Wolfgang Tiefensee in Baulaune:Der Bundesspatenminister

Ein Lächeln hier, ein Spatenstich da: Kurz vor der Wahl greift das Haus von SPD-Minister Wolfgang Tiefensee fleißig zu Schaufel und Schere - die Union spricht von "grober Ungerechtigkeit".

Michael Bauchmüller

Karin Roth hat an diesem Freitag keine Zeit zu verlieren. Punkt eins am Mittag wird die SPD-Staatssekretärin aus dem Verkehrsministerium in Dunningen erwartet, einer 6000-Einwohner-Gemeinde im Schwarzwald. Vor 19 Jahren hatten sich die Dunninger auf den Bau einer Umgehungsstraße geeinigt, seitdem wartet der Gemeinderat auf den ersten Spatenstich.

Jetzt, drei Wochen vor der Bundestagswahl, ist es so weit: Aus Berlin reist extra die Staatssekretärin an, sie wird den Spaten in den Dunninger Boden schieben, eine Rede halten - und verschwinden. Keine drei Stunden später nämlich muss sie in Wollmattingen sein, der Ort am Bodensee soll eine Westtangente bekommen. Den Spaten kann sie gleich mitnehmen, den wird sie wieder brauchen.

Das ist die Verkehrspolitik dieser Tage: Das Führungspersonal ist komplett ausgeflogen, es verteilt Wohltaten an das Volk. Während Karin Roth zu den Dunningern spricht, ist SPD-Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee in Greifswald - zum Richtfest des Friedrich-Loeffler-Instituts. Und SPD-Staatssekretär Achim Großmann weilt im Sauerland, wo eine Autobahn irgendwann an das Örtchen Bestwig heranragen soll. Morgen ist Baubeginn, gerade noch rechtzeitig.

Das Phänomen ist nicht neu - und war doch nie so ausgeprägt wie vor dieser Wahl. Immer schon planten die zuständigen Verwaltungen Baubeginn oder Bauende so, dass es sich gut mit der Bundestagswahl vertrug. "Ich habe schon sechs Minister erlebt", sagt ein Beamter aus dem Verkehrsministerium, "bei keinem war es anders." Nur: Noch keiner konnte von einem Konjunkturpaket profitieren, das mal eben so eine Milliarde Euro in den Straßenbau pumpt. Und weil in den Schubladen der Kommunen vor allem Pläne für Ortsumgehungen schlummerten, werden die als Erstes angepackt.

Ein Spatenstich ist kein Baubeginn

Vor allem in der Lokalpresse werden solche Ereignisse gern ausführlich gewürdigt. Besuch aus Berlin ist selten, und meist fallen große Worte von Chancen für die wirtschaftliche Entwicklung und über Innenstädte, die nun noch schöner werden, weil der Verkehr sie umgeht. Wann nach einem Spatenstich die Bauarbeiten beginnen, ist eine andere Frage, ein Spatenstich ist kein Baubeginn. Hauptsache, der Spaten sticht rechtzeitig zum 27. September, dem Wahltag.

Der Koalitionspartner von der Union ist von den Aktivitäten des Hauses Tiefensee gar nicht begeistert. Schon bei der Regierungsbildung 2005 schwante CDU und CSU, dass den Sozialdemokraten mit dem Verkehrsministerium unverschämt viele PR-Möglichkeiten zufallen könnten. Jetzt ist die Stimmung schlecht. "Diese einseitige öffentliche Selbstdarstellung unter Vermeidung des Koalitionspartners ist eine grobe Unfairness und Ungerechtigkeit des Bundesverkehrsministers", beklagt Dirk Fischer, der verkehrspolitische Sprecher der Unionsfraktion - und muss doch mit ansehen, wie andere die Lorbeeren davontragen.

Etwa Wolfgang Tiefensee selbst, der vorigen Dienstag gut gelaunt im roten Cabrio und entlang winkender Schaulustiger das allerletzte Stückchen A 7 abfuhr. Sieben Jahre lang war an der 14 Kilometer langen Lücke der Autobahn gebaut worden, fünfmal so lange wurde über die Durchquerung des Allgäus gestritten. "Von Flensburg haben die Autofahrer von heute an bis zur österreichischen Grenze freie Fahrt", erklärte Tiefensee freudestrahlend. Wenn das kein Erfolg ist - für Tiefensees Vorgänger.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: