Süddeutsche Zeitung

Wirtschaftswachstum:Wirtschaft in NRW wächst nicht mehr

  • Nordrhein-Westfalen ist erstmals das Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum in Deutschland.
  • Deutschlandweit wächst die Wirtschaft um 1,7 Prozent, aber in NRW stagniert sie mit 0,0 Prozent komplett.

Von Bernd Dörries

Auf der Internetseite der nordrhein-westfälischen SPD ist die erste Regierungserklärung von Hannelore Kraft nicht mehr zu finden. Das kann ein Zufall sein, obgleich ein praktischer, weil dann niemand mehr darauf stößt, was die Ministerpräsidentin in ihrer Erklärung 2010 gesagt hat.

Einen neuen Ton wolle sie einführen im Landtag, eine konstruktive Art der Zusammenarbeit, über die Parteigrenzen hinweg. Und so wie das Vertrauen zwischen den politischen Parteien wachsen sollte, so sollte auch die Wirtschaft des Landes gedeihen: "Wir wollen Nordrhein-Westfalen zum Vorreiter der ökologisch-industriellen Revolution machen", sagte Kraft damals im Landtag.

Es herrscht die totale Stagnation

Sechs Jahre später kann man in Düsseldorf eine zutiefst misstrauische Hannelore Kraft beobachten, die in ihrer Amtszeit tatsächlich eine Revolution ausgelöst hat, aber ganz anders als gedacht. Nordrhein-Westfalen ist beim Wirtschaftswachstum auf den letzten Platz aller Länder abgerutscht. Insgesamt wächst die Wirtschaft um 1,7 Prozent, doch Nordrhein-Westfalen kommt auf 0,0 Prozent, es herrscht totale Stagnation. Es ist das erste Mal seit Beginn der gesamtdeutschen Statistiken, dass das bevölkerungsreichste Bundesland das Schlusslicht beim Wachstum ist. "Ein schwarzer Tag für NRW", sagte dazu der CDU-Landesvorsitzende Armin Laschet. FDP-Landeschef Christian Lindner kritisierte, "der wachsende Wohlstand in Deutschland kommt nicht bei den Menschen in NRW an."

Landeswirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) nannte die Zahlen hingegen "unerfreulich, aber nicht überraschend". Schließlich sei Nordrhein-Westfalen die Heimat des Bergbaus, großer Energieversorger, der Stahlindustrie - alles Branchen, denen es nicht gerade gut geht. Diese Entwicklung ist im Westen seit mehreren Jahrzehnten unter dem Begriff Strukturwandel bekannt und ein ziemlich mühsamer Weg. Die Solidarität der Republik galt in der Zeit nach der Wende vor allem dem Osten, die klammen Kommunen im Ruhrgebiet müssen bis heute Kredite aufnehmen, um ihren Anteil am Solidarpakt zu bezahlen. In Nordrhein-Westfalen wurde vieles ausprobiert, um den Wandel zu beschleunigen, neue Universitäten entstanden und erfolgreiche Projekte wie der Duisburger Hafen. Doch es fiel immer mehr weg als nachwuchs.

Langzeitprojekte haben noch keine Einnahmen generiert

Hannelore Kraft begann ihre Amtszeit mit einem Konzept, das sie von ihrem Vorbild Johannes Rau übernommen hatte. "Die Schulden von heute sind die Einnahmen von morgen", hatte der schon immer gesagt. Mittlerweile sieht es aber so aus, als ob Schulden einfach zu noch mehr Schulden führten.

Kraft hatte die Kredite in Rekordhöhe getrieben und das Geld in Bildung und Betreuung investiert. "Kein Kind zurücklassen", das war ihr Motto. Ein Langzeitprojekt, sagte Kraft damals. Nach fast sechs Jahren im Amt haben die Düsseldorfer Ministerien aufgrund der hohen Zinslast aber kaum noch Spielraum für Investitionen. Und die Regierung selbst wirkt ratlos. Die Grünen zum Beispiel fallen durch immer neue Vorschriften auf, die in der Wirtschaft wenig Begeisterung auslösen. Eine große Einzelinvestitionen der Landesregierung ist der Neubau einer Spielbank in Köln durch den landeseigenen Betrieb Westspiel - der macht insgesamt Verlust, so wie sich die Kasinos in ganz Deutschland schwertun mit der Konkurrenz aus dem Netz. Der nächste Strukturwandel steht bevor.

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SZ vom 01.04.2016/vit
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