Mietwohnungen:Das Milliarden-Monopoly

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Wohnungen in Siemensstadt in Berlin, die dem Immobilienunternehmen Deutsche Wohnen gehören: Jetzt soll die Firma in Vonovia aufgehen. (Foto: Liesa Johannssen-Koppitz/Bloomberg)

Vonovia-Chef Rolf Buch will seinen härtesten Konkurrenten Deutsche Wohnen übernehmen und damit Europas größter Vermieter werden. Schon lange baut er seine Macht zielstrebig aus.

Von Caspar Busse und Benedikt Müller-Arnold

Nicht viel deutete einst darauf hin, dass Rolf Buch einmal der Mann werden würde, der die Immobilienwirtschaft in Deutschland umkrempeln würde. Der inzwischen 56-Jährige hatte in Aachen Maschinenbau und Betriebswirtschaft studiert und 1991 bei Arvato angeheuert, einer auf Dienstleistungen spezialisierten Tochterfirma von Bertelsmann. Er beschäftigte sich mit wenig aufregenden Dingen wie Direktmarketing oder Callcentern - aber er machte Karriere, immer im Windschatten des späteren Konzernchefs Hartmut Ostrowski. Doch nachdem sein Mentor 2011 den Job an der Unternehmensspitze verloren hatte, kehrte Buch Bertelsmann ebenfalls den Rücken.

In Gütersloh wohnt er zwar bis heute, sein Leben nahm damals aber eine Wendung. Der bis dahin eher zurückhaltend auftretende Buch wurde 2013 neuer Chef des Wohnungskonzerns Deutsche Annington, etablierte den Großvermieter an der Börse und benannte ihn in Vonovia um. Nun wagt er die Übernahme des Konkurrenten Deutsche Wohnen. Bis zu 18 Milliarden Euro will Buch ausgeben, Vonovia würde so mit Abstand zum größten Wohnungskonzern Europas - mit Buch an der Spitze. "Dieses Unternehmen, das wir bauen, ist perfekt aufgestellt, um letztlich auch die Marktführerschaft in dem europäischen Markt zu verteidigen und auch auszubauen", sagt er. Demnach wollen Vonovia und Deutsche Wohnen zusammen mehr Geld für energetische Sanierungen, altersgerechte Umbauten sowie den Neubau ausgeben. Buch sprach von einem "Neuanfang" in der Diskussion um hohe Mieten und knappen Wohnraum.

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Der Mann aus Ostwestfalen engagiert sich in gleich mehreren Verbänden der Wohnungswirtschaft. Voriges Jahr etwa lud Vonovia Politiker und Wissenschaftler zu einer Fachkonferenz zum "klimaneutralen Wohnen" der Zukunft. Buch weiß, dass Kritiker Immobilienkonzernen die Schuld an der Wohnungsmisere in Städten geben: Großvermieter kaufen Bestände auf, investieren kräftig in Modernisierungen, um Mieten entsprechend kräftig zu erhöhen. In Berlin hat ein Volksbegehren mit dem Titel "Deutsche Wohnen & Co enteignen" nach eigenen Angaben schon gut 100 000 Unterschriften gesammelt. Buch will das Image der Branche ändern. Als vor wenigen Wochen der Mietendeckel in Berlin scheiterte, versprach er öffentlichkeitswirksam, seinen Mietern keine nun möglichen Nachforderungen abzuverlangen.

Vonovia-Chef Rolf Buch hat seine Karriere einst im Bertelsmann-Konzern begonnen. (Foto: Marcel Kusch/Picture Alliance/dpa)

Wie politisch Buch denkt, zeigt sich nun auch bei seinem bislang größten Vorhaben. Geschickt bietet er dem Land Berlin 20 000 der knapp 157 000 Einheiten des fusionierten Konzerns in der Bundeshauptstadt zum Kauf an. Mieterhöhungen in Berlin will Vonovia in den nächsten fünf Jahren - mehr oder weniger freiwillig - deckeln. Man wolle den Markt so gestalten, "dass die Menschen auch wieder zufrieden sind", wirbt Buch für seinen Plan.

Fachleute bewerten das Vorhaben ambivalent. "Je größer ein Unternehmen, desto mehr Vorteile lassen sich im Einkauf erzielen", sagt Michael Voigtländer, Immobilienexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft. "Außerdem wird die Bewirtschaftung der Immobilien deutlich einfacher." Vor allem aber könnten große Konzerne politische Eingriffe tendenziell besser bewältigen, als kleine Unternehmen oder private Wohnungseigentümer, so Voigtländer. Die Unwägbarkeiten für Immobilienkonzerne hätten in den vergangenen Jahren nun mal zugenommen.

Die Geschichte beginnt 2001 mit dem Verkauf Zehntausender Eisenbahnerwohnungen

Dass Vonovia überhaupt ein so großer Vermieter wurde, liegt durchaus auch an Buch. Als er 2013 anfing, bewirtschaftete die Vorgängerfirma etwa 210 000 Wohnungen. Kommt der Zusammenschluss wie geplant, werden es mehr als eine halbe Million in Deutschland, Schweden und Österreich sein.

Die Geschichte der heutigen Vonovia begann vor 20 Jahren, als der Bund Zehntausende Eisenbahnerwohnungen privatisierte. Einen Großteil erwarb die Firma Deutsche Annington, die damals dem britischen Finanzinvestor Terra Firma gehörte. Im Laufe der Jahre kaufte das Unternehmen mehr und mehr Siedlungen in Deutschland; die meisten ehemalige Werkswohnungen. Von 2013 an zog sich Terra Firma zurück und brachte Deutsche Annington an die Börse - da war Buch gerade an Bord gekommen. Nach der Fusion mit dem Großvermieter Gagfah benannte sich der Konzern 2015 in Vonovia um - und stieg in den Dax auf.

Erst am Wochenende gab es in Berlin wieder Proteste gegen steigende Mieten. (Foto: John Macdougall/AFP)

Deutsche Wohnen entstand 1998 als Tochter der Deutschen Bank und besaß zunächst Mietshäuser in Hessen und Rheinland-Pfalz. Von 2007 an kaufte Deutsche Wohnen Zehntausende Wohnungen in Berlin, zunächst durch die Übernahme der Gehag, einem einst gemeinnützigen Vermieter, der um die Jahrtausendwende privatisiert wurde, dann 2013 die der GSW, einer ehemals landeseigenen Wohnungsgesellschaft. So stieg der Konzern zum größten privaten Vermieter in der Bundeshauptstadt auf. Seit vorigem Jahr ist Deutsche Wohnen ebenfalls im Dax notiert.

Buch hatte schon vor fünf Jahren versucht, den Konkurrenten aus Berlin zu übernehmen. Doch die Offerte scheiterte damals am Widerstand von Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn. Mittlerweile hätten sich beide Unternehmen "deutlich strategisch aufeinander zu bewegt", behauptet Zahn, der nach der Übernahme Buchs Stellvertreter werden soll: "Die Kultur ist nicht feindlich, sondern partnerschaftlich".

Widerstand der Kartellbehörden ist kaum zu erwarten, da der Marktanteil beider Konzerne selbst in Städten wie Berlin gering ist. Ein Sprecher des Bundeskartellamts teilte mit, es liege "aktuell keine Fusionsanmeldung" vor. Ein Ärgernis sehen Kritiker darin, dass Vonovia für die geplante Milliardenübernahme voraussichtlich keine Grunderwerbsteuer wird zahlen müssen. Denn der Konzern will keine einzelnen Immobilien von Deutsche Wohnen kaufen, sondern sich über die Börse mehrheitlich an dem Bestandshalter beteiligen. Für derlei Transaktionen wird auch nach einer kürzlich verabschiedeten Reform keine Grunderwerbsteuer fällig. Dies sei ein "skandalöses Millionen-Steuerschlupfloch", monierte Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Grünen.

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