Wohnen:Mieter könnten von einem neuen Mietspiegel stark profitieren

Mietwohnung

Eine Wohnungsbesichtigung in Hamburg: In vielen angespannten Märkten dürfen Eigentümer die Miete nicht über das ortsübliche Niveau hinaus erhöhen.

(Foto: Axel Heimken/dpa)
  • Die ortsübliche Miete würde in fast allen Großstädten deutlich sinken, lägen den Mietspiegeln Verträge der vergangenen zehn Jahre statt der letzten vier Jahre zugrunde.
  • Zu diesem Ergebnis kommt der Immobilienverband Deutschland (IVD). Justizminister Heiko Maas hatte eine entsprechende Reform vorgeschlagen.

Von Benedikt Müller

Auf dem Münchner Wohnungsmarkt läuft gerade eine wichtige Umfrage: Die Stadt lässt bei bis zu 30 000 Haushalten erheben, ob sich deren Mietverträge in den vergangenen vier Jahren verändert haben. Wenn ja, haken die Marktforscher nach: Wo und wie groß ist die Wohnung? Hat sie eine Terrasse, eine Fußbodenheizung, andere Extras? Und natürlich: Wie hoch ist die Miete? Alle zwei Jahre erfassen Städte wie München diese Daten als Basis für den Mietspiegel. Der zeigt dann, welche Miete für eine bestimmte Lage und Ausstattung "ortsüblich" ist. Sowohl für Mieter als auch für Eigentümer ist das ein wichtiger Richtwert.

Der Immobilienverband Deutschland (IVD) hat nun untersucht, wie sich die ortsübliche Miete in Großstädten verändern würde, lägen den Mietspiegeln stets Verträge der vergangenen zehn Jahre statt nur der letzten vier Jahre zugrunde. Genau diese Reform hatte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) nämlich Ende November vorgeschlagen. "Wir wollen auf eine bessere und realitätsnahe Ausgestaltung von Mietspiegeln hinwirken", heißt es im Grundlinienpapier des Ministeriums. Doch Maas' Anregung stößt sowohl beim Koalitionspartner Union als auch in der Wohnungswirtschaft auf Widerstand.

In gefragten Wohnungsmärkten ist die ortsübliche Miete zum entscheidenden Richtwert geworden. Denn wo die Mietpreisbremse gilt, darf die Miete bei neuen Verträgen höchstens zehn Prozent darüber liegen - es sei denn, eine Ausnahmeregel greift. Auch in einem bestehenden Mietverhältnis darf der Eigentümer die Miete nicht über das ortsübliche Niveau hinaus erhöhen. Maas' Reform würde also den rechtlichen Spielraum für Mieterhöhungen einschränken.

Und laut der IVD-Studie würde die ortsübliche Miete in fast allen Großstädten deutlich sinken, wenn die Pläne des Justizministers sofort umgesetzt würden. Denn dann würden Mietspiegel nicht nur die teuren Neuverträge und Mieterhöhungen der letzten vier Jahre heranziehen - sondern auch die sechs Jahre davor, in denen die Mieten in den meisten Großstädten niedriger waren. Für eine Bestandswohnung mittlerer Klasse wäre dann in München beispielsweise eine Kaltmiete von 10,58 Euro pro Quadratmeter ortsüblich - statt 11,93 Euro gemäß der bisherigen Rechenart. Ein Unterschied von elf Prozent (siehe Grafik). Am stärksten würde das Mietspiegel-Niveau demnach mit 18 Prozent in Hannover sinken. In den größten deutschen Städten wäre nur in Duisburg die ortsübliche Miete nach der Änderung höher als zuvor. Der IVD-Studie liegen die Vertragsabschlüsse mehrerer Tausend Immobilienmakler bundesweit zugrunde.

Wohnen: SZ-Grafik; Quelle: IVD

SZ-Grafik; Quelle: IVD

Kaum verwunderlich also, dass Mietervertreter Maas' Pläne befürworten. "Die Ausweitung des Bezugszeitraums auf zehn Jahre entspricht einer Forderung des Mieterbundes", sagt dessen Bundesdirektor Lukas Siebenkotten. "Wir erwarten, dass dadurch die Dynamik bei Preissteigerungen in bestehenden Mietverhältnissen eingegrenzt wird."

Steigende Mieten in den Städten könne man nur mit Neubau bekämpfen, sagt die Union

Immobilienverbände kritisieren dagegen, der Justizminister wolle die Mietspiegel-Niveaus in den Städten künstlich senken. "Die Bundesregierung würde die ortsübliche Vergleichsmiete durch die Hintertür manipulieren", sagt IVD-Präsident Jürgen Michael Schick. Wenn die Mietspiegel-Niveaus deutlich sinken, würden die vermieteten Immobilien an Wert verlieren, warnt Schick. "Die Pläne des Justizministers sind ein Masterplan zur Abschreckung privater Investoren und Vermieter."

Auch der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen befürchtet, durch das "Herumdoktern am Mietspiegel" würden die ortsüblichen Mieten vielerorts auf der aktuellen Höhe eingefroren. Dies könnte Vermieter davon abhalten, in die Wohnungen zu investieren. "Mietspiegel dürfen kein Instrument zur Mietdämpfung sein, sondern müssen die Marktmieten objektiv abbilden", fordert Verbandspräsident Axel Gedaschko.

Das Justizministerium arbeitet zurzeit an einem Referentenentwurf, um die Grundlinien möglichst schnell in ein Gesetz zu gießen. Zeitgleich zur Reform der Mietspiegel will Heiko Maas auch die Möglichkeiten für Mieterhöhungen nach einer Modernisierung einschränken. Sobald der Entwurf vorliegt, werde man Länder und Verbände um Stellungnahme bitten, heißt es im Ministerium. Bis dahin bleibe man bei der Ansicht, Mietspiegel könnten die Realität auf den Wohnungsmärkten besser abbilden, wenn sie einen längeren Zeitraum berücksichtigen. "Insbesondere ältere Neuvertragsmieten können durch die Verbreiterung des Bezugszeitraums besser abgebildet und gewichtet werden", heißt es im Grundlinienpapier.

Doch die Union lehnt die Reform ab. "Die bestehende Zeitspanne von derzeit vier Jahren hat sich bewährt", sagt CDU-Mietrechtsexperte Jan-Marco Luczak. Beispielsweise wäre es unrealistisch, wenn sich die Miete einer frisch sanierten Wohnung an einem Mietspiegel orientieren würde, in den Miethöhen von vor zehn Jahren einfließen, sagt der Unionspolitiker. "Ein solcher Mietspiegel hätte nichts mit einer Übersicht über marktübliche Mieten zu tun." Stattdessen solle man das Problem an der Wurzel packen: "Nur mit mehr Wohnungsneubau können wir die Ursachen steigender Mieten langfristig bekämpfen", sagt Luczak.

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