Wohnungsnot:Bei 7,97 Euro soll Schluss sein

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Der Mietendeckel in Berlin soll nach einem ersten Entwurf radikaler ausfallen als erwartet. Aber ist so ein starker Eingriff ins Eigentum überhaupt möglich? Die Wohnungswirtschaft reagiert schon mal entsetzt.

Von Hannah Beitzer, Berlin

Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), ist gerade auf Dienstreise in Peking - da versetzt ein Papier aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen die Hauptstadt in Aufregung, über das zuerst der Berliner Tagesspiegel berichtete. Es geht um den geplanten Mietendeckel, der die rasante Entwicklung auf dem Berliner Immobilienmarkt bremsen soll. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie soll der Mietendeckel in Berlin aussehen?

Bereits im Juni hatte der Berliner Senat Eckpunkte zu einem Mietendeckel beschlossen. Demnach sollen die Mieten für fünf Jahre eingefroren werden. Außerdem soll eine Mietobergrenze gelten, demnach soll die Miete bei Neuvermietungen nicht oberhalb der alten Miete und des Mietendeckels liegen. Gelten soll der Mietendeckel rückwirkend. Bestehende Verträge dürften nicht über die am Stichtag 18. Juni 2019 vereinbarte Miete hinausgehen.

Nun wurde bekannt, dass ein Entwurf aus dem Hause von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) im Detail viel radikaler ausgefallen ist, als zuvor angenommen. Die Kaltmieten in Berlin sollen je nach Alter der Immobilie und Ausstattung maximal 7,97 Euro pro Quadratmeter betragen. Ältere Wohnungen sind dabei tendenziell billiger als neue, Bauten aus dem alten Westberlin können teilweise teurer vermietet werden als frühere DDR-Wohnungen. Altbauwohnungen ohne Sammelheizung und Bad gäbe es schon ab 3,42 Euro pro Quadratmeter. Keine Rolle spielt dabei die Lage der Mietshäuser. Ein Altbau mit Sammelheizung und Bad dürfte in ganz Berlin nicht mehr als 6,03 Euro pro Quadratmeter kosten - und damit auch in angesagten Lagen wie Kreuzberg oder dem Prenzlauer Berg, wo solche Wohnungen momentan für 15 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter gehandelt werden. Für Modernisierungen sieht der Entwurf Medienberichten zufolge Aufschläge im Centbereich vor. Ausgenommen vom Mietendeckel sind Neubauten, die nach 2013 entstanden sind. Die Mietobergrenze soll auch für möblierte Wohnungen gelten. Zurzeit nutzen viele Vermieter die Vermietung von möblierten Wohnungen, um die Mietpreisbremse zu umgehen.

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Wie sind die politischen Reaktionen?

Ziemlich aufgeregt. Die FDP spricht von Enteignung, die CDU äußert Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs. Lompschers Kabinettskollege, Innensenator Andreas Geisel (SPD), sagt, die SPD sei zwar auch dafür, den Mietmarkt stärker zu regulieren. Doch: "Nicht der radikalste Vorschlag ist der beste, sondern der wirksamste." Berlins Mieter hätten nichts von einem Gesetz, über das erst jahrelang gestritten werde und das dann vor Gericht keinen Bestand hätte. Kritik wurde auch daran laut, dass Besserverdiener in teuren Lagen am meisten von dem Gesetz profitierten, sie müssten dann ja viel weniger Miete zahlen.

Die zuständige Senatorin hingegen ist die Ruhe selbst. Man sehe keinen Anlass, den Entwurf inhaltlich zu kommentieren oder öffentlich zu diskutieren, denn er bilde nur einen Zwischenstand ab. "Wir wollen ein Stoppzeichen setzen gegen Spekulationen, für leistbare Mieten und eine soziale Stadt", sagte Lompscher am Montag. Ziel sei, eine sozial gemischte Stadt auch für die Zukunft zu sichern. "Dazu ist es erforderlich, in die Bestandsmieten einzugreifen." Die Details des Mietendeckels werde man wie geplant in den kommenden Wochen mit dem Koalitionspartner, Vertretern der Wohnungswirtschaft und anderen Experten verhandeln. Bis zum 15. Oktober soll der Gesetzentwurf fertig sein.

Ist der Berliner Mietendeckel überhaupt verfassungsgemäß?

Das ist unter Juristen umstritten, es kursieren unterschiedliche Gutachten. In ihnen geht es vor allem um die Frage, ob Bund oder Länder für ein solches Gesetz zuständig wären. Auch die Frage nach der Verhältnismäßigkeit eines solchen Eingriffs in die Eigentumsrechte der Vermieter begleiteten das Vorhaben von Anfang an. Für Vermieter, denen wegen der wegfallenden Miete die Pleite droht, sehen die Eckpunkte des Senats eine Härtefallregelung vor, um "den Substanzerhalt des Eigentums" zu gewährleisten, wie Lompschers Senatsverwaltung schreibt. Sie schreibt jedoch auch: "Ein Recht auf Rendite gibt es nicht."

Was wären die Folgen für die Wirtschaft?

Die spüren Immobilienkonzerne schon heute. Vor allem bei den auf Berlin fokussierten Immobilienkonzernen Deutsche Wohnen und Ado Properties sinken die Aktienkurse. Sorgen vor einem politischen Verbot von Mietsteigerungen warfen die Papiere von Deutsche Wohnen seit Anfang Juni inzwischen um knapp ein Drittel zurück, Ado rutschten vergleichbar stark ab.

Kein Wunder also, dass das Urteil der Wohnungswirtschaft einhellig negativ ausfällt. "Die Pläne sind ein Angriff auf die Branche und alle Eigentümer. Hier soll Enteignung durch die Hintertür in großem Stil eingeführt werden", sagt etwa Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses: "Wir werden uns wehren". Frank Schrecker, Vorstand der Berolina eG und Sprecher der Berliner Genossenschaften, nannte die Pläne "in höchstem Maße enttäuschend". In der vorliegenden Form wären sie "insbesondere für die sozial orientierten Vermieter Berlins ein Schlag ins Gesicht". Schrecker rechnet mit "gravierenden wirtschaftlichen Schäden" und "Vertrauensverlust in den Rechtsstaat". Für die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) erklärte Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck, der Entwurf sei ein "beispielloser Eingriff in die Marktwirtschaft mit unabsehbaren Folgen". Investoren würden sich sofort auf breiter Front zurückziehen.

Wie sieht es denn mit neuen Wohnungen in Berlin aus?

Schon jetzt geht es in Berlin mit dem Neubau von Wohnungen nicht ausreichend voran. Es sind im vergangenen Jahr zwar drei Mal so viele Wohnungen entstanden wie vor zehn Jahren, nämlich etwa 16 700, wie aus Zahlen des Statistischen Bundesamts hervorgeht. Doch angesichts des starken Bevölkerungswachstums reicht das nach Ansicht von Experten nicht aus. Sogar innerhalb der rot-rot-grünen Koalition gibt es Streit. Im Juli stoppte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) den Stadtentwicklungsplan Wohnen, den Lompscher vorgelegt hatte. Er bemängelte, dass darin zu wenige Neubauflächen ausgewiesen seien. Außerdem fehlten Ideen, wie der dringend benötigte Neubau beschleunigt werden könne.

© SZ vom 27.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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