Süddeutsche Zeitung

Wohnungsmarkt:Vonovia will sparen statt bauen

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Europas größter Vermieter will deutlich weniger Geld in neue Häuser und Sanierungen stecken. Vonovia-Chef Buch sagt wohl nur offen, was viele andere längst planen.

Von Stephan Radomsky

Die Lage für Rolf Buch ist schon ein wenig paradox: Eigentlich könnte der Chef von Vonovia, Europas größtem Vermieter, zufrieden sein. Praktisch alle der knapp 550 000 Wohnungen des Konzerns seien belegt, der Leerstand sei so niedrig wie noch nie, zugleich stiegen die Mieten um mehr als drei Prozent, kann er vermelden. Das operative Ergebnis hat so in den ersten neun Monaten um satte 35 Prozent zugelegt, auch dank der Übernahme des Rivalen Deutsche Wohnen. Und dieser Deal werde in den kommenden Jahren sogar noch mehr Einsparungen bringen als zunächst kalkuliert.

Trotzdem ist Buchs Stimmung verhalten. Die große Wohnungsparty, sie scheint zu Ende. Rasant steigende Zinsen und Baukosten, die wachsende Unsicherheit am Immobilienmarkt und womöglich bald massenhaft Mieter in Zahlungsschwierigkeiten - die Aussichten machen gerade wenig Freude. Trotzdem will Buch auch im kommenden Jahr zumindest stabile Ergebnisse auf dem Niveau dieses Jahres liefern. Und das muss er vielleicht auch: Im Lauf dieses komplizierten Jahres hat die Vonovia-Aktie im Dax schon rund die Hälfte an Wert verloren, an der Börse wird der Konzern mit nicht mal mehr 17 Milliarden Euro taxiert - viel weniger, als die Immobilien abzüglich der Schulden eigentlich wert sein sollten. Noch weiter sollte der Wert möglichst nicht absacken.

Also will Buch sparen, und zwar vor allem am Bau: Ein halbe Milliarde Euro weniger soll bei Vonovia im kommenden Jahr in Neubau und Sanierungen fließen, nur noch 850 Millionen Euro statt zuletzt rund 1,4 Milliarden. Und damit legt Buch das ganze Dilemma offen, vor dem nicht nur Vonovia, sondern der gesamte deutsche Immobilienmarkt gerade steht: Denn gerade ist eben beides extrem knapp und teuer, das Kapital und die Wohnungen. Und es dürfte noch schwieriger werden, mit dem Angebot der weiter wachsenden Nachfrage hinterherzukommen. Schon die 400 000 Neubau-Einheiten, die sich die Bundesregierung ursprünglich mal vorgenommen hatte, hält Buch deshalb für eher zu niedrig.

"Wir brauchen die Hilfe der Politik"

Und selbst die dürften in den kommenden Jahren bei Weitem nicht zu schaffen sein. Darauf deuteten zuletzt schon die Zahlen hin, die aus der Baubranche kamen: Dort bricht der Auftragseingang geradezu ein. Weniger Investitionen und höhere Baupreise - die Inflation am Bau liegt schon seit Mitte des vergangenen Jahres weit im zweistelligen Prozentbereich - dürften den Wohnungsmangel in den kommenden Jahren drastisch verschärfen. Schließlich wird nicht nur weniger investiert, jeder Euro baut auch weniger Quadratmeter.

"Wir brauchen die Hilfe der Politik", sagt Buch deshalb. Wenn bezahlbarer Wohnraum gebaut werden solle, dann müssten die Förderung wieder deutlich erhöht und die Baukosten gesenkt werden. Etwa indem weniger strenge Standards verlangt werden. Nach beidem aber sieht es gerade nicht aus: Ab dem kommenden Jahr soll nach dem Willen von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) der Großteil der Fördergelder eben nicht mehr in den Neubau fließen, sondern in die klimafreundliche Sanierung des Bestandes - und zwar so, dass möglichst viele profitieren, es für jedes einzelne Projekt aber weniger Geld vom Staat gibt. Zugleich werden die Anforderungen für Neubauten verschärft, jedes neue Gebäude muss dann mindestens den Effizienzhaus-55-Standard erfüllen.

Unterm Strich heiße das: Die Wohnungswirtschaft müsste rund 150 Milliarden Euro pro Jahr in Neubau und Modernisierung investieren, um alle Ziele zu schaffen, soll aber zugleich die Mieten bezahlbar halten, sagt Buch. "Das ist eine Rechnung, die nicht aufgehen wird." An den eigenen Plänen für die Sanierungen werde Vonovia aber dennoch festhalten - allerdings profitiere man da auch vom Vorsprung, den man sich in den letzten Jahren erarbeitet habe.

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