Süddeutsche Zeitung

Wohnungsbau:Fehlanreize und Mitnahmeeffekte

Eine Sonderabschreibung für Investoren soll helfen, die Wohnungsnot zu bekämpfen. Doch dies stößt auf Kritik.

Von Thomas Öchsner

In Deutschland fehlen etwa eine Million Wohnungen. Die Bundesregierung will deshalb nicht nur den sozialen Wohnungsbau ankurbeln und Familien mit dem Baukindergeld beim Bau oder Kauf von eigenen vier Wänden unterstützen. Union und SPD wollen Investoren auch mit einer steuerlichen Sonderförderung dazu ermutigen, mehr Wohnungen zu errichten. An diesem Montag wird darüber bei einer Anhörung im Finanzausschuss des Bundestags beraten. Doch dabei wird von allen Seiten Kritik kommen - auch vom Bundesrechnungshof. Der hält es sogar "nicht für empfehlenswert, die Gesetzesinitiative weiter zu verfolgen, wenn sie nicht in wesentlichen Punkten nachgebessert wird".

Die neue Steuersubvention ist mehrfach nach oben begrenzt: Begünstigt werden nur Bauvorhaben und Bauanträge nach dem 31. August 2018 und dem 31. Dezember 2021. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten für eine neue Mietwohnung dürfen 3000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche nicht überschreiten. Die geförderte Wohnung ist mindestens zehn Jahre zu vermieten. Sind die Bedingungen erfüllt, können Investoren bis Ende 2021 für die mehr als drei Jahre jeweils fünf Prozent der Anschaffungs- und Herstellungskosten der neuen Mietwohnung bei der Steuer geltend machen. Die Sonderabschreibung (Afa) wird aber nur für die Kosten bis zu einer Höhe von 2000 Euro je Quadratmeter gewährt. Zusammen mit der üblichen jährlichen Abschreibung von zwei Prozent lassen sich somit bis Ende 2021 insgesamt 28 Prozent bei der Steuer absetzen. Soweit der Plan der Bundesregierung. Doch richtig gut findet das keiner der Experten und Verbände, deren Stellungnahmen für die Anhörung bereits auf der Homepage des Finanzausschusses zu lesen sind.

Claus Michelsen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) warnt davor, dass die Sonder-Afa am eigentlichen Engpass - den fehlenden Bauflächen für den Neubau - nichts ändern wird. Der Ökonom befürchtet deshalb Mitnahmeeffekte, "da die Flächen ohnehin bebaut" würden. Außerdem erwartet er, dass die Förderung die Nachfrage und damit auch die Preise für Bauleistungen weiter anheizt. Gar nichts hält er davon, dass die Sonder-Afa nicht auf Regionen beschränkt wird, in denen wirklich Wohnungsnot herrscht. Er spricht deshalb von "räumlichen Fehllenkungen". Michelsen erinnert das Vorhaben an die Sonderabschreibung Ost, als in den Neunzigerjahren in Ostdeutschland aufgrund der exorbitant hohen steuerlichen Förderung mehr saniert und gebaut wurde, als nötig war und Milliarden an Steuergeld und privatem Geld in völlig überteuerte Wohnungen flossen.

Für die geförderten Wohnungen gibt es keine Mietobergrenze

Kritik kommt auch von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, hinter der sich zum Beispiel der Deutsche Städtetag verbirgt. Der Verband weist darauf hin, dass es keine Mietobergrenze für die geförderten Wohnungen gibt. Dadurch sei "nicht sichergestellt, dass die Wohnungen zu tragbaren Mieten für Haushalte mit niedrigem bis mittlerem Einkommen zur Verfügung stehen". Die Vereinigung schlägt deshalb vor, Investoren nur dann extra zu fördern, wenn sie zu mindestens einem Drittel Wohnungen mit günstigen Mieten anbieten, "die einer Sozialbindung entsprechen". Außerdem schlägt der Verband ebenfalls vor, die Förderung auf angespannte Wohnungsmärkte zu begrenzen.

Dieses Problem sieht auch der Deutsche Mieterbund: "Ohne Mietobergrenze werden Bauherren und Investoren die Sonderabschreibung gern in Anspruch nehmen. Da sie aber zu keiner Gegenleistung verpflichtet sind, werden sie nach Fertigstellung der Wohnungen die aktuellen Neubaupreise und Marktmieten fordern.

Dazu passt, dass der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) , in dem sich die Immobilienwirtschaft zusammengeschlossen hat, gerne noch mehr hätte. Der ZIA wünscht sich, die Sonder-Afa weniger zeitlich zu begrenzen, außerdem hält er die 3000-Euro-Fördergrenze für zu niedrig bemessen.

Und der Bundesrechnungshof? Der warnt vor dem hohen Verwaltungsaufwand und vor Ärger wegen der Beihilferegelungen mit der EU. Außerdem merken die Rechnungsprüfer an, dass das Steuerrecht damit weiter verkompliziert werde und im Widerspruch dazu stehe, die Besteuerung zu vereinfachen und "die Steuererklärungen weitestgehend automatisiert zu veranlagen."

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Quelle:
SZ vom 19.11.2018
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