WTO:Hogan macht Rückzieher

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EU-Handelskommissar Phil Hogan will doch nicht neuer Chef der WTO werden. Noch Anfang Juni kündigte er an, dass er eine Kandidatur für den Posten des Generaldirektors erwäge.

Von Björn Finke, Brüssel

Vier Wochen lang hat er geprüft, aber das Ergebnis muss für ihn enttäuschend sein: EU-Handelskommissar Phil Hogan kündigte Anfang Juni an, eine Kandidatur für den Posten des Generaldirektors der WTO zu erwägen, der Welthandelsorganisation in Genf. Der Ire wollte ausloten, ob sich Europas Staaten auf ihn als ihren Bewerber einigen können und ob ihn auch die US-Regierung akzeptieren würde. Am Montag gab der 59-Jährige nun bekannt, nicht anzutreten. Als Begründung führte er nicht einen Mangel an Unterstützung an, sondern die vielen wichtigen Aufgaben, die in Brüssel auf ihn warteten.

Diese Aufgaben gab es allerdings schon vor vier Wochen, als er erstmals sein Interesse bekundete. Insofern dürfte klar sein, dass seine Kehrtwende mit den mageren Erfolgsaussichten zusammenhängt. Ein weiterer Faktor dürfte sein, dass sich das Auswahlverfahren länger als erhofft hinzieht. WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo, ein Brasilianer, verkündete Anfang Mai, Ende August aufhören zu wollen, ein Jahr früher als geplant. Bewerbungen sind bis 8. Juli möglich, doch gilt es inzwischen als unwahrscheinlich, dass der neue Chef pünktlich Anfang September anfangen kann. So hat der Handelsbeauftragte der US-Regierung, Robert Lighthizer, jüngst gedroht, alle Kandidaten zu blockieren, die auch nur entfernt anti-amerikanisch sein könnten. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die Kür bis nach den US-Präsidentschaftswahlen andauert.

Für Hogan wäre eine derartig lange Hängepartie ein Problem gewesen. Nachdem er seinen Hut in den Ring geworfen hatte, verhängte die EU-Kommission Auflagen gegen ihn, damit es keine Interessenkonflikte zwischen seiner Rolle als Handelskommissar und dem angestrebten künftigen Amt als WTO-Chef gibt. Unter diesen Einschränkungen hätte der irische Christdemokrat kaum bis Jahresende arbeiten können: nur um als Ergebnis vielleicht doch nicht den ersehnten Topjob zu erhalten. Zumal er sich nicht der uneingeschränkten Unterstützung aller wichtigen EU-Staaten sicher sein konnte. So argumentierten etwa die deutsche und französische Regierung, Vorrang habe es, dass jemand die kriselnde WTO führt, der Gräben zwischen der EU, Amerika und China überwinden kann - egal, ob er nun Europäer ist oder nicht.

© SZ vom 30.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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