Miete:Wo Wohnraum zum Luxusgut geworden ist

Fotos aus dem 16. Stock vom SZ-Hochhaus geschossen

Blick aus dem Redaktions-Hochhaus der SZ auf den Südosten von München.

(Foto: Florian Peljak)
  • Die Mieten steigen weiter: Vor allem für Familien und Alleinerziehende haben sich die Chancen verschlechtert, eine bezahlbare Wohnung zu finden.
  • Das vergrößert die Ungleichheit in der Gesellschaft und bewirkt, dass sich immer mehr Familien trotz Platzmangels einen Umzug nicht mehr leisten können.

Von Thomas Öchsner

Das Wohnen in Deutschlands Großstädten ist auch im vergangenen Jahr wieder teurer geworden. Die Mietpreise in München, Hamburg, Stuttgart, Berlin, Frankfurt, Köln und Düsseldorf stiegen 2018 im Durchschnitt um 4,2 Prozent. Damit ist das Plus nicht mehr so stark wie in den Vorjahren - doch für viele Haushalte ist das Wohnen in den gefragten Städten unbezahlbar geworden.

Nur, was heißt das überhaupt? Wo überall hat sich die Lage verschlimmert? Und wo können sich Durchschnittsverdiener Mieten noch gut leisten? Das unabhängige Empirica-Institut hat dies in der Studie "Wachsende Ungleichheit durch Wohnraum in Deutschland" analysiert. Die wichtigsten Ergebnisse: Vor allem für Familien mit Kindern und für Alleinerziehende haben sich seit 2012 die Chancen verschlechtert, sich eine Mietwohnung leisten zu können. Von den 90 Prozent der Haushalte, die keine staatliche Hilfe wie Wohngeld erhalten und ihren Wohnraum ausschließlich mit dem eigenen Einkommen finanzieren, habe ein erheblicher Teil "prekäre Mietbelastungen zu tragen. Sie benötigten eigentlich ebenfalls eine staatliche Unterstützung", heißt es in der Studie von Timo Heyn und Marco Schmandt.

Bei der Frage, wann eine Miete als noch bezahlbar gilt, orientieren sich Experten an der 30-Prozent-Marke: Wird ein größerer Anteil des verfügbaren Einkommens fürs Wohnen ausgegeben, gilt dies besonders für Menschen mit niedrigem Einkommen als problematisch, weil dann für Essen, Kleidung oder Freizeit zu wenig übrig bleibt. Diese 30 Prozent waren auch für die Forscher des Berliner Instituts die Messlatte, gleichzeitig haben sie die regional unterschiedlichen Einkommen der privaten Haushalte herangezogen und mit den angebotenen Neumieten verglichen. Dabei zeigte sich: Es gibt innerhalb Deutschlands ein großes Stadt-Land-Gefälle.

Demnach kann sich in München "ein Haushalt mit einem im lokalen Maßstab durchschnittlichen Einkommen lediglich noch 14 Prozent der angebotenen Mietwohnungen leisten. Im Kontrast dazu kann sich ein Haushalt mit einem ebenfalls im lokalen Maßstab durchschnittlichen Einkommen im ländlichen Ostdeutschland bis zu über 90 Prozent der angebotenen Mietwohnungen leisten", schreiben die Empirica-Forscher.

Aber nicht nur in München, Stuttgart, Köln, Darmstadt oder Starnberg ist bezahlbarer Wohnraum besonders knapp. Laut der Untersuchung gilt dies auch für die Landkreise Lindau am Bodensee, Miesbach und Bad-Tölz-Wolfratshausen. "In gut der Hälfte der Kreise spannt sich der Wohnungsmarkt weiter an, die Verfügbarkeit von Mietwohnungen nimmt ab. Gleichzeitig steigt die Verfügbarkeit in der anderen Hälfte der Kreise", heißt es in der Studie. Deutlich schlechter geworden ist es nach Angaben von Empirica in Kempten, in den Landkreisen Unterallgäu, Ostallgäu, Dachau und Kelheim, aber auch in Osnabrück, Nürnberg und Augsburg.

Dass weniger bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung steht, hat mehrere negative Folgen: Es wird weniger umgezogen, auch wenn die bestehende Bleibe nicht mehr richtig passt. Familien müssen dann auf zu engem Raum wohnen oder Haushalte mit älteren Bewohnern in ihrer Wohnung bleiben, obwohl sie gern in ein barrierefreieres Domizil, etwa mit Aufzug, umziehen möchten. Auch werde durch hohe Mietkosten die Ungleichheit in der Gesellschaft vergrößert, kritisieren die Forscher.

Sie sprechen sich dafür aus, die Höhe des Wohngelds stärker an den Mietpreisen in den jeweiligen Regionen zu orientieren und die Hilfe schneller zu erhöhen als bisher. "Die Wohngeldleistungen müssen der wachsenden Marktspreizung besser gerecht werden", fordern die Immobilienexperten.

In einigen Großstädten der Welt ist es noch teurer als in München

Außerhalb Deutschlands ist es aber in einigen Städten der Welt noch viel schwieriger, sich von seinem Einkommen eine Wohnung zu leisten, wenn man nicht gerade zu den Top-Verdienern zählt. Das zeigt eine Untersuchung des Wohnungsportals Nestpick. Dabei wurde in mehr als 700 Stadtteile in 50 Städten weltweit ermittelt, was für ein Gehalt nötig ist, um eine 50 Quadratmeter große Single-Wohnung beziehungsweise eine gut 100 Quadratmeter große Wohnung für eine Familie mieten zu können. Die 30-Prozent-Marke wird dabei teilweise dramatisch überschritten. Unbezahlbar für Durchschnittsverdiener sind Wohnungen etwa in der City of London, in Singapur oder in Seoul.

Verglichen damit ist München trotz seiner Stellung als Deutschlands teuerster Immobilien-Standort noch vergleichsweise günstig. Hier liegen die Preise für Neumieten nach den Berechnungen von Nestpick etwa für eine Wohnung im Bezirk Altstadt/Lehel bei knapp 31 Euro pro Quadratmeter oder um die 1500 Euro für ein 50-Quadratmeter-Appartement. Ein Single müsste demnach schon 5000 Euro verdienen, um sich so eine Wohnung bequem leisten zu können.

Für Münchner Durchschnittsverdiener kommt das erst gar nicht infrage: Diese müssten laut Nestpick schon 65 Prozent des verfügbaren Einkommens dafür ausgeben. Viel zum Leben bleibt dann nicht mehr übrig.

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