Süddeutsche Zeitung

Wirtschaftssanktionen:Nordkoreas Wirtschaft macht wirksame Sanktionen schwierig

Kohle, Meeresfrüchte, Drogen und größenwahnsinnige Monumente: Nordkoreas Wirtschaft wächst. Die neuen Sanktionen werden das Land zwar schmerzen - aber wohl kaum beugen.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Nordkorea wird sich von Wirtschaftssanktionen nicht beugen lassen. Je weniger Außenhandel ein Land betreibt, desto weniger anfällig ist es für Druck. Im Vorjahr exportierte die isolierte Diktatur vor allem Kohle, Eisenerz und Fischereiprodukte für schätzungsweise vier bis fünf Milliarden Dollar. Nur ein Teil davon taucht in der offiziellen UN-Handelsstatistik auf. Etwa 90 Prozent der Ausfuhren gehen nach China. Nordkoreas Einfuhren bewegen sich in ähnlichen Dimensionen.

Die südkoreanische Zentralbank schätzt die gesamte Wirtschaftsleistung Nordkoreas auf 28 Milliarden Dollar, andere Experten halten die Zahl für höher. Unabhängig von der Genauigkeit dieser Zahlen lässt sich aus ihnen erkennen, dass maximal 15 Prozent seiner Wirtschaft vom Außenhandel abhängt. In anderen armen Ländern, Kambodscha zum Beispiel, ist dieser Anteil sehr viel höher.

Die UN will auch Nordkoreas Öl-Einfuhren beschränken

Im Frühjahr stoppte China seine Kohleimporte aus Nordkorea, die jüngsten UN-Sanktionen wollen auch seine Textil-Ausfuhren verbieten, ein ziemlich neues Geschäft für Nordkorea, mit dem es voriges Jahr etwa 750 Millionen Dollar eingenommen hat. Außerdem soll Nordkorea keine Arbeitskräfte mehr in andere Länder entsenden dürfen.

Der UN-Sicherheitsrat will nun auch Nordkoreas Öleinfuhren um 30 Prozent beschränken. Nicht um mehr, weil man sonst fürchten müsse, nächsten Winter gingen Bilder erfrierender nordkoreanischer Kinder um die Welt, wie ein britischer Diplomat der New York Times verriet.

Die neuen Sanktionen werden Nordkorea zweifellos schmerzen, vor allem die kleinen Leute. Aber sie werden das Waffenprogramm des Regimes von Kim Jong-un kaum bremsen. Seit er an der Macht ist, hat sich Nordkoreas Wirtschaft erheblich modernisiert. Sie ist voriges Jahr um drei bis vier Prozent gewachsen.

Die meisten Nordkoreaner versorgen sich auf dem semi-legalen Markt

Das Versorgungssystem des Staates ist schon unter seinem Vater zusammengebrochen. Die meisten Nordkoreaner versorgen sich heute über eine semi-legale Marktwirtschaft, die von unten entstanden ist. Zumindest die Elite in Pjöngjang kann fast alles kaufen, allerdings muss sie dafür meist in chinesischen Yuan, in Euro, japanischen Yen und sogar Dollar zahlen. Der Schweizer Felix Abt, der bis vor einigen Jahren in Pjöngjang eine Pharma-Firma betrieb, meint, ohne die politischen Konflikte wäre Nordkorea "der nächste Tigerstaat", also das nächste Billiglohnland, das durch Exporte rasch wächst.

Nordkorea dürfte auch weiterhin über illegale Einnahmequellen verfügen, allerdings weiß man darüber noch weniger. Es soll Drogen produzieren und zum Beispiel nach Japan schmuggeln, auch falsche Markenzigaretten. Außerdem soll es Falschgeld drucken und heimlich mit Waffen handeln. Nordkorea hat zwei lange Küsten, die kaum zu kontrollieren sind. Die Landesgrenze zu China ist durchlässig, jene zu Russland wohl auch. Es unterhält mit vielen Ländern gute Beziehungen, zum Beispiel in Afrika, wo es diktatorische Regime zum Beispiel mit protzigen Monumenten versorgt.

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SZ vom 13.09.2017/mahu
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