt der Medien, die mit der Währung Aufmerksamkeit handelt wie mit saftigen Orangen. Und mit Macht. Dumm nur, dass immer wieder hässliche Dinge wie Streitereien mit Ko-Finanziers oder enttäuschte Geschäftserwartungen dazwischenkamen. Und das Glitzerbild, das der strebsame, feierfreudige Unternehmer so gerne malte, störten.

Als äußerst beständig in diesem speziellen Turbo-Kapitalismus darf die Freundschaft zu Wulff gelten, dem CDU-Politiker aus Niedersachsen, der es vom Ministerpräsidentenamt in Hannover ins höchste deutsche Staatsamt nach Schloss Bellevue brachte. Und die allem Anschein nach auch die Schmach des Rücktritts überdauern dürfte. Denn beide haben ihn gemeinsam, den Drang zum Schönen und Besonderen - seit 2003, jenem Jahr, in dem sie sich kennenlernten.

Kameraderie unter Aufsteigern

Damals war Groenewolds Firma, die German Film Production (GFP), für die Entstehung des Sat 1-Werks "Das Wunder von Lengede" verantwortlich, die Rettung der Bergleute im niedersächsischen Ort bei Salzgitter. Angesichts des emotionalen Stoffs durfte bei der Premiere Ministerpräsident Wulff nicht fehlen, und rasch darauf wurde er zum Freund des Machers aus der Filmbranche.

Es entwickelte sich eine Kameraderie, wie sie unter Aufsteigern üblich ist. Wichtige Stationen dieser Entente haben inzwischen der Koloratur des Wulffschen Wesens gedient: das Essen, das Groenewold im Sommer 2005 in Berlin "zu Ehren von Christan Wulff" gab und bei dem der Geladene den deutschen Film rühmte, der es verdient habe, dass sich die Politik darum kümmere; die Ansiedlung einer Tochterfirma Groenewolds, der Waterfall Production GmbH in Hannover, und eine gewährte, aber nie eingelöste Landesbürgschaft über vier Millionen Euro; der Oktoberfest-Besuch des Ministerpräsidenten Wulff mit Ehefrau Bettina im Jahr 2008, bei dem die Logis des Paares im Bayerischen Hof einen Upgrade durch Groenewold erfuhr, von dem der Politiker erst nichts wusste und danach zahlte; der Aufenthalt der Wulffs im Jahr 2007 im Hotel Stadt Hamburg auf Sylt, dessen Kosten der Filmproduzent vorstreckte, was dann in bar beglichen wurde, aber irgendwie doch so bemerkenswert war, dass Groenewold persönlich im Januar Belege im Hotel auf Sylt einsammelte; der Aufenthalt in einer Ferienwohnung auf Sylt, vom Herr der Filme organisiert; das Überlassen eines funktionstüchtigen Handys an den Politiker Wulff, der alle Kosten trug; die Nähe Groenewolds zum Autor Karl Hugo Pruys, der eine Art Heldenbiografie Wulffs verfasste.

Hier hatten sich zwei gefunden. Hier gab es eine Symbiose zwischen Politik und Kintopp, die Groenewold schon anzusteuern schien, als er vor sieben Jahren 20 000 Euro für eine doppelseitige Anzeige im Mitgliederjournal der niedersächsischen CDU ausgab. So bewarb er damals den Film "Der Tod kommt krass" mit dem Duo Erkan & Stefan.

Echt krass: Groenewold war ganz oben in der Gesellschaft angekommen. Salonfähig auch im Kreis der Entscheider. Einer, den der Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) in eine Arbeitsgruppe bat, die über Ideen zur Neuregelung der Filmsubventionen brütete. Das alles ist viel für einen, der sich in einem umkämpften Metier gegen große Medienkonzerne behaupten muss. Der schon als kleines Kind das Einmaleins der Branche lernte, da Vater Erich, ein Steueranwalt, auch vereinzelt Filme finanzierte, zum Beispiel "Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo".

Der ins Internat Salem ging, dann während des Studiums der Politikwissenschaften und der Volkswirtschaftslehre an der London School of Economics nebenbei in der Direktion "Privatkunden" bei der Bank Merrill Lynch arbeitete und schließlich als Praktikant nach New York zu David Letterman ging, dem scharfzüngigen Late-Night-Moderator des US-Fernsehens. Der schließlich 1997, inmitten der New Economy mit all ihrem billigen, dummen Geld, in Berlin die Produktionsfirma Promedia gründete - und am Ende als Geschäftsführer der German Film Production in die Manege sprang.

Weil das alles nicht mehr ausreichte, übernahm er 2006 die börsennotierte Odeon Film AG, die seit vielen Jahren Fernsehserien wie "Der Landarzt" fertigt. Diese Hinterlassenschaft der Firma Bavaria aus dem öffentlich-rechtlichen Umfeld aber hat den agilen Groenewold, den Neffen des einstigen RAF-Anwalts Kurt Groenewold, am Ende ziemlich überfordert.

Es kam hinzu, dass all die Steuervorteile, die einst in Deutschland für Medien- und Filmfonds gewährt wurde, inzwischen entfallen sind. Groenewolds Geldquelle versiegte. Solche Fonds für die Zelluloidbranche waren vor gut zehn Jahren sehr beliebt, weil man mit ihnen dem Fiskus eine lange Nase drehen konnte. Und das Modell, das Groenewold begeistert nutzte, funktionierte so: Eine Fondsgesellschaft sammelt einen vorher festgelegten Millionenbetrag von Anlegern ein und produziert damit Filme. Am Anfang war das teuer.

Groenwold spielte im oberen Mittelfeld

Es brachte große Verluste, und die konnten die renditebewussten Anleger steuerlich geltend machen. Wenn die Filme dann sogar an der Kinokasse oder in der TV-Verwertung etwas einspielten, sollte nach und nach Geld an den Fonds und schließlich die Anleger zurückfließen. Soweit die Theorie. In der Praxis sah es ganz anders aus. So ein Filmprojekt ist nicht gerade transparent wie eine Glasscheibe - und das Geld versickerte in hohen Gebühren und Verwaltungskosten. Die Bundesregierung stoppte die steuerliche Förderung im Jahr 2005. Damals soll sich Groenewold noch in Hannover bei mehreren Zusammenkünften mit Emissären der niedersächsischen Staatskanzlei darum bemüht haben, dass seine Medienfonds im Land zwischen Goslar und Emden steuerlich günstiger gestellt werden könne.

Das Steuer-Aus war bitter für die Großen der Branche wie Gesellschaften Hannover Leasing, LHI und KGAL, aber auch für die Kleineren wie Groenewold, der seine Projekte in die Medienfonds GFP I bis III packte. Die Kleineren, das waren nicht die üblichen trockenen Banker oder Lümmel von der Sparkasse, sondern sonnige Verkäufer-Typen mit dem ewigen Lächeln auf den Lippen, irgendwo zwischen Charisma und Hochstapelei beheimatet. David Groenewold konnte verkaufen, er spielte im oberen Mittelfeld.

"Während die meisten anderen Anbieter sehr nach Hollywood guckten, spezialisierte er sich auf deutsche Produktionen und war damit erfolgreich", sagt Anwalt Jens Peter Gieschen, Autor des Buchs "Medienfonds - Das Anlegerhandbuch". So kam es zu Filmen wie "Neues vom Wixxer", "Kirschblüten - Hanami" oder zuletzt "Zettl" des Regisseurs Helmut Dietl, der eine Berlin-Mediensatire lieferte und sich in Interviews über Groenewold-Freund Wulff lustig machte.

Nur finden viele Anleger überhaupt nicht lustig, was sich da tat. In Sorge ums Geld haben sie sich in Interessensgemeinschaften zusammengeschlossen. Wie sehr die Traumfabrik inzwischen einer Seelsorgestation gleicht, zeigt das Protokoll einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung von Groenewolds Zweiten GFP-Medienfonds vom 18. Juli 2011 in Berlin. Da heißt es, Groenewold "erläuterte seine ursprünglichen Ziele zum Aufbau eines starken Medienunternehmens mit der mehrheitlichen Übernahme der Odeon Film AG und gestand sein Scheitern ein". Die Firma sei aufgrund hoher Kosten und eines teuren Zukaufs nicht profitabel.

Anders als die Anlegerinteressengemeinschaft glaube, meine er, zur Honorierung von Anwälten auch Aktien verkaufen zu können; es ging wohl um Wertpapiere über mehr als 250 000 Euro. Und: "Da die Gesellschafter sehr zerstritten sind, ist er bereit, durch sein Ausscheiden im Rahmen einer Vergleichsvereinbarung wieder zur Befriedung der Gesellschaft beizutragen, damit diese für potentielle Investoren wieder berechenbar und interessant ist." Dann vermerkt das Protokoll: "Herr Groenewold entschuldigt sich bei den Anwesenden."

Das alles ist nicht das Manifest eines Erfolgreichen, es ist das Eingeständnis eines Gescheiterten. Der Vergleich jedenfalls wurde angenommen. Groenewold schied aus der Geschäftsführung der GFP VV aus; er hatte auch längst seinen Platz an der Spitze des Aufsichtsrats der Odeon Film AG geräumt - und im Mai 2011 die Tele-München-Gruppe des Filmkaufmanns Herbert Kloiber als neuen wichtigen Mitgesellschafter aufgenommen. Dessen Anteil: 33 Prozent. Im ersten Halbjahr hat die Odeon 700 00 Euro Verlust gemacht.

Gespräche mit Kloiber hatte es schon vorher gegeben - und das war einer der Punkte, die den Investor Albert Eskenazy störten. Er brachte Kommandisten des GFP-Medienfonds II zusammen und schlug im November 2009 Alarm, weil er mitgeteilt bekam, dass Groenewold bei Odeon überhaupt keine Verkaufsabsichten habe. Man bekäme seit Jahren Steuernachzahlungen aufgebrummt, beschwerte er sich ausweislich des Protokolls über das Modell Medienfonds: "Diese Steuervorteile werden also aufgefressen und die gleichen Großanleger, die kaum wissen, dass sie diese Summen investiert haben, wissen auch nicht, dass sie jedes Jahr mit Steuernachzahlungen am Bluten sind. Wenn die Ausschüttungen kommen würden, würden die die Steuernachzahlungen ausgleichen. Die kommen nicht."

Groenewold wurde schon mal zu Schadenersatz verurteilt

Die Investoren glaubten, wie eine Weihnachtsgans ausgenommen zu werden. Die Streitigkeiten führten sogar zu einem Prozess, den Eskenazy im vorigen Jahr vor dem Landgericht Köln verlor. Ihm wurden Vorwürfe, dass Groenewold quasi mit dem Geld geaast habe, verboten. Es gebe keine Beweise hierfür. Vor Gericht verbreitete Eskenazy noch, dem GFP-Chef es sei in Darlehen über 80 000 Euro zum Kauf einer Patek Philippe Uhr gewährt worden. Groenewolds Anwalt erklärt, Eskenazy sei ein "Selbstdarsteller, der im Fonds kaum noch Anhänger findet". Bei GFP I seien 50 Prozent des Kapitals ausgeschüttet worden, bei den anderen Fonds sei mit überwältigender Mehrheit entschieden worden, in den Erwerb der Odeon Film AG zu investieren.

Mit einer Klage gegen Groenewold wiederum versuchen sich derzeit am Landgericht Berlin einige frustrierte Anleger. Es geht um Schadensersatz über 18 750 Euro. Groenewold habe im Prospekt für den GFP-Fonds II verschwiegen, dass er und Familienmitglieder über andere Firmen von den Fonds finanziell profitiert hätten, da ihnen Aufträge zugeschustert worden seien. Der Beschuldigte lässt die Anwürfe zurückweisen.

In der Branche gut bekannt ist, dass Groenewold 2010 ebenfalls in Berlin schon mal zu Schadenersatz verurteilt wurde - als Teilhaber der Firma Promedium Asset Management. Die hatte eine TV-Schauspielerin zum Investment eines siebenstelligen Betrags überzeugt, doch das Geld war plötzlich weg. Das Urteil wurde nicht rechtskräftig, es kam noch zur Einigung. Und Groenewold zeigte den zu Gefängnis verurteilten Firmen-Geschäftsführer an.

Es ist also im Berufsleben des Filmunternehmers schon ein wenig Schmutz aufgewirbelt worden. Auch Christian Wulff blieb insofern nicht sauber, als er sein Präsidenten-Amt im Zuge der Groenewold-Geschichten verlor. Vergessen die Lust der frühen Jahre, als Alexandra Neldel ("Verliebt in Berlin") kurz nach ihrem 30. Geburtstag beim Berlinale-Dinner Groenewolds im 19. Stock des Springer-Hauses mitfeierte, und Partygast Wulff juxte: "Ich bin in Wahrheit nur wegen Alexandra Neldel hier. Meine Tochter Annalena ist auch schon ganz neidisch."

Vergessen die bunten Storys, als Groenewold noch mit Model Mia Florentine Weiss ("Raffaelo") liiert war, die aber zu Star-Geiger David Garrett weiterzog. David Groenewold aber mag sich mit einem seiner Sprüche trösten: "In der Filmbranche heißt es: Wenn du einen Freund brauchst, kauf dir einen Hund."

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