Wohnen:Acht Euro und Deckel drauf? Mietrevolution in Berlin geplant

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Mietwohnungen in Berlin sollen nicht mehr als acht Euro pro Quadratmeter kosten. Foto: Wolfgang Kumm (Foto: dpa)

Berlin (dpa) - Am mondänen Kudamm oder im schicken Grunewald fast für dieselbe Miete wohnen wie im Plattenbau in Marzahn? Geht es nach Berlins Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke), wird das in der Hauptstadt bald Realität.

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Berlin (dpa) - Am mondänen Kudamm oder im schicken Grunewald fast für dieselbe Miete wohnen wie im Plattenbau in Marzahn? Geht es nach Berlins Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke), wird das in der Hauptstadt bald Realität.

Ihre Eckpunkte für einen Mietendeckel wurden am Sonntag öffentlich - und lösten in Berlin und darüber hinaus großen Wirbel aus. Denn der Plan sieht eine Obergrenze von maximal knapp acht Euro je Quadratmeter für nahezu alle Mietverhältnisse vor, und zwar unabhängig von der Lage der Wohnung.

Vor dem Hintergrund eines immer angespannteren Wohnungsmarktes hatte sich der rot-rot-grüne Berliner Senat schon Mitte Juni grundsätzlich darauf verständigt, die zuletzt vielfach stark gestiegenen Mieten für fünf Jahre auf dem jetzigen Stand einzufrieren.

Die Mieter von 1,6 Millionen Wohnungen brauchten eine "Atempause", hieß es zu dem bundesweit einmaligen Vorstoß. Sorgte schon diese Ankündigung für Aufregung in Deutschland und einen Kursrutsch bei Wohnungskonzernen an der Börse, könnten die Debatten jetzt noch heftiger werden.

Zum einen sieht die Vorschlagsliste der zuständigen Senatorin Lompscher für einen Gesetzentwurf vor, alle Mieten auf dem Niveau am Stichtag 18. Juni 2019 zu deckeln, auch bei Neuvermietungen. Ausgenommen sein sollen lediglich Neubauten, die ab 1. Januar 2014 bezugsfertig waren, und öffentlich geförderter Wohnungsbau.

Gleichzeitig werden in dem zunächst von "Tagesspiegel" und "Berliner Morgenpost" veröffentlichten Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, Obergrenzen für die Kaltmiete festgelegt: Sie darf demnach je nach Alter und Ausstattung einer Wohnung maximal 3,42 bis 7,97 Euro je Quadratmeter betragen.

Während zum Beispiel für eine Plattenbauwohnung aus DDR-Zeiten maximal 5,64 Euro veranschlagt werden, sind es für einen vor 1918 errichteten Gründerzeitbau wie etwa am Kudamm 6,03 Euro. Die Maximalmiete von 7,97 Euro soll in Wohnhäusern gelten, die zwischen 1991 und 2013 gebaut wurden. Zudem sollen Aufschläge von bis zu 20 Prozent möglich sein, wenn es innerhalb der letzten acht Jahre Modernisierungen gab.

Wesentlicher Punkt dabei: Mieten, die über diesen Obergrenzen liegen, sollen die Bewohner über Anträge bei den Bezirksämtern absenken und zu viel gezahlte Beträge ab Antragstellung zurückfordern können.

Die Wohnungswirtschaft zeigt sich entsetzt. Die IHK nennt die Vorschläge unverhältnismäßig: "Wirtschaftlich wäre es für Berlin eine Katastrophe". Aus Sicht von Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, würde ein so gestalteter Mietendeckel "völlig über das Ziel hinaus schießen und damit vor allem diejenigen treffen, die dauerhaft und verantwortlich in den Wohnungsmarkt investieren".

Schon länger warnen Verbände, Genossenschaften oder Kleinvermieter davor, dass ein Mietendeckel zum Stillstand bei Investitionen und Modernisierungen führe. Jetzt könnte es für sie noch dicker kommen: Denn die nun angesetzten Obergrenzen sind niedriger als von vielen erwartet. Selbst der Mieterverein erachtet bei seinem Modell für einen Mietendeckel höhere Summen bis zu knapp 10 Euro plus Modernisierungsaufschläge als realistisch.

Kämen die Pläne der Senatorin durch, dürften ein großer Anteil der in den letzten Jahren geschlossenen Mietverträge zur Disposition und die Bezirksämter vor einem beispiellosen Ansturm von Mietern stehen, die Zahlungen an ihren Vermieter reduzieren wollen.

Zwar liegt die durchschnittliche Nettokaltmiete in Berlin laut Mietspiegel mit 6,72 Euro weiter unter 7 Euro pro Quadratmeter und damit niedriger als in anderen deutschen Metropolen wie München oder Hamburg. Aber in vielen Stadtteilen sind inzwischen Angebotsmieten von 16 oder 18 Euro kalt verbreitet.

Vor diesem Hintergrund versucht Rot-Rot-Grün schon länger, den Mietenanstieg zu bremsen, etwa durch Neubau oder Wohnungsankäufe. Linke und Grüne unterstützen zudem ein von Mieterinitiativen angestrengtes, bundesweit bislang einmaliges Volksbegehren zur Enteignung von Wohnungsunternehmen mit mehr als 3000 Einheiten.

Und nun der Mietendeckel. Ob das Gesetz, das ab 2020 gelten soll, tatsächlich so kommt wie jetzt vorgeschlagen, ist indes offen. Nicht nur die Opposition, die von "Mietenknebel" (CDU) oder "Enteignung" (FDP) spricht, schüttelt mit dem Kopf. Die Koalitionspartner der Linken - SPD und Grüne - betonen, noch sei nichts in Stein gemeißelt.

"Wir brauchen keine Schnellschüsse, sondern einen rechtlich überprüften Gesetzentwurf, der auch vor Gerichten Bestand haben muss", sagt die wohnungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Iris Spranger. "Wir dürfen die Stadt jetzt nicht verrückt machen."

Grünen-Wohnungsexpertin Katrin Schmidberger betont, die Verhältnismäßigkeit müsse gewahrt bleiben. Zwischen Eingriffen in Eigentumsrechte, einem rechtssicheren Mietendeckel und dem Ziel, Mieter zu entlasten, sei es ein "schmaler Grat".

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