Wirtschaftsweiser zur Konjunktur:"Schlimmste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg"

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger sieht durch die aktuelle internationale Finanzkrise die deutsche Konjunktur gefährdet. Das internationale Finanzsystem sei insgesamt in einer historischen Krise.

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger sieht das internationale Finanzsystem in einer schlimmen Krise. Damit sei auch ein klares Abwärtsrisiko für die deutsche Konjunktur gegeben. "Die Bundesregierung darf darüber nicht einfach hinweggehen", sagte das Mitglied im Sachveständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Passauer Neuen Presse.

Wirtschaftsweiser zur Konjunktur: Wirtschaftsweiser Peter Bofinger: "Kredite nicht über exotische Zwischenhändler vergeben."

Wirtschaftsweiser Peter Bofinger: "Kredite nicht über exotische Zwischenhändler vergeben."

(Foto: Foto: AP)

Allerdings unterscheide sich die Lage grundlegend von der in den USA. "Der Aufschwung in Deutschland ist kein Aufschwung auf Pump gewesen. Wo es keine Kreditblase gibt, kann auch keine platzen."

Als die größte Gefahr für die deutsche Wirtschaft wertete der Wirtschaftsweise die massive Aufwertung des Euro. "Der Euro ist seit dem Herbst gegenüber dem Dollar um rund zehn Prozent aufgewertet worden. Zehn Prozent Aufwertung bedeuten für Deutschland einen halben Prozentpunkt weniger Wachstum", sagte Bofinger der Zeitung.

Mit Blick auf ein mögliches staatliches Konjunkturprogramm sagte der Wirtschaftswissenschaftler, effektiver als ein nationaler Alleingang wäre eine Initiative auf internationaler Ebene. "Die Länder, die in den letzten Jahren massive Leistungsbilanzüberschüsse aufweisen konnten - also China, Russland, Japan, Deutschland, die Schweiz oder die Ölförderländer - sollten sich gemeinsam überlegen, wie sie einen Beitrag zur Belebung der Weltkonjunktur leisten können."

So könnten China und Russland etwa ihre Reserven für Investitionen im Umweltschutzbereich nutzen. Bofinger betonte in einem Gastbeitrag für die Bild am Sonntag, das internationale Finanzsystem befinde sich in der schlimmsten Krise seit dem zweiten Weltkrieg. Nötig sei eine Änderung der Kreditvergabe und stärkeres Eingreifen des Staates. "Kredite müssen in Zukunft wieder stärker über traditionelle Banken laufen und nicht über exotische Zwischenhändler. Und der Staat muss mehr als bisher dafür sorgen, dass sich alle Beteiligten an die Regeln halten."

Den Banken warf er vor, für hohe Renditen auch große Risiken eingegangen zu sein und fragwürdige Geschäftsmodelle gewählt zu haben. "Das geht eine Zeitlang gut, aber früher oder später kommt der Crash."

Die Ängste um Ersparnisse seien unbegründet, betonte Bofinger. "Die kranken Banken werden rund um die Uhr von den staatlichen Notenbanken betreut, ähnlich wie die Patienten auf der Intensivstation. Die Eingriffe erfolgen so professionell, dass Groß- und Kleinanleger keine Angst um ihre Ersparnisse haben müssen." In den schlimmsten Fällen helfe der Staat zudem mit Steuergeldern aus.

Die Grünen sprachen sich angesichts der Krise für mehr staatliche Eingriffe aus. Der Staat müsse klare Regeln für die Finanzmärkte setzen und so für Transparenz und wirksame Kontrolle sorgen, sagte der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Fritz Kuhn, der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Mit dem systematischen Verstecken von Risiken, zum Beispiel in Zweckgesellschaften, müsse Schluss sein. Die "neoliberale Deregulierungsorgie" führe ins Chaos, sagte Kuhn. Er forderte außerdem, den Landesbanken klare Aufgaben im Sinne ihres öffentlich-rechtlichen Auftrages zu geben.

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