Krise am Bau:So kaputt ist der Wohnungsmarkt

Krise am Bau: Weit entfernt vom Deutschland-Tempo: Bau neuer Wohnungen bei München

Weit entfernt vom Deutschland-Tempo: Bau neuer Wohnungen bei München

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Eine Niederlage in Zahlen: Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland etwa 295 000 Wohnungen fertiggestellt, sagt das Statistische Bundesamt. Viel weniger, als die Politik versprochen hat. Und viel zu wenige, um die Wohnungsnot zu lindern.

Von Angelika Slavik, Berlin

Im vergangenen Jahr wurden in ganz Deutschland 295 300 neue Wohnungen fertiggestellt, so hat es das Statistische Bundesamt am Dienstagmorgen bekannt gegeben. Der Bedarf wäre viel größer: In Deutschland mangelt es an Wohnraum, vor allem in den größeren Städten übersteigt die Nachfrage das Angebot um ein Vielfaches. Gleichzeitig gehen die Mietpreis vielerorts noch immer steil nach oben - der deutsche Wohnungsmarkt ist strukturell kaputt.

Den Neubau anzukurbeln, war deshalb das erklärte Ziel der Ampelregierung, ursprünglich hatte Bundesbauministerin Klara Geywitz jedes Jahr 400 000 neue Wohnungen versprochen. Dass das auf absehbare Zeit allerdings doch nicht klappen würde, hatte sie bereits vor Monaten eingeräumt. Jetzt lieferte das Statistische Bundesamt den Beweis. Um gerade einmal 0,6 Prozent ist die Zahl der Neubauten 2022 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Bloß: Warum kommt der Neubau in Deutschland nicht in die Gänge?

Ein wichtiger Faktor: Bauen in Deutschland ist verdammt teuer geworden. Das liegt zum einen an gestiegenen Materialkosten. Vor allem am Beginn der Corona-Krise, als die Lieferketten weltweit nicht mehr funktionierten wie gewohnt, wurden einige Baumaterialien knapp, das trieb die Preise nach oben, dazu kommen allgemeine Preissteigerungen durch die Inflation und höhere Zinsen. Als Kostentreiber gibt die Branche aber auch die immer strengeren Auflagen für Umweltschutz und Energieeffizienz an: Nachhaltiges und klimafreundliches Bauen ist teuer. Anfang des Jahres rechnete ein Bündnis aus verschiedenen Verbänden der Immobilienwirtschaft vor, dass der Neubau einer Mietwohnung inklusive Grundstück mittlerweile fast 4900 Euro pro Quadratmeter koste. Frei finanziertes Bauen wird damit unattraktiv - denn die Mieten, die man verlangen müsste, damit sich ein solches Investment rechnet, kann kaum jemand aufbringen. Der Wohnungsmangel entsteht deshalb besonders in den Preissegmenten, die auch Menschen mit durchschnittlichem oder geringem Einkommen bezahlen können. Das verschärft die soziale Problematik zusätzlich, zumal der soziale Wohnungsbau über Jahre vernachlässigt worden ist.

Dazu kommt, dass die Struktur der öffentlichen Förderungen mindestens umstritten ist. Beim Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW sprach man kürzlich von "desaströsen Förderbedingungen", nachdem die Bundesregierung ihre Bauförderprogramme verstärkt auf Sanierungen und Renovierungen konzentriert hatte und zudem im Neubau vorrangig den höchsten Energiestandard EH40 unterstützt.

Ebenfalls als Kostentreiber genannt: die Bürokratie. In Deutschland gibt es 16 verschiedene Landesbauordnungen, die jeweils unterschiedliche Vorgaben machen - Vorschriften für Geländerhöhen oder Brandschutz sind also in Hessen mitunter ganz anders als in Baden-Württemberg. Das macht zum Beispiel serielles Bauen kompliziert, weil Investoren nicht einfach einen einmal genehmigten Gebäudetyp in ganz Deutschland realisieren können. Dazu kommen oft lange Bearbeitungszeiten bei den Baugenehmigungen. Hier erhofft sich die Bundesbauministerin Fortschritte durch die flächendeckende Einführung des digitalen Bauantrags. Ende des Jahres soll der in weiten Teilen Deutschlands verfügbar sein.

Zu diesen verschiedenen Preisfaktoren kommt der steigende Bedarf an Wohnraum. Laut einer Studie, die Anfang des Jahres veröffentlicht wurde, fehlen in Deutschland insgesamt 700 000 Wohnungen. 2022 ergebe die Bilanz der Zu- und Abwanderung ein Plus von etwa 1,5 Millionen Menschen, dabei spielt vor allem der Krieg in der Ukraine eine Rolle. Zudem gibt es innerhalb Deutschlands viel Zuzug aus ländlicheren Gebieten in die großen Städte - genau dorthin also, wo der Wohnungsmarkt vielerorts angespannt ist. Die Bundesbauministerin dachte öffentlich deshalb bereits darüber nach, wie man das Landleben attraktiver machen könnte, erntete für diesen Ansatz allerdings eine Menge Kritik.

Hoffnungen setzt die Ministerin zudem auf die Digitalisierung am Bau: Neue Technologien sollen das Bauen schneller und effizienter machen. Bislang ist allerdings wenig Besserung in Sicht, im Gegenteil. Weil Bauen aktuell wenig reizvoll sei, haben viele Investoren ihre Neubauprojekte vorläufig gestoppt. Dazu gehört zum Beispiel auch Deutschlands größter Vermieter Vonovia: Er kündigte kürzlich an, in diesem Jahr überhaupt keine Neubauprojekte starten zu wollen.

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