Berlin (dpa/tmn) - Es ist ein alltägliches Ärgernis: Plötzlich ist die Brille weg. Oder der Schlüssel. Oder die Geldbörse. Dann sind Strategien gefragt. Doch warum passiert einem überhaupt so oft dieses Missgeschick? Das hat historische Gründe, sagen Fachleute.
Früher besaßen die Durchschnittsmenschen viel weniger Dinge. „Heute haben wir mehrere Tausend Gegenstände in unserem Haushalt, das überfordert uns einfach von der Komplexität her“, erklärt Prof. Lothar Seiwert, Experte für Lebensmanagement. „Dafür sind wir von der Natur nicht konstruiert worden.“
Dazu kommt in bestimmten Situationen noch hinzu: „Man macht gerade irgendetwas und wird dann unterbrochen“, sagt Seiwert. „Dann habe ich gerade die Brille in der Hand und der Postbote klingelt - und dann finde ich die Brille nicht mehr, weil ich sie in einem schwachen Moment abgelegt habe, in dem ich geistig mit etwas anderem beschäftigt war.“
Mangelnde Aufmerksamkeit identifiziert auch der Gedächtnis-Spezialist Ulrich Bien als das größte Problem in solchen Momenten. „Gerade wenn es um Routinen geht - meinen Schlüssel habe ich jeden Tag in der Hand - dann schaltet unsere Aufmerksamkeit ab“, erklärt er. „Nachher kommt dann die Frage: Wo liegt mein Schlüssel jetzt? Oft liegt er dann da, wo er immer liegt.“
Biens Rat: „Schließen Sie bewusst die Tür ab, legen Sie bewusst den Schlüssel ab. Das Gleiche gilt für Dinge, die man weglegt“, erklärt er. „Wenn man sich eine halbe Sekunde länger darauf konzentriert, hat man eine größere Chance, sich zu erinnern, wo beispielsweise der Schlüssel ist.“ Und lassen sich Brille, Handy oder Hausschuhe doch mal nicht mehr auffinden, sollte man keine Panik aufkommen lassen. „Dann kann unser Gehirn nicht denken“, erklärt Aufräumcoach Rita Schilke aus Berlin. „Malen Sie sich gedanklich ein Stopp-Schild und machen Sie eine kurze Pause.“
Gut ist immer auch Hilfe: „Vier Augen sehen immer mehr als zwei. In der Panik übersieht man oft etwas“, sagt Schilke. Hilfreich ist auch, „vom Ende her zu denken“, erläutert Prof. Seiwert. „Fragen Sie sich: Wenn ich es neu ablegen würde, wo würde ich es hintun?“
Es gibt aber auch Mentaltechniken: Dazu kann man die Augen schließen, entspannen und sich in einen meditativen Zustand versetzen, entspannen und vor dem geistigen Auge vorstellen, wo der verlegte Gegenstand sein könnte, erklärt Professor Seiwert. Techniken wie diese kennt man etwa aus Krimis im Fernsehen, wenn Ermittler versuchten, dem Gedächtnis der Zeugen auf die Sprünge zu helfen. Ob und wie gut diese Methode im wahren Leben funktioniert, ist auch eine Frage der Übung, sagt der Experte. „Aber die Fähigkeiten haben alle.“
Wer nicht ständig suchen möchte, kommt um eines nicht herum: Ordnung halten und darin diszipliniert sein. „Feste Orte einzuplanen, ist auch eine alte Technik aus dem Gedächtnistraining. Das haben schon die Römer verwendet“, erklärt Experte Bien. „Wenn sie sich Informationen merken wollten, dann haben sie sie mit Gegenständen in ihrer Wohnung oder Haus verbunden.“ Daraus lässt sich für uns ableiten: Zu Hause sollte man sich Strukturen aufbauen und jedem Ding einen festen Platz geben. „Die Vasen kommen immer in den Schrank im Wohnzimmer, Schlüssel kommt ans Schlüsselbrett“, erklärt Bien.
Auch Seiwert rät: „Man kann sich angewöhnen, als allererstes, wenn man nach Hause kommt, das Portemonnaie, den Schlüssel, das Brillenetui, das Handy oder den Reisepass an einer zentralen Stelle zu deponieren.“ Diese Stelle kann eine Schale oder ein Schlüsselbrett im Flur sein. „Oder auch eine Krimskrams-Schublade, in die man Dinge hineintut, von denen man noch nicht weiß, wo man sie sonst hinlegen soll.“ Diese Strukturen sollte man auch nicht durchbrechen.
„Wenn Sie den Schlüssel in den Wäschekorb werfen, werden sie den in der Regel nicht so schnell wiederfinden“, betont Gedächtnistrainer Bien. „Außer sie tun es bewusst und können sich deshalb erinnern.“