Wohnen:Baugenehmigungen erreichen neues Hoch

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Der Bau von 213 000 Wohnungen wurden im ersten Halbjahr in Deutschland genehmigt, 26 Prozent mehr als im Vorjahr und der höchste Wert seit 16 Jahren. Trotzdem sind bezahlbare Wohnungen in den Städten knapp.

Von Benedikt Müller/dpa, München

Historisch niedrige Zinsen, historisch hohe Zuwanderung: Selten waren die Voraussetzungen für den Wohnungsbau so günstig wie zurzeit. Wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte, wurde von Januar bis Juli der Bau von mehr als 213 000 neuen Wohnungen genehmigt. Das sind 26 Prozent mehr als im Vorjahr - und es ist der höchste Wert seit 16 Jahren.

Wer umziehen will, darf also auf ein steigendes Angebot hoffen. Allerdings ist das satte Plus von Sondereffekten geprägt: Besonders stark ist die Zahl der genehmigten Einheiten in Wohnheimen gestiegen, nämlich um 142 Prozent. Hier zeigt sich, dass viele Unterkünfte für Geflüchtete gebaut werden. Darüber hinaus sind zum Jahreswechsel schärfere Energie-Vorschriften in Kraft getreten. "Viele Bauherren haben den Bauantrag Ende 2015 abgegeben, um noch nach den alten Regeln bauen zu dürfen", sagt Claus Michelsen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Die entsprechenden Genehmigungen seien im Laufe des Jahres eingegangen und zögen nun die Zahl nach oben. "Nichtsdestotrotz verzeichnen wir seit Jahren einen stetigen Anstieg der Baugenehmigungen", sagt Ökonom Michelsen. Geplant werden vor allem Wohnungen in Mehrfamilienhäusern.

Viele Jahre haben Länder und Städte den Neubau vernachlässigt. Allmählich denken sie um

Allerdings: Die Statistiker sprachen am Montag nur von Genehmigungen. Wann die jeweiligen Wohnungen fertig sind, steht auf einem anderen Blatt. Darauf weisen die Analysten der Landesbank Hessen-Thüringen hin. Sie gehen davon aus, dass erst im Jahr 2017 die Grenze von 300 000 neuen Wohnungen innerhalb eines Jahres überschritten werden dürfte. "Die angespannte Situation am deutschen Wohnungsmarkt wird noch einige Zeit andauern", folgern die Analysten.

Entscheidend ist auch, wer die neuen Wohnungen baut und wie teuer sie vermietet werden. Denn trotz des Booms mangelt es an bezahlbarem Wohnraum, kritisiert der Bundesverband der Deutschen Industrie. Zwar investierten Städte und Kommunen seit der starken Zuwanderung wieder mehr in den Wohnungsbau, sagt BDI-Vizepräsident Thomas Bauer, der selbst ein Bauunternehmen leitet. "Es findet vieles statt." Fast jeder Landkreis habe Projekte. Die Schaffung von günstigen Wohnungen dauere aber viel zu lange.

Auch viele Bundesländer haben den Wohnungsbau in den vergangenen Jahren vernachlässigt. Jahr für Jahr überweist der Bund den Ländern Millionen für neue Sozialwohnungen, doch vielerorts wurden nur wenige geförderte Wohnungen gebaut. Im vergangenen Jahr haben etwa Mecklenburg-Vorpommern, das Saarland und Sachsen keine einzige Wohnung geschaffen. Das geht aus einer Übersicht des Bundesfinanzministeriums hervor, aus der die Frankfurter Allgemeine Zeitung zitiert.

Andererseits steigt die Zahl neu gebauter Sozialwohnungen seit drei Jahren wieder an. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung beobachtet, dass die Länder sich stärker im Neubau engagieren und viele Städte ihre kommunalen Gesellschaften wieder auf Wachstum trimmen. Erst kürzlich hat etwa die Stadt München eine Offensive mit mehr städtischem Neubau angekündigt.

Im privatwirtschaftlichen Teil des Marktes fragt man sich indes, wie lange die Sonderkonjunktur aus niedrigen Zinsen und hoher Zuwanderung noch anhalten wird. Analysten der Bank of America Merrill Lynch haben am Montag gewarnt, die Häuserpreise dürften hierzulande künftig nicht mehr so stark steigen wie in den Vorjahren. Deshalb haben sich Anleger schon einmal auf düstere Zeiten eingestellt. Die Aktien großer Wohnungskonzerne zählten am Montag zu den größten Verlierern an der Frankfurter Börse.

© SZ vom 20.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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