Smart Home:Wenn die Drohne putzt

Smart Home: Neben Staubsaugrobotern wie diesem gibt es mittlerweile auch Drohnen, die Fenster wieder zum Strahlen bringen.

Neben Staubsaugrobotern wie diesem gibt es mittlerweile auch Drohnen, die Fenster wieder zum Strahlen bringen.

(Foto: Rupert Trischberg/PantherMedia)

Sensoren, Roboter, Algorithmen: Schon jetzt nutzen immer mehr Menschen Smart-Home-Technologien. Wo führt das alles noch hin?

Von Oliver Herwig

Das Zuhause der Zukunft weiß erschreckend viel über seine Bewohnerinnen und Bewohner. Vermutlich fast alles: wie warm das Bad sein soll, mit welcher Melodie man geweckt werden will, wenn es tags zuvor spät wurde, ob man Brötchen zum Frühstück wünscht, welche Nachrichten und Mails wichtig sind, und ob Hemden und Blusen zur Reinigung geschickt werden müssen.

Irgendwann verschwinden bestimmt auch die Retina- und Fingerabruckscanner, zusammen mit Haustürschlüsseln aus Metall. Im Jahr 2035 erkennt das intelligente Heim seine Besitzerinnen und Besitzer sicher auch so. Vielleicht reicht ja ein Mix aus Stimmerkennung und Gangprofil zur Identifikation.

So könnte sie aussehen, die smarte neue Welt. Geruchs- und Gewichtssensoren erkennen dann vielleicht nicht nur, wer gerade vor einem den Fahrstuhl genutzt hat oder wie die Gäste drauf sind. Mitunter kontrollieren sie auch, wie viel man gegessen oder ob man heimlich ein Bierchen getrunken hat. Und diese Infos gehen dann gleich noch an die Krankenkasse weiter.

Ganz oben auf der elektronischen Hitliste: intelligente Beleuchtung

Vielleicht werden 2035 selbst Sprachbefehle wieder überflüssig, weil das Haus Wünsche erkennt, bevor man sie äußern kann. Es hat einen schließlich jahrelang studiert. Die surrenden Haushaltsroboter der zweiten und dritten Generation sind wahrscheinlich auch schon wieder verschwunden, das Putzen erledigen nun Schwärme winziger Drohnen.

Die Folge: Das Zuhause ist aufgeräumt, und zwar immer. Raumhohe Screens können Wände, Bilder und Fenster ersetzen. Plötzlich haben selbst Wuppertaler oder Wiesbadener Wohnungen freien Blick aufs Mittelmeer oder die Alpen. Passend riecht es nach Seetang oder Bergwiesen.

Willkommen in der Zukunft, die ja vielleicht auch ganz anders aussehen wird. Eines aber steht fest: Sensoren, Algorithmen und vernetzte Heimelektronik breiten sich aus. Der Siegeszug erinnert stark an den der Smartphones, die in weniger als zehn Jahren die gesamte Kommunikation und damit auch das Leben vieler Menschen radikal veränderten.

Die Umsätze steigen Jahr für Jahr. Allein 2020 gaben laut GfK sieben europäische Länder (Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande und Spanien) rund 28 Milliarden Dollar für Smart-Home-Produkte aus, ein Viertel mehr als noch im Vorjahr. Die Nutzerinnen und Nutzer hierzulande versprechen sich davon vor allem "mehr Komfort und Lebensqualität" (72 Prozent), "mehr Sicherheit" (65 Prozent) und mehr Energieeffizienz (52 Prozent), so eine Studie des Branchendienstes Bitkom. Ganz oben auf der elektronischen Hitliste: intelligente Beleuchtung, noch vor Alarmanlagen, Videoüberwachung, Heizung, Steckdosen und Verbrauchszählern.

Mit zunehmender Vernetzung wächst bei einigen aber auch die Sorge über die Schattenseiten. Big Brother is watching you. Die wenigsten aber lassen sich von solchen Dystopien wirklich abschrecken. Was bleibt ihnen auch übrig? Viele Geräte gibt es nur noch in smart zu kaufen.

Dimmbares Licht und Telefon mit Tasten - das waren auch mal Revolutionen

Im Grunde ist das automatisierte Wohnen ein alter Hut. Es löst Träume ein, wie sie in den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts aufkamen, als elektrische Geräte den Haushalt revolutionierten. Das "Monsanto House of the Future" von 1957 war eine Attraktion von Disneyland. Es verfügte bereits über dimmbares Licht, Geschirrspüler mit Hochfrequenztechnik, Kühlzonen in Griffhöhe, eine ausfahrbare Mikrowelle, zentrale Klimasteuerung (mit wenigen Knöpfen) sowie ein Telefon mit Tasten (statt damaliger Wählscheibe) samt Freisprechanlage. Das Haus von Morgen versprach "utmost convenience and efficiency", also höchsten Komfort und Effizienz und ähnelte damit den digitalen Versprechen von heute.

Bequemlichkeit ist der Türöffner zur neuen, elektronisch vernetzten Welt. Smart Home kann eine alternde Gesellschaft unterstützen, wenn es soziale Funktionen erfüllt und als Schutzengel auftritt. Ein textiler Bodenbelag mit Sensorfunktionen "zur Überwachung von Vibration, Druck und Temperatur", wie er 2004 von Infineon und Vorwerk vorgestellt wurde, schlägt nach einem Sturz automatisch Alarm und holt Hilfe.

Bereits 2002 entwickelte der damalige Pentagram-Designer David Tonge für den Telefongiganten AT&T neue Dienstleistungen: Rentner "Joe" trug beispielsweise einen Blutdruckmesser am T-Shirt, während das Essbesteck Kalorien zählte und darüber Protokoll führte, was Joe aß. "Phyllis" dagegen, Mutter von drei Kindern, trug den "Personal Shopper" an ihrer Umhängetasche. Dieser kannte nicht nur ihr Profil, sondern auch ihren Terminplan. Er erinnerte sie an Dinge, die sie für die Party am Abend "in Betracht ziehen könnte" oder einfach nur an all das, was sie "normalerweise" kaufte.

Das klang damals alles verrückt. Vermutlich gewöhnt man sich dann also auch an putzende Drohnen und sprechende Roboter.

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