Wegen hoher Zins- und Materialkosten droht dem Wohnungsbau in Deutschland einer Studie zufolge im kommenden Jahr ein noch stärkerer Einbruch als 2023. Die Zahl neu fertiggestellter Wohneinheiten in Mehr- und Einfamilienhäusern dürfte bis auf 177 000 sinken, wie aus der am Dienstag veröffentlichten Untersuchung des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hervorgeht. Im laufenden Jahr könnten es im schlechtesten Fall 223 000 Wohnungen sein, nach 295 000 im vergangenen Jahr. Damit würde 2024 fast wieder der historische Tiefststand von 2009 erreicht werden, das von der Bundesregierung angestrebte Ziel von jährlich 400 000 neuen Wohnungen zugleich deutlich verfehlt. Der mögliche Einbruch bei den Fertigstellungen entspricht den Berechnungen zufolge einem Rückgang der realen Wohnungsbauinvestitionen um knapp 21 Milliarden Euro in diesem und von gut 16 Milliarden Euro im kommenden Jahr.
Die Aussichten für den Wohnungsbau haben sich im Mai erneut eingetrübt. Wegen gestiegener Zins- und Materialkosten brach die Zahl der Baugenehmigungen um 25,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 23 500 Wohnungen ein, wie das Statistische Bundesamt zuvor mitteilte. Die Zahl sinkt damit seit einem Jahr kontinuierlich, besonders bei Ein- und Zweifamilienhäusern. Allerdings nimmt das Tempo etwas ab: Im April hatte es mit 31,9 Prozent den stärksten Einbruch seit mehr als 17 Jahren gegeben, im März fiel der Rückgang mit 29,6 Prozent ähnlich hoch aus.
Angesichts des enormen Rückgangs fordert der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) die Bundesregierung zum Handeln auf. "Von dem Stillstand ist die gesamte Wertschöpfungskette Bau betroffen", sagte BFW-Präsident Dirk Salewski. "Das ist ein Dominoeffekt. Zuerst merkt es der Baggerfahrer, zuletzt der Maler." Dabei gebe es einen enormen Bedarf an bezahlbarem Wohnraum, der immer weiter wachse. Daher bedürfe es pragmatischer Lösungen, wie etwa klare Finanzierungs- und Förderbedingungen sowie sinkende Erwerbsnebenkosten.