Süddeutsche Zeitung

Wohnung kaufen:Mal wieder ein paar Rekorde

Der Traum von den eigenen vier Wänden wird teurer. Die hohe Nachfrage kann durch Neubauten nicht gedeckt werden. Zumal Experten uneins sind, welche Wohnungen überhaupt gebraucht werden.

Von Janis Beenen

Wer im Jahr 2006 in Berlin Wohneigentum gekauft hat, zahlte im Schnitt gut 96 000 Euro. Zehn Jahre später waren es über 250 000 Euro. Eine Preissteigerung von 160 Prozent. Ähnliche Trends sind in fast allen Großstädten Deutschlands zu beobachten. Und viele Städte sind noch teurer als Berlin: Trotz des riesigen Umsatzwachstums liegt der Durchschnittspreis der Hauptstadt deutschlandweit nur auf Platz 12.

Einziger Ausreißer: In München sank der Umsatz je Immobilie im Vergleich zum Jahr 2015. Dennoch war er auch im Jahr 2016 deutschlandweit am höchsten, mit einem Preis von 422 176 Euro. "Ob in München eine dauerhafte Obergrenze erreicht ist, kann kaum prognostiziert werden", sagt Jacopo Mingazzini, Vorstand des Wohnungsunternehmens Accentro, von dem die Auswertung stammt.

Das Berliner Unternehmen veröffentlicht jedes Jahr einen Report mit Verkaufszahlen und Preisen von Eigentumswohnungen. Neben Berlin und München analysiert Accentro 80 weitere Großstädte in Deutschland. Basis sind die Daten sogenannter Gutachterausschüsse, die aus unabhängigen Experten bestehen. Damit spiegelt der Bericht die tatsächlichen Käufe und die reale Situation an den örtlichen Märkten wieder. Die meisten anderen Analysen basieren dagegen auf Einschätzungen kommerzieller Experten oder den Angebotsdaten von Internetportalen.

Auch im Jahr 2016 bleibt die Gesamtzahl der verkauften Wohnungen bei circa 135 000 konstant. Der Gesamtumsatz hat hingegen wieder Rekordniveau erreicht. 30,87 Milliarden Euro brachten die Verkäufe, sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Aus Mingazzinis Sicht ein Signal, dass die Nachfrage weiterhin höher ist als das Angebot. "Wenn die Zinsen weiter niedrig bleiben und der Zuzug in Großstädte bleibt, wird sich die Situation nicht grundlegend ändern", sagt Mingazzini.

Das Problem ist das gleiche wie seit Jahren: Die Zahl der Neubauten kann die erhöhte Nachfrage nicht decken. Dabei wurden im Jahr 2016 knapp 15 Prozent mehr Neubau-Eigentumswohnungen verkauft als im Vorjahr. Aber dieser Trend scheint sich umzudrehen: Die Zahl der Baugenehmigungen war im Jahr 2017 bisher sogar rückläufig. Mingazzini vermutet, dass das die Angebotsknappheit weiter verschärfen und Preise erhöhen dürfte.

Zuletzt hatte es unter anderem vom Institut der Deutschen Wirtschaft Kritik am Bauboom in den Großstädten gegeben. Die Vielzahl an Mikroapartments, etwa 25 Quadratmeter große Single-Wohnungen, entsprächen nicht dem Bedarf. Wohnungen mit zwei bis drei Zimmern würden benötigt. Mingazzini widerspricht, zumindest derzeit seien die meisten Interessenten schließlich Singles.

Auch der Immobilienverband Deutschland hat die Daten der Gutachterausschüsse interpretiert. Der Verband hat sich insbesondere mit Zinshäusern, also vermieteten Mehrfamilienhäusern, beschäftigt und konnte zeigen: In diesem Segment ist die Lage eine ähnliche wie bei den Eigentumswohnungen. Ein hoher Bedarf, hohe Preise und ein begrenztes Angebot bestimmen die Marktsituation. Die Zahl der Transaktionen, bei denen vermietete Mehrfamilienhäuser den Eigentümer gewechselt haben, ist im Jahr 2016 ebenfalls konstant geblieben. Der Gesamtumsatz hat mit 15,9 Milliarden Euro Rekordniveau erreicht. "Die Zahlen belegen einerseits die herrschende Angebotsknappheit, andererseits aber auch, dass Zinshäuser weiter eine attraktive Kapitalanlage darstellen", interpretiert Jürgen Michael Schick, Präsident des Immobilienverbandes.

Vom Immobilienboom profitieren zunehmend auch kleinere und mittlere Großstädte. Zwar machen Berlin, Hamburg und München noch fast die Hälfte des Umsatzes aus. Aber sie bekommen Konkurrenz - beispielsweise verzeichnen Münster und Lübeck ein Umsatzplus von weit über 50 Prozent. "Sie gewinnen durch ihre stabilen wirtschaftlichen Verhältnisse und attraktiven Lebensbedingungen bei Investoren an Bedeutung. ", sagt Schick.

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Quelle:
SZ vom 14.09.2017
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