Wolfgang Porsche:Dann redet er doch

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Beim Konzernabend präsentiert Volkswagen die Zukunft: ein Roboter-Kleinbus. Dann ist da noch das Gespräch mit dem VW-Miteigentümer. Er hat viel zu sagen: über die Manager und seinen Cousin.

Von Thomas Fromm und Max Hägler, Genf

Eigentlich geht es bei diesem VW-Abend in einer Halle am Genfer Flughafen um zwei Veranstaltungen. Die offizielle Konzern-Party beim Autosalon. Und die Runde um den nachdenklichen VW-Großaktionär Wolfgang Porsche. Die einen feiern ihre Autos, der andere steht mitten im Saal und erzählt, was ihn bedrückt. Sein Verhältnis zum Cousin Ferdinand Piëch, die Streitereien mit dem Betriebsrat, die Kultur am Konzernsitz in Wolfsburg. Wenn man so will, sind es nicht nur zwei Parallelveranstaltungen an einem Ort - sie sind auch ziemlich unterschiedlich. Zunächst der offizielle Teil. Er beginnt mit VW-Chef Matthias Müller. Der spricht an diesem Vorabend der Genfer Automesse am liebsten über die Zukunft. Die Zukunft heißt "Sedric". Sedric steht für "Self-driving-car", selbstfahrendes Auto, ein irgendwie verspieltes Auto ohne Lenkrad mit hohem Kindchenschema-Faktor, und Müller sagt, dass so der VW von morgen aussieht. Nicht zurückschauen auf Dieselskandal und interne Machtkämpfe, die Zukunft zählt. Man hätte also, so gesehen, einen sehr automäßigen VW-Abend in Genf verbringen können. Wäre da eben nicht noch einer gewesen, der am Rande der Veranstaltung steht und außerhalb des offiziellen VW-Protokolls ein paar Dinge loswerden will: Wolfgang Porsche, genannt WoPo, 73 Jahre alt, VW-Aufsichtsrat, milliardenschwerer Miteigentümer des Konzerns, Enkel des Firmengründers und hier und heute oberster Hausherr. Ihm geht es nicht um Sedric, auch wenn er den ganz visionär findet, sondern um: Bernd und Ferdinand, also den VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh und WoPos Cousin Ferdinand Piëch. VW mag der größte Industriekonzern Europas sein - im Innern aber menschelt es sehr.

VW stellt in Genf das Zukunftsmodell Sedric vor. Darin gibt es weder Lenkrad noch Gaspedal, aber dafür jede Menge Technologie, made by Volkswagen. (Foto: Chris Ratcliffe/Bloomberg)

"Zum Herrn Piëch will ich nichts sagen", meint er. Noch nicht, aber es ist ja noch früh. So spricht er erst mal über VW-Markenchef Herbert Diess und Betriebsratsboss Bernd Osterloh - eigentlich will sich Porsche auch hier nicht einmischen in den monatelangen Kleinkrieg der beiden um Einsparungen und Jobstreichungen.

Dann aber doch.

Selten wurde in der deutschen Wirtschaft ein Topmanager von der Arbeitnehmerbank so angegriffen wie Diess. Ihr Vorwurf: Diess reiße Vereinbarungen mit dem Hintern wieder ein. Einige fanden, das sei Mobbing gewesen. Also, Herr Porsche, wie stehen Sie zu Herrn Diess? "Der macht einen exzellenten Job." Aber was ist denn nun mit den Vorwürfen? Zu ruppig soll Diess sein, und noch dazu soll er diese besondere Wolfsburger Konzernkultur nicht verstehen und, sowieso, keine Rücksicht auf die Arbeitnehmervertreter nehmen. Der mächtige Osterloh gegen Diess, kann das für den Ex-BMW-Vorstand und Neu-Wolfsburger Diess gut ausgehen? Es muss, sagt Porsche. Allein schon wegen der Außenwirkung. Diess ist kein VW-Gewächs, und das ist sein Problem. Denn ausgerechnet er soll die schwächelnde Marke VW nun sanieren. "Was würde denn die Öffentlichkeit sagen, wenn der Diess als einziger, der von außen kam, jetzt ginge?", fragt Porsche. Es ist eine Warnung an all die, die schon heimlich damit rechnen, dass Diess das Handtuch wirft.

Wolfgang Porsche der weißhaarige, freundliche Mann, ist Diplomat. (Foto: Uli Deck/dpa)

Porsche, der weißhaarige, freundliche Mann, ist Diplomat. "Ich bin mir sicher, dass Herr Diess noch ein bisschen mehr Gespür bekommt." Das sei nun mal nötig, wenn man in eine andere Kultur komme.

Porsche schätzt den Betriebsrat Osterloh, aber da ist diese Sache mit der Gewaltenteilung im Unternehmen - Ordnung muss sein. "Es muss der Vorstand führen, es kann doch nicht der Betriebsrat führen!" Man müsse den Vorstand stärken, "das ist unsere Aufgabe als Familie", sagt er. Manchmal schmunzelt Porsche, dann wägt er seine Worte ab. Es ist klar: Da nutzt einer diesen Abend, um mal einige Dinge gerade zu rücken. Die vergangenen zwei Jahre waren turbulent. Im Frühjahr 2015 ging es los, da meinte der alte VW-Patriarch und Porsche-Cousin Ferdinand Piëch, er sei "auf Distanz" zum damaligen Konzernchef Martin Winterkorn. Ein Satz, der die Fassade der bis dahin so scheinbar heilen VW-Welt zum Einsturz brachte. Dann kam die Dieselaffäre um manipulierte Abgaswerte. Milliardenstrafen folgten, und die Suche nach den Schuldigen. Das alles hat viel zerbrochen in Wolfsburg, auch das Verhältnis der beiden alten Herren. Porsche ist noch heute ratlos. Was war nur in seinen Cousin gefahren vor zwei Jahren, als er den langjährigen VW-Chef Martin Winterkorn abservieren wollte? Und warum hat Piëch ihm, dem Verwandten und Gefährten aus Kindertagen, unterstellt, schon länger von dem Dieselskandal gewusst zu haben? Welche Rechnungen sind da offen? "Ich weiß es nicht", sagt Porsche. "Ich kenne doch keinen loyaleren Menschen als den Herrn Winterkorn." Aber so ist das Leben. Verwandte, sagt WoPo, könne man sich eben nicht aussuchen. Auch nicht den Ferdinand. Schon tragisch, was da passiert sei, dieser ganze Streit. Es freue ihn nicht, sagt Porsche. Der Mann mit den Manschettenknöpfen und der Krawattennadel spricht sehr oft von "wir" und meint damit die ganze Familie.

Halb elf am Abend ist es bald, Porsche nimmt einen Schluck aus dem Glas, das mit stillem Wasser gefüllt ist. Durchatmen jetzt, gehen oder bleiben? Er bleibt noch ein paar Minuten, die Sache mit dem Cousin beschäftigt ihn sehr. Hat er denn jemals mit Piëch über die Vorwürfe geredet? "Ich bin ja froh, dass er mir überhaupt die Hand gibt." Aber das liege nicht an ihm. Sein Cousin habe sich zunehmend isoliert.

Porsche und Piëch, die beiden waren schon immer das ungleiche Clan-Paar. Ferdinand, der Elite-Internatsschüler, Wolfgang von der Waldorfschule. Knallharter Automanager der eine, ruhiger und besonnener Mann im Hintergrund der andere. Wird man noch einmal zusammenkommen? "Ich warte", sagt Porsche. Im Saal stehen VWler, schauen sich den autonomen Sedric an und trinken Bier und Wein. Nur einer spricht hier nicht über Autos, sondern die Familie. "Ich will deeskalieren", sagt Porsche. Dabei legt er die Hand schräg an den Mundwinkel.

© SZ vom 08.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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