Wirtschaftsreformen in Kuba:Fast eine zweite Revolution

Kubas Kampf gegen die Krise: Die Regierung baut den gewaltigen Staatsapparat zurück und stärkt die Privatwirtschaft. Hunderttausende Beschäftige sollen entlassen werden.

Sonja Peteranderl

Die Regierung von Raúl Castro kämpft mit einer Entlassungswelle von Staatsbediensteten gegen die Krise und treibt mit dieser bisher radikalsten Reform die Modernisierung des kubanischen Wirtschaftsmodells voran.

Kubaner unterstützen ihren Präsidenten

Zweite Revolution? Die Wirtschaftskrise zwingt Kuba zu mehr Privatwirtschaft.

(Foto: dpa)

Bis März 2011 will die Regierung mehr als 500.000 Beschäftigten aus Ministerien und Staatsbetrieben kündigen und gleichzeitig den privaten Sektor stärken, wie die Zentrale Gewerkschaft der Arbeiter Kubas (CTC) mitteilte.

Präsident Raúl Castro hatte zuletzt Anfang August angekündigt, dass ein Abbau des aufgeblähten Staatsapparates angesichts der Wirtschaftskrise notwendig sei und insgesamt über eine Million Staatsbedienstete entlassen werden müssten. Von den elf Millionen Inselbewohnern sind etwa fünf Millionen Menschen berufstätig - vier Millionen der Kubaner arbeiten im staatlichen Sektor.

Aufgeblähte Gehaltslisten

"Unser Staat kann nicht und soll nicht länger Betriebe mit aufgeblähten Gehaltslisten am Leben erhalten, die die Wirtschaft schädigen", erklärte die Gewerkschaftsorganisation CTC. Die entlassenen Staatsbediensteten sollen in den neu entstehenden privaten Kleinbetrieben unterkommen.

Privat geführte Friseur- und Schönheitssalons sind in Kuba schon seit einigen Monaten zugelassen, nun wird die Privatisierung auf andere Dienstleistungen ausgeweitet. Die Regierung plant die Ausgabe von 250.000 Lizenzen für kleine Handwerksbetriebe und Einzelhändler in 120 verschiedenen Bereichen. Auch Schuster, Uhrenmacher, Schuhputzer, Mechaniker, Gärtner, Übersetzer oder Masseure dürfen bald auf eigene Rechnung arbeiten.

Überlebenswichtige Reformen

Der Staat, der momentan noch 95 Prozent des kubanischen Wirtschaftslebens kontrolliert, muss sich, wie Wirtschaftsminister Marino Murillo erklärte, in Zukunft "um wichtigere Dinge" kümmern. Jaime Suchlicki, der Direktor des Instituts für Kubanische Studien an der Universität Miami, sagte zum Wall Street Journal, dass die einschneidende Reform Ausdruck einer "Überlebenswirtschaft" sei. Er bezeichnete Kubas ökonomische Situation als miserabel und bezweifelte auch, dass die vom Staat entlassenen Kubaner problemlos in der Privatwirtschaft wechseln könnten - da bisher kein privater Sektor existiere.

Kubanisches Modell gescheitert

Kuba ist durch die Weltwirtschaftskrise, aber auch durch sozialistische Misswirtschaft und Korruption in eine schwere Krise geraten. Die landwirtschaftliche Produktivität ist so gering, dass der Staat die meisten Lebensmittel importieren muss. Wenn Kuba in den nächsten Jahren weiter auf Privatisierung setzt, könnte sich die Wirtschaft nach Einschätzung von Arch Ritter erholen. Allerdings werde es nur ein langsames Wirtschaftswachstum geben, wie der Wirtschaftsexperte von der Carleton-Universität in Kanada zum Wall Street Journal sagte.

In einem Gespräch mit dem US-Journalisten Jeffrey Goldberg hatte Fidel Castro ein Scheitern des Sozialismus eingeräumt. "Das kubanische Modell funktioniert selbst bei uns nicht mehr", zitierte der Journalist den 84 Jahre alten Revolutionär in dem amerikanischen Magazin The Atlantic. Fidel Castro beeilte sich zu erklären, dass seine Aussage missverstanden worden sei und er "genau das Gegenteil" gemeint habe. "Wie die ganze Welt weiß, ist meine Idee, dass das kapitalistische System nicht mehr funktioniert - weder für die USA noch den Rest der Welt", sagte Castro.

Jeffrey Goldberg wies den Vorwurf der Missintepretation zurück. Auch Julia Sweig, eine Kuba-Expertin des US Council on Foreign Relations (CFR), die bei dem Interview von The Atlantic dabei war, bestätigte, Castro habe "nicht gescherzt".

Der amtierende Präsident Raúl Castro spricht im Zusammenhang mit den Reformen von einer notwendigen "Aktualisierung des kubanischen Modells".

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