Wissenslücken:Deutsche Sparer verschenken ihr Geld

Die Deutschen sparen viel und fleißig - im Durchschnitt knapp elf Prozent ihres verfügbaren Einkommens. Doch die Fondsanbieter glauben: Das Sparverhalten ist ineffizient.

Thomas Öchsner

Der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI), der die Interessen der Fondsgesellschaften in Deutschland vertritt, hat derzeit allen Grund zur Freude: Jeder achte Euro des privaten Geldvermögens fließt inzwischen in Investmentfonds. Das verwaltete Fondsvermögen hat sich in den vergangenen zehn Jahren auf etwa 1,2 Billionen Euro verdreifacht. Und der Wachstumstrend hält an: Im ersten Quartal 2006 wanderten gut 23 Milliarden Euro neu in Fonds.

Wissenslücken: Die Deutschen investieren im internationalen Vergleich wenig in Aktien und Investmentfonds (zum Vergrößern auf Lupe klicken)

Die Deutschen investieren im internationalen Vergleich wenig in Aktien und Investmentfonds (zum Vergrößern auf Lupe klicken)

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Im internationalen Vergleich haben die Deutschen aber noch Nachholbedarf: Nach Angaben des BVI beläuft sich ihr Investmentfonds-Vermögen pro Kopf auf 6600 Euro. In Frankreich ist die Summe etwa dreimal so hoch. In den Vereinigten Staaten hat jeder Anleger im Durchschnitt Fondsanteile für umgerechnet fast 26 000 Euro - auch deshalb, weil das Fondssparen für die Altersvorsorge dort staatlich gefördert wird.

Auffällig ist auch, wie unterschiedlich in verschiedenen Ländern das Kapital angelegt wird: Gut ein Drittel des Geldes der Bundesbürger liegt auf Giro-, Tagesgeld- und Festgeldkonten oder auf Sparbüchern - in den USA ist dieser Wert geringer, die Aktien- und Fondsquote ist dagegen viel höher (Grafik). "Die Deutschen sparen viel. Aber die Frage ist, ob sie auch richtig sparen", sagte Markus Rieß, Vorstandssprecher des BVI, in Berlin. Die Bundesbürger, so der Verbandschef, bunkerten einen Großteil ihres Ersparten kurzfristig bei der Bank. Das habe sich auch durch den Aufwärtstrend an den Aktienmärkten nicht entscheidend geändert. Damit verschenkten die Anleger viel Geld.

Kampagnen an Schulen

"Hätten die Deutschen ihr Vermögen so auf die einzelnen Anlageklassen aufgeteilt wie die US-Bürger, würde daraus im Schnitt ein jährlich Mehrertrag von etwa 60 Milliarden Euro resultieren", sagte Rieß. Nach Berechnungen des BVI entspricht das einem Renditeplus von 1,5 Prozentpunkten.

Der BVI stützt sich dabei auf Zahlen der Vergangenheit: Danach ließen sich mit Aktienfonds langfristig die stärksten Vermögenszuwächse erzielen. Wer zum Beispiel 25 Jahre lang 50 Euro in einen deutschen Aktienfonds eingezahlt hat, kam bis Ende 2005 im Durchschnitt auf einen jährlichen Ertrag von 8,3 Prozent. Bei internationalen Aktienfonds lag das Plus bei 7,1 Prozent im 25-Jahres-Durchschnitt. Trotzdem setzen Privatanleger auch dieses Jahr wieder überwiegend auf Geldmarkt- und Rentenfonds, die vor allem in festverzinsliche Wertpapiere investieren. Im ersten Quartal 2006 sammelten diese beiden Fondsgattungen zusammen 9,9 Milliarden Euro im Neugeschäft ein. In Aktienfonds flossen dagegen nur 2,4 Milliarden Euro.

Mit der Untergewichtung von Aktien und Aktienfonds auf deutschen Depots will sich der BVI aber nicht abfinden: Der Verband plant verstärkt in den Schulen über den Kapitalmarkt und den Vermögensaufbau aufzuklären. Helfen sollen dabei zunächst 250 000 Broschüren, die von Mitte Mai an Schüler der Klassen 10 bis 13 verteilt werden sollen. Die Arbeitsgemeinschaft Jugend und Bildung unterstützt das Schulprojekt. Gleichzeitig werden auf der Webseite www.hoch-im-kurs.de Texte und Materialien für den Unterricht angeboten. Nach Angaben von BVI-Hauptgeschäftsführer Stefan Seip lässt sich der Verband diese Aktion einen "mittleren sechsstelligen Eurobetrag" kosten.

Vorbild Großbritannien

Die deutsche Investmentbranche macht sich außerdem dafür stark, das regelmäßige Fondssparen stärker in die Förderung der Altersvorsorge einzubinden. Das vom BVI favorisierte Modell ist dabei das Altersvorsorgekonto. Bei diesem Konzept sollen die Sparer wählen können, ob sie in einen Investmentsparvertrag, eine Versicherung oder zum Beispiel einen Banksparplan einzahlen. Auf das Konto können Arbeitgeber und/oder Arbeitnehmer Beiträge überweisen. Betriebliche und private Vorsorge könnten so in einen Topf fließen. Das Wohneigentum will der Verband in diese Förderung aber nicht einbeziehen.

Staatliche Zulagen oder Steuervorteile soll es dabei nicht nur für gesetzlich Rentenversicherte und Beamte geben, sondern auch für Freiberufler, Selbstständige oder Hausfrauen. Eine ähnliche radikale Vereinfachung der Altersvorsorge ist Anfang April in Großbritannien in Kraft getreten.

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