Wolfsburg:VW-Betriebsrat: Sichere Jobs sind wichtiger als Geld

Die Arbeitnehmer-Vertretung schätzt die Lage bei Volkswagen so dramatisch ein, dass die Sicherheit der Arbeitsplätze für ihn Vorrang vor mehr Geld hat.

Von Meite Thiede

Mehrere zehntausend Volkswagen-Arbeiter haben am Mittwoch gegen die ihrer Meinung nach starre Haltung der Unternehmensleitung in dem festgefahrenen Tarifkonflikt protestiert.

Wolfsburg: Die VW-Mitarbeiter wollen sichere Arbeitsplätze und zwei Prozent mehr Lohn.

Die VW-Mitarbeiter wollen sichere Arbeitsplätze und zwei Prozent mehr Lohn.

(Foto: Foto: ddp)

Der Betriebsrat schätzt die Lage so dramatisch ein, dass die Sicherheit der Arbeitsplätze für ihn Vorrang vor mehr Geld hat.

Am Stammsitz Wolfsburg beteiligten sich am Mittwoch rund 30.000 Mitarbeiter an einer Informationsveranstaltung des Betriebsrats auf dem Werksgelände. Mehr als zwei Stunden standen dort die Bänder still.

Warnstreiks drohen

An diesem Donnerstag treffen sich die Verhandlungskommissionen von VW und IG Metall zur fünften Gesprächsrunde in Hannover. Dies ist das letzte Gespräch innerhalb der Friedenspflicht, die um Mitternacht endet.

Danach sind Warnstreiks möglich, von denen die Gewerkschaft auch Gebrauch machen will. Ein Arbeitskampf würde den gesamten VW-Konzern schon nach wenigen Tagen lahm legen.

Klaus Volkert, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats von VW, warf dem Vorstand vor, aus dem Tarifvertrag eine "Kapitulationsurkunde" machen zu wollen. Die Kompromissbereitschaft der Gewerkschaft sei aber offenbar falsch verstanden worden, so Volkert. Jetzt liege es allein am Vorstand, ob ein Kompromiss gefunden werde oder ob VW auf einen Konflikt zusteuere, "der alle zu Verlierern macht".

Die Fronten zwischen den Tarifparteien liegen auch nach vier Gesprächsrunden noch weit auseinander. Die Gewerkschaft hat ihre Forderung nach Einkommenssteigerungen in der vergangenen Woche bereits auf zwei Prozent halbiert.

VW will bis 2011 die Kosten um zwei Milliarden senken

Sie hat zudem mehr Flexibilität über Arbeitszeitkonten und ein zehn Prozent geringeres Lohnniveau für neue Mitarbeiter angeboten. Außerdem verlangt sie eine verbindliche Arbeitsplatzgarantie für die 103.000 Beschäftigten der westdeutschen VW-Werke.

Die Unternehmensleitung beharrt auf ihrer Forderung, dass die Arbeitskosten bis zum Jahr 2011 um 30 Prozent oder zwei Milliarden Euro sinken müssen. 2011 ist die Zielmarke, weil bis dahin der Arbeitsmarkt in der erweiterten EU vollständig liberalisiert sein soll.

VW ist fest entschlossen, Entscheidungen über künftige Automodelle nach den Kostenunterschieden zwischen den Standorten zu fällen. Statt Lohnerhöhungen bietet VW der Gewerkschaft eine zeitlich nicht bezifferte Garantie für alle 176.000 Arbeitsplätze des Konzerns in Westdeutschland an.

Betriebsrat zu Kompromissen bereit

Betriebsratschef Volkert warf dem Management Fehlentscheidungen vor, ließ aber Verständnis für die Notwendigkeit einer Nullrunde erkennen. Für den "dramatischen Verfall der Ertragskraft" von VW seien nicht nur der Dollarkurs und die Einkommensentwicklung der Kunden verantwortlich, sondern auch die Fehler des Managements.

"Wer die Karre in den Dreck gefahren hat, sollte nicht die Fahrkünste anderer kritisieren." Volkert räumte ein, dass die Zeiten "immer härter" würden, weil der Druck auf die Preise steige, Überkapazitäten und stagnierende Märkte in Europa belasteten.

VW-Betriebsrat: Sichere Jobs sind wichtiger als Geld

Die Belegschaft erwarte daher auch gar kein "Füllhorn materieller Wohltaten". Er sagte aber auch, dass die geforderte Beschäftigungsgarantie wichtiger sei als kräftige Lohnerhöhungen. Die Sicherung der Arbeitsplätze müsse "Vorrang vor allen weiteren Überlegungen haben", sagte er.

Hartz: Streik wäre ein "verheerendes Signal"

Personalvorstand Peter Hartz drohte in Zeitungsinterviews damit, dass das Beschäftigungsvolumen in Deutschland "dramatisch schrumpfen" werde, wenn VW das Kostenkonzept nicht durchsetzen könne. Die Hälfte der angestrebten Kostenentlastung von zwei Milliarden Euro müsse in dieser Tarifrunde eingefahren werden.

Einen Streik nannte Hartz ein "verheerendes Signal", das die Region Wolfsburg belasten werde. VW würde dann die Investitions- und Beschäftigungspolitik ändern und werde nicht mehr, wie in den vergangenen Jahren, für neue Arbeitsplätze in Wolfsburg außerhalb des Konzerns sorgen.

IG Metall: "Unrealistische Maximalforderungen"

Laut Hartz kann VW es sich nicht mehr leisten, den Mitarbeitern an den deutschen Standorten 20 Prozent mehr zu zahlen als den Flächentarif und elf Prozent mehr als die Wettbewerber.

Ein Sprecher der IG Metall nannte es "nicht besonders hilfreich", wenn der Personalvorstand einen Tag vor der fünften Runde seine bekannten und "unrealistischen Maximalforderungen" wiederhole.

Am heutigen Donnerstag wird VW auch die Zahlen für das dritte Quartal vorlegen. Analysten rechnen mit weiter sinkenden Erträgen, aber nicht mit einer neuen Gewinnwarnung. Der Konzern hatte bereits im Sommer seine Erwartungen an 2004 deutlich zurückgenommen und Hoffnungen auf eine rasche Besserung der Märkte begraben.

Im ersten Halbjahr war der operative Gewinn um ein Drittel auf 851 Millionen Euro eingebrochen. Der Absatz war um 1,7 Prozent auf 2,5 Millionen Fahrzeuge gestiegen.

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