Wohnen - Berlin:Gutachten: Enteignung von Wohnungsunternehmen zulässig

Berlin (dpa/bb) - Die von einer Mieterinitiative mit Hilfe eines Volksbegehrens angestrebte Enteignung großer Wohnungsunternehmen in Berlin ist nach Einschätzung des wissenschaftlichen Dienstes im Abgeordnetenhaus rechtlich möglich. Ein jetzt online veröffentlichtes Gutachten kommt zu dem Schluss, dass das Grundgesetz in den Artikeln 14 und 15 entsprechende Schritte zulasse. Die Zuständigkeit des Landes Berlin, ein Gesetz zu beschließen, sei "zu bejahen", heißt es dort weiter. Das Kriterium, Unternehmen mit mindestens 3000 Wohnungen zu vergesellschaften, stelle eine "zulässige Pauschalierung" dar.

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Berlin (dpa/bb) - Die von einer Mieterinitiative mit Hilfe eines Volksbegehrens angestrebte Enteignung großer Wohnungsunternehmen in Berlin ist nach Einschätzung des wissenschaftlichen Dienstes im Abgeordnetenhaus rechtlich möglich. Ein jetzt online veröffentlichtes Gutachten kommt zu dem Schluss, dass das Grundgesetz in den Artikeln 14 und 15 entsprechende Schritte zulasse. Die Zuständigkeit des Landes Berlin, ein Gesetz zu beschließen, sei "zu bejahen", heißt es dort weiter. Das Kriterium, Unternehmen mit mindestens 3000 Wohnungen zu vergesellschaften, stelle eine "zulässige Pauschalierung" dar.

"Es erscheint sachlich gerechtfertigt, öffentliche und genossenschaftlich organisierte Wohnungsunternehmen von einer Sozialisierung auszunehmen", heißt es in dem Gutachten. Bei ihnen sei der Schutz der Mieter vor überhöhten Mieten eher gewährleistet als bei privaten, gewinnorientierten Unternehmen. Eine Entschädigung für eine Vergesellschaftung könne sich am Verkehrswert orientieren, müsse aber nicht zwingend diesem entsprechen. "Ein Gesetz, das eine deutlich unter dem Verkehrswert liegende Entschädigung vorsehen würde, wäre nicht mit Art. 15 Grundgesetz vereinbar."

Betroffen wären von der Enteignung nach den Kriterien der Initiative etwa ein Dutzend Firmen mit 240 000 Mietwohnungen - rund 15 Prozent des Gesamtbestandes. Im Juni übergab die Initiative rund 77 000 Unterschriften an den Senat, von denen schließlich etwa 58 000 für gültig erklärt wurden - fast dreimal so viele wie nötig, um die Einleitung des Volksbegehrens zu beantragen. Nun prüft die Innenverwaltung, ob das Ansinnen der Initiative rechtskonform ist. Wie lange diese Prüfung dauert, ist offen.

Im Lichte der Erkenntnisse des Gutachtens forderten das Bündnis "Deutsche Wohnen & Co enteignen" und andere Mieter-Zusammenschlüsse Innensenator Andreas Geisel (SPD) auf, die rechtliche Prüfung nun abzuschließen. "Enteignung ist rechtlich möglich und dringend notwendig", hieß es bei Twitter.

Die Linke sieht Rückenwind für ihren Kurs. Man sehe sich durch das Gutachten in der Rechtsauffassung bestärkt, dass sowohl das Volksbegehren als auch dessen Ziel durch die Verfassung gedeckt seien, twitterte die Linken-Fraktionsvorsitzende Carola Bluhm.

"Die Bestätigung des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes, dass Enteignungen grundsätzlich möglich sind, ist zu begrüßen", erklärte die Sprecherin für Bauen und Wohnen der SPD-Fraktion, Iris Spranger. Das Gutachten zeige aber auch, dass eine deutlich unter dem Verkehrswert liegende Entschädigung nicht rechtens sei.

"Die entscheidende Frage bleibt also weiterhin, ob Enteignungen von Wohnungsunternehmen bei der Abwägung von Kosten und Nutzen wirklich das schärfste Schwert für einen nachhaltigen Mieterschutz und ein ausreichendes Wohnungsangebot wären", so Spranger. "Unser wichtigstes Projekt bleibt der Mietendeckel für Berlin."

Die rot-rot-grüne Koalition hat zum Enteignungs-Volksbegehren keine gemeinsame Position. Während Die Linke das Begehren unterstützt und auch die Grünen seine Ziele für richtig halten, hat sich die SPD noch nicht positioniert.

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