Wohnen:Mietpreise sind der Sprengstoff der Gesellschaft

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Baustelle im Berliner Hansaviertel: Die Bodenpreise in der Hauptstadt sind in den vergangenen fünf Jahren um 345 Prozent gestiegen. (Foto: picture alliance/dpa)

Das Grundproblem der Wohnungswirtschaft in Deutschland besteht in den irrwitzigen Baulandpreisen. Vier Vorschläge gegen die Wohnungsnot.

Kommentar von Heribert Prantl

Die Mietpreise sind heute das, was früher die Brotpreise waren. Eine Maurerfamilie in Berlin musste vor zweihundert Jahren mehr als 72 Prozent des Familieneinkommens für Ernährung ausgeben, davon die Hälfte für Brot. Noch vor fünfzig, sechzig Jahren gab ein deutscher Haushalt etwa die Hälfte seines Budgets für Lebensmittel aus; heute sind es zwölf Prozent. Nahrungsmittel sind unglaublich billig geworden. Die Wohnungsmiete dagegen ist zum Teil unglaublich teuer geworden. Für Miete gibt ein Durchschnittshaushalt in Deutschland etwa doppelt so viel Geld aus wie für Ernährung, oft noch sehr viel mehr. Die Miete frisst die Familieneinkommen auf. Die Mietpreise werden damit zum Sprengstoff der Gesellschaft.

Weil gut 53 Prozent der Menschen hierzulande zur Miete wohnen, ergibt sich daraus die ungeheuer große Bedeutung des Mietrechts - und des Gipfels der Bundesregierung zur Wohnungsnot. In der Wohnungspolitik und im Mietrecht muss der Gesetzgeber die im Grundgesetz vorgeschriebene Sozialbindung des Eigentums präzisieren. Zu den derzeit genutzten Instrumenten gehört die Mietpreisbremse, sie soll Mieten an eine ohnehin meist üppige Obergrenze binden. Es handelt sich um eine Notbremse - die aber am Grundproblem, am Grunddefekt der Wohnungswirtschaft in Deutschland, nichts ändert: Das Grundproblem besteht darin, dass die Baulandpreise ungeheuer hoch sind.

Die Bodenpreise in Berlin sind in den vergangenen fünf Jahren um 345 Prozent gestiegen, die Verkaufspreise für Neubauwohnungen nur um sechzig Prozent. Warum also bauen, sagen sich die Land-Banking-Spezialisten, wenn Nichtstun mehr Rendite bringt? Die Mehrheit der genehmigten Bauvorhaben wird zur Grundstückswertsteigerung missbraucht; eine Baugenehmigung ist ja nicht personenbezogen, sondern hat seine Wirkung in Bezug auf ein bestimmtes Vorhaben. Nur vierzig Prozent der Bauvorhaben werden realisiert, bei den restlichen sechzig Prozent dient die Baugenehmigung einfach der Wertsteigerung.

Das bedeutet: Bodenhaltung muss teuer werden. Eine Stadt muss anders funktionieren als Wetten auf Schweinehälften. Eine Stadt ist ein Gemeinwesen - kein Silicon Valley, keine Goldgrube, keine Immobilienblase. Wenn Flächen jahrelang brach liegen, weil Land-Banker ihr Geld im Schlaf verdienen können, dann muss eine Kommune nachhaltig etwas dagegen tun.

Vier Vorschläge gegen die Wohnungsnot

Was könnte hier Nachhaltigkeit bedeuten? Erstens: Kommunale und staatliche Grundstücke werden nur noch unter der Vereinbarung bestimmter Nutzung vergeben, unter Auflagen also - zum Beispiel der, dass innerhalb einer bestimmten Zeit auf eine ganz bestimmte Weise gebaut werden muss, ansonsten wird die Vergabe des Grundstücks rückgängig gemacht.

Zweitens: Grundstücke dürfen von der öffentlichen Hand an privat gar nicht mehr verkauft werden. Grund und Boden soll, aus Verantwortung für die nachfolgenden Generationen, an private Bauherren nur noch per Erbbaurecht vergeben werden.

Drittens: Die Republik braucht eine große Renaissance des sozialen Wohnungsbaus.

Viertens: Die Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Kapital- und Arbeitsaufwand entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen. Solche Bodenwertsteuern sind nicht die Vorstufe des Kommunismus, sondern die Verwirklichung des Sozialstaats. Ohne solche grundlegenden Schritte ändert sich nichts. Heimat beginnt mit Heim.

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