Süddeutsche Zeitung

Wohnen - Berlin:Mietendeckel vor Verfassungsgericht: Kritiker applaudieren

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Berlin/Karlsruhe (dpa/bb) - Mit dem Berliner Mietendeckel befasst sich nun das Bundesverfassungsgericht. FDP und CDU/CSU im Bundestag lassen das bundesweit einmalige Gesetz überprüfen, das den Anstieg der Mieten in der Hauptstadt bremsen soll. Dafür haben sie am Mittwoch eine Normenkontrollklage auf den Weg gebracht. "Das Land Berlin verletzt mit seinem Mietendeckel die Verfassung", meinte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann. "Es hat seine Befugnisse eindeutig überschritten. Das Mietrecht ist Sache des Bundesgesetzgebers."

Auch auf Landesebene wollen FDP und CDU den Mietendeckel auf juristischem Wege stoppen. Die FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus will eine schon seit längerem geplante Normenkontrollklage gegen den Mietendeckel noch im Mai beim Landesverfassungsgericht einreichen. Das kündigte Fraktionschef Sebastian Czaja am Mittwoch an.

Das von Rot-Rot-Grün beschlossene Gesetz stehe auf einem "verfassungsfeindlichen Fundament". Es führe zu keinerlei Entspannung auf dem Wohnungsmarkt. "Hoffen wir, dass das Mietendeckel-Theater jetzt schnell vorüber geht", so Czaja. "Es hat schon zu viel Zeit und Kraft gekostet." Die CDU-Fraktion hatte ebenfalls Verfassungsklage angekündigt und will diese "vor der Sommerpause" einreichen, wie es am Mittwoch hieß.

Seit 23. Februar sind Mieten für 1,5 Millionen Wohnungen in Berlin auf dem Stand vom Juni 2019 eingefroren. Ab 2022 dürfen sie höchstens um 1,3 Prozent jährlich steigen. Wird eine Wohnung wieder vermietet, muss sich der Vermieter an neue, vom Staat festgelegte Obergrenzen und die zuletzt verlangte Miete halten. Der Mietendeckel, der den Anstieg der Wohnkosten in der Hauptstadt stoppen soll, ist auf fünf Jahre befristet. Ausgenommen sind unter anderem Neubauwohnungen, die ab 1. Januar 2014 bezugsfertig wurden. Ab 23. November sollen Mieter überhöhte Bestandsmieten senken können

Christian Gräff, Sprecher für Bauen und Wohnen der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, bekräftigte, der Mietendeckel berge hohe rechtliche und finanzielle Risiken für Mieter und Vermieter und widerspreche der Verfassung. Es müsse schnell geklärt werden, ob das Gesetz einer verfassungsgemäßen Überprüfung standhalte oder nicht. "Die Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt hat sich durch die Deckelung, den Rückgang der Neubaugenehmigungen und nun auch durch die Coronakrise leider noch weiter verschärft", sagte Gräff.

Auch der Eigentümerverband Haus & Grund begrüßte die Normenkontrollklage. "Für die Mieter und Vermieter in Berlin und darüber hinaus ist es enorm wichtig, dass das Bundesverfassungsgericht nun für Rechtssicherheit sorgen kann", sagte Verbandspräsident Kai Warnecke. "Der Berliner Senat lässt Mieter und Vermieter über viele Monate bewusst im Unklaren, um seine Ideologie durchzusetzen."

Die Folgen des Mietendeckels seien verheerend, warnte Warnecke. Modernisierungen blieben aus und Instandhaltungen würden auf das Notwendigste zurückgefahren. Der Mietendeckel bestrafe vor allem private Kleinvermieter, die mit einer Mietwohnung für ihr Alter vorsorgten und Kredite bedienen müssten.

Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen sieht in der Normenkontrolle eine gute Nachricht. "Planungs- und Rechtssicherheit sind jetzt wichtiger denn je - auch für neue Investitionen", meinte Verbandspräsident Andreas Ibel. "Eine weitere gute Nachricht wäre, wenn das Bundesverfassungsgericht noch in diesem Jahr über die Normenkontrollklage entscheidet."

Selbst Berlins Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher (Linke), kann der Normenkontrolle etwas abgewinnen: "Wir haben die gerichtliche Überprüfung erwartet und begrüßen die notwendige Klärung, um die bestehende Unsicherheit bei Mieterinnen und Mietern zu beenden", sagte sie dem "Tagesspiegel".

Die abstrakte Normenkontrollklage wird von der gesamten FDP- und dem größten Teil der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mitgetragen, so dass die erforderliche Stimmenanzahl gegeben ist. Mit diesem Mittel kann ein Antragsteller unabhängig von einem konkreten Rechtsstreit und von eigener Betroffenheit die Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm überprüfen lassen. Der Antrag kann nur von der Bundesregierung, einer Landesregierung oder einem Viertel der Mitglieder des Bundestages gestellt werden.

Kritik kam von der Linken im Bundestag: "Union und FDP sollten sich schämen, gegen den Berliner Mietendeckel ins Feld zu ziehen", sagte die wohnungspolitische Sprecherin Caren Lay. "Wir brauchen keinen Schutzschirm für Mieten-Profiteure, sondern einen Schutzschirm für Mieterinnen und Mieter."

Der Berliner Mieterverein betonte, der Deckel sei gerade im Hinblick auf die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie von besonderer Bedeutung. "Ihn jetzt mittels einen Normenkontrollklage zu beseitigen, wie es Abgeordnete der CDU/CSU und FDP, aber auch der AFD vorhaben, ist zynisch und das vollkommen falsche Signal", sagte Geschäftsführer Reiner Wild.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-200506-99-959731
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Direkt aus dem dpa-Newskanal