Wohnungssuche:Mieter fühlen sich zu vorauseilendem Gehorsam gedrängt

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(Foto: Illustration Jessy Asmus)

Wer eine Mietwohnung sucht, muss nicht sofort alle Unterlagen vorlegen. Doch die Realität sieht anders aus.

Von Thomas Öchsner

Ein Sommerabend in München, kurz vor 18 Uhr. Etwa 30 Menschen stehen vor einem Mietshaus. Eine heiß begehrte Drei-Zimmer-Wohnung ist zu vergeben, Altbau, 75 Quadratmeter, knapp 1700 Euro Kaltmiete. Viele Interessenten haben gleich eine kleine Bewerbungsmappe mitgebracht - zum Beispiel mit einem Einkommensbescheid. So laufen derzeit in vielen deutschen Groß- und Universitätsstädten Besichtigungstermine ab. Potentielle Mieter rücken mit Informationen an, die sie eigentlich noch gar nicht preisgeben müssten, sie wollen ja unbedingt die Wohnung bekommen. Aber wie ist eigentlich die Rechtslage, wie gut ist der Datenschutz bei der Wohnungssuche?

Erster Kontakt

Bei der Wohnungssuche gilt "der Grundsatz der Datenminimierung". So steht es in einer Broschüre des IVD-Bundesverbands, in dem 4500 Makler organisiert sind. Demnach darf der Vermieter vor dem Besichtigungstermin grundsätzlich nur nach den Namen des Mietinteressenten, seine Kontaktdaten, der Anzahl der möglichen Mieter und nach etwaigen Haustieren fragen. Erlaubt ist auch sich nach einem Wohnberechtigungsschein zu erkundigen, wenn es sich um eine Sozialwohnung handelt. Die Vorlage einer Schufa-Auskunft oder Kontaktdaten aus früheren Mietverhältnissen zu verlangen, "ist unzulässig", heißt es beim IVD. Das bestätigt auch Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes (DMB). Er sagt aber: Was auf dem Papier steht, habe mit der Realität auf angespannten Wohnungsmärkten oft wenig zu tun. "Wer Mieter werden will, muss sich oft nackig machen. Viele bringen in vorauseilenden Gehorsam zu Besichtigungsterminen Bewerbungsmappen mit, in dem alle nur denkbaren Unterlagen stecken, vom ausgefüllten Fragebogen bis zur Schufa-Auskunft".

Abschluss des Mietvertrags

Wenn die Auswahl des Mieters wirklich ansteht, können die Wohnungsanbieter mehr persönliche Daten verlangen. Sie können sich den Personalausweis zeigen lassen, Name, Adressdaten und Geburtsdatum notieren, eine Kopie anfertigen dürfen sie aber nicht. Sie können nach dem Beruf, dem Alter und dem Arbeitgeber fragen, nach den Namen weiterer Personen, die einziehen wollen, und ob eine Privatinsolvenz vorgelegen hat. "Die Dauer einer Beschäftigung bietet jedoch in einer mobilen Gesellschaft keine Gewissheit für die Beständigkeit einer Beschäftigung. Diese Frage ist daher nicht geeignet, das Sicherungsbedürfnis einer Vermieterin oder eines Vermieters zu erfüllen und ist damit unzulässig", warnt der IVD. Nach Angaben des Mieterbundes können sich Vermieter bei der Endauswahl auch nach Gehaltsnachweisen erkundigen und fragen, ob der Interessent in der Lage ist, die Wohnung zu bezahlen.

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Schufa-Auskunft

Viele Mietinteressenten bringen ganz selbstverständlich einen Schufa-Selbstauskunft mit, um ihre finanzielle Zuverlässigkeit und Bonität bescheinigen zu können (Kosten: derzeit 29,95 Euro einmalig). Eigentlich sollten Vermieter oder Makler die Schufa-Auskunft erst verlangen, wenn sie sich im Prinzip bereits für einen Mieter entschieden haben, sagt Ropertz. Damit könnten sie "ihre Entscheidung absichern, ob die ausgesuchte Person auch wirklich zahlungsfähig und zahlungswillig ist". Der DMB-Geschäftsführer hält es für "nicht in Ordnung, schon vorher von zum Beispiel 30 Interessenten bei einer Besichtigung die Schufa-Auskunft einzusammeln".

Gespeicherte Daten

Vermieter oder Makler dürfen Daten nur soweit speichern, wie es zum Beispiel für die Vergabe einer Wohnung notwendig ist. Fällt der Grund weg, müssen sie die Daten der Bewerber, die leer ausgegangen sind, wieder löschen. Zwei Monate können die Daten laut IVD aber gespeichert werden. Der Grund: Ein abgelehnter Bewerber könnte sich auf das Gleichstellungsgesetz berufen und sagen: "Ich wurde abgelehnt, weil ich schwarz oder homosexuell bin."

Neue Datenschutzverordnung

Auch Vermieter müssen jetzt genau dokumentieren, wie sie Daten erheben, wie lange und wo sie diese gespeichert haben und wie sie die Datensicherheit gewährleisten wollen. Positiv bewertet Ropertz, dass jetzt viele über das Thema Datenschutz reden, "mit dem sich sie jahrelang nicht beschäftigt haben".

Vorschriften und Wirklichkeit

Für Ropertz ist klar: "Die Lage am Wohnungsmarkt ist, wie sie ist, und sie wird nicht so schnell besser werden." Für ihn gibt es deshalb zwei Wahrheiten. "Es ist dein gutes Recht fröhlich pfeifend, ohne Bewerbungsmappe zur Besichtigung zu gehen. Die zweite Wahrheit ist: So hast du keine Chance, die Wohnung zu bekommen, wenn 20 andere mit der Mappe winken. Etwas anders zu behaupten, wäre blauäugig", sagt er. Der Jurist sieht allerdings ein Vollzugsdefizit. "Datenschützer und Behörden könnten zum Beispiel stärker Wohnungsanzeigen auf offensichtliche Rechtsverstöße durchsehen", sagt Ropertz. Er verweist außerdem auf die freiwilligen Profile, die Wohnungssuchende auf Immobilienportalen ins Netz stellen. Diese könnten sich Behörden auch einmal näher anschauen und sich fragen, in wie weit diese wirklich freiwillig sind. "Aber das zu fordern, ist wahrscheinlich auch blauäugig", sagt er. "Das scheitert vermutlich schon am fehlenden Personal."

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