Wo beginnt Schwarzarbeit?:Straftat Blumengießen

Mit Bußgeldern in Höhe von mindestens 1500 Euro will die Bundesregierung künftig auch in Privathaushalten Schwarzarbeit als Straftat verfolgen.

Von Norbert Sturm

(SZ vom 09.01.2004) — Bisher wurden solche Leistungen, wenn überhaupt, als bloße Ordnungswidrigkeiten geahndet. Das Kabinett hat vor, am 18. Februar einen Gesetzentwurf zu verabschieden, der alle Dienstleistungen, die am Fiskus vorbei entlohnt werden, als abgabenpflichtige Tätigkeit einstuft und Verstöße unter Strafe stellt.

Dazu zählen dem Prinzip nach auch Putz-, Bügel- oder Gartenhilfen. Fachleute bezweifeln jedoch, dass die Verschärfung in dieser Form umgesetzt wird. Dafür sind die politischen Widerstände zu groß und die Erfolgsaussichten zu klein.

Fahndung zu Hause

Selbst die Fahnder vom Zoll, die sich neuerdings anstelle der Arbeitsämter um solche Machenschaften kümmern, glauben nicht, dass Schwarzarbeit künftig schon beim bezahlten Blumengießen auf Nachbars Terrasse beginnen soll, wenn dieser im Urlaub ist.

Auch am gelegentlichen Reinemachen in Privathaushalten wird sich durch die Pläne der Bundesregierung nichts ändern, meinen andere. Die Privatsphäre der eigenen vier Wände sei grundgesetzlich geschützt. Kein Kontrolleur bekäme das Recht, in verdächtigen Häusern nach steuerhinterziehenden Putz- oder Bügelfrauen aus der Nachbarschaft zu fahnden, sagen Experten.

Dass mit der Gesetzesinitiative der Schattenwirtschaft das Wasser abgegraben werden kann, glauben denn auch weder das Münchner Ifo-Institut noch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.

Schon früher haben solche Maßnahmen keinen Erfolg gehabt. Obwohl die Höchstgrenzen für Geldstrafen in den vergangenen Jahrzehnten mehr als verhundertfacht worden sind, hat das die Schwarzarbeit nicht eindämmen können. Die Untergrundwirtschaft boomt weiter.

Offiziell buchende Wirtschaftsbetriebe vornehmlich des Handwerks legen dagegen kaum noch zu.

Wie viel Schwarzarbeiter an Wertschöpfung jährlich erwirtschaften, ist jedoch umstritten. Hochrechnungen aufgrund von Umfragen kommen auf vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Das dürfte allerdings untertrieben sein. Bei solchen Befragungen wird meist geflunkert.

Falscher Ansatz

Doch auch wissenschaftlichen Prognosen fehlt der letzte Beweis. Der Linzer Universitätsprofessor Friedrich Schneider, der als Forscher auf dem Gebiet der Schwarzarbeit als Koryphäe gilt, schätzt den Anteil der Schattenwirtschaft am BIP auf rund 16 Prozent.

Seine Annahme beruht auf Veränderungen der Bargeldnachfrage. Da verbotene Arbeit meist bar entlohnt wird, kann seiner Meinung nach von der zusätzlichen Nachfrage nach Euro-Scheinen auf den Umfang des illegalen Treibens geschlossen werden. Laut seiner Rechnung kämen dabei 350 Milliarden Euro zusammen.

Doch dieses Volumen ist erklärungsbedürftig. Die von Schneider gewichtete Schattenwirtschaft umfasst nicht nur Schwarzarbeit, sondern auch alle mit Geld verbundenen Straftaten, also Drogenhandel, Geldwäscherei, Schmuggel oder Betrug. Abgrenzungen fehlen. Daran kranken seine Analysen.

Der Gesetzentwurf mit seinen Strafverschärfungen für Schwarzarbeit bringt kaum Erhellendes. Er präzisiert zwar Schwarzarbeit als Leistung gegen Entgelt und erhöht damit den Druck auf gewerbliche Steuerhinterzieher. Die Reform schließt aber private Gefälligkeiten ausdrücklich aus.

Auch Nachbarschaftshilfe, bei der Leistung mit Gegenleistung quasi im Rahmen eines Tauschgeschäft belohnt wird, bleibt abgabenfrei. Selbst dann, wenn unter diesem Decknamen ganze Häuser errichtet werden, wie das in ländlichen Gebieten üblich ist, wo der Maurer dem Zimmerer und umgekehrt beim Eigenheimbau hilft.

Damit, so sagen Kritiker, ändert sich durch die Reform faktisch eigentlich nichts. Die Unionsparteien und selbst der Steuerzahlerbund sind deshalb gegen den Gesetzentwurf.

Ökonomen halten schon den Ansatz für falsch. Wirkungsvoller als schärfere Kontrollen wären sinkende Steuern, sagen sie. Denn das mache Schwarzarbeit tendenziell unattraktiv. Der Reformvorschlag gilt deshalb als eine Marketingmaßnahme.

Das Gesetz soll in der Bevölkerung, die Schwarzarbeit als Kavaliersdelikt empfindet und relativ sorglos damit umgeht, zum Umdenken bringen. Doch ob das den Aufwand lohnt, ist fraglich.

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