Wüstenstromprojekt Desertec:In den Sand gesetzt

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Einfach die Sonne ernten - das war der Plan des ambitionierten Desertec-Projekts in Nordafrika. Jetzt droht ihm das Aus. (Foto: Reuters)

Zu viele Interessenskonflikte, fallende Solarstrompreise: Dem Wüstenstrom-Projekt in Nordafrika droht das Aus. Organisationen und Wissenschaftler kritisieren die Betreibergesellschaft Desertec. Allerdings könnte sich das Blatt noch wenden.

Von Markus Balser, Berlin

Es musste schon die Mondlandung sein, um das Desertec-Projekt passend einzuordnen: "Wüstenstrom ist das Apollo-Projekt des 21. Jahrhunderts", schwärmte Ex-Siemens-Chef Peter Löscher beim Start der Desertec-Planungsgesellschaft Dii vor fünf Jahren. Die Vision könne die Energiekrise abwenden, den Klimawandel bremsen und gleichzeitig auch noch die Armut Afrikas bekämpfen, sagten Forscher voraus.

Doch seit dieser Woche ist klar: Die Wirtschaft selbst glaubt nicht mehr an ihre eigene Vision. Der Planungsgesellschaft droht Ende des Jahres die Abwicklung, weil ihr das Geld ausgeht. NGOs und Wissenschaftler kritisierten das Abrücken der Industrie von ihrem Vorhaben hart - und machten für die Misere der Dii auch Fehlentscheidungen der Politik verantwortlich.

Zu viele Interessenskonflikte

Die gemeinnützige Desertec-Stiftung, Ideen- und Namensgeber der Initiative, sieht den Grund des Zerfalls vor allem in Interessenskonflikten. "Der Zusammenschluss aus völlig unterschiedlichen Branchen hat von Anfang an viel zu unterschiedliche Ziele verfolgt", sagt Andreas Huber, der Geschäftsführer der Stiftung. Es sei fraglich, ob ein Energiekonzern, der Strom verkaufen wolle, wirklich Interesse an größerer Konkurrenz aus Afrika haben könne.

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:Was bedeutet das Scheitern von Desertec für die Zukunft alternativer Energiekonzepte?

Nach SZ-Informationen droht der vor fünf Jahren mit großen Hoffnungen gestarteten Desertec Industrial Initiative (Dii) Ende 2014 die Abwicklung. Was bedeutet das Scheitern für die Zukunft alternativer Energiekonzepte?

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Der Club of Rome hatte zuvor bereits gewarnt, die Dii sehe sich verschiedenen Interessen ihrer Gesellschafter ausgesetzt, die "das Projekt zu ihren Vorteilen verändern wollten". Zuletzt machten etwa Gerüchte die Runde, der Energiekonzern Enel versuche die Initiative unter seine Kontrolle zu bringen und die Zentrale nach Italien zu verlagern. Ziel sei es gewesen, mit der Initiative für neue Stromtrassen nach Afrika zu werben. Die Dii äußerte sich dazu nicht.

Die internationale Wüstenstrominitiative Desertec Industrial Initiative (DII) war 2009 mit großen Hoffnungen gestartet. Sie galt als eines der ehrgeizigsten Erneuerbare-Energien-Projekte. Die Initiative will Sonnen- und Windkraft in Nordafrika und im Nahen Osten produzieren und zum Teil nach Europa exportieren. DII sollte die Voraussetzungen für den Bau Hunderter Öko-Kraftwerke in Nordafrika und dem Nahen Osten schaffen, die zusammen den Strombedarf der Region zu großen Teilen decken könnten - und dazu noch rund 15 Prozent des europäischen Verbrauchs. Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe wurden dafür veranschlagt.

Wissenschaftler sehen Desertec noch nicht am Ende

Wissenschaftler sehen die Vision mit dem drohenden Aus der Dii nicht am Ende. Energieexpertin Claudia Kemfert von Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin geht davon aus, dass Desertec für die Energieversorgung in Nordafrika eine wichtige Rolle spielt. "Die Kosten für Solar- und Windparks sinken auch dort kontinuierlich", sagte sie. "Die Idee Strom von Nordafrika nach Europa zu bringen ist sicherlich nicht tot, aber es war auch für Desertec immer die zweite Priorität nach der Energieversorgung vor Ort. Wenn man die Energieversorgung in Europa viel stärker integriert, bleibt es eine Perspektive, sich mit Nordafrika zu vernetzen. Das ist eine Aufgabe von Jahrzehnten."

Beim Start des Projekts hatten die beteiligten Konzerne noch auf deutlich schnellere Erfolge gehofft. Der Sahara-Strom sollte per Verbindungen über das Mittelmeer nach Süd- und Zentraleuropa fließen und dort klimaschädliche Kohlekraftwerke überflüssig machen. In ersten Planungen war davon die Rede, dass bereits in diesem Jahrzehnt der erste Strom fließen könnte. Der Rückversicherungsriese Münchener Rück machte sich zum Vorreiter des Energietraums. Längst ist auch dort Ernüchterung eingetreten.

Viele deutsche Konzerne hatten sich abgewandt

Zuletzt hatten sich schon viele deutsche Technologie- und Baukonzerne wie Siemens, Bosch, oder Eon und Bilfinger von dem Projekt abgewandt, genauso wie die Desertec-Stiftung. Auch der Club of Rome, in dem sich Experten mit Themen wie Nachhaltigkeit und Grenzen des Wachstums beschäftigen und in dessen Mitte die Idee einst geboren worden war, kehrte der Industrie enttäuscht den Rücken.

Das auf ein halbes Jahrhundert angelegte Großprojekt stand unter einem schlechten Stern. Die Europäer wandten ihren Blick stärker auf die heimische Energiewirtschaft und trieben den Ausbau erneuerbaren Energien vor Ort voran. Ihnen kam ein rapider Preisverfall für Photovoltaikanlagen entgegen, die Kosten für Solarstrom fielen. Die Notwendigkeit für Stromimporte wurde zuletzt immer geringer.

Allerdings könnte sich das Blatt drehen. Denn derzeit zahlen Unternehmen angesichts einer Krise des europäischen Emissionshandels wenig für Verschmutzungsrechte. Sollten Reformen der Europäischen Kommission greifen und der Preis der Zertifikate wieder steigen, könnten auch Investitionen in Erneuerbare-Energien-Anlagen jenseits des Mittelmeers interessanter werden - allerdings frühestens in einigen Jahren.

© SZ vom 09.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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