Wirtschaftsprüfer:Was der Trennungsplan von EY bedeutet

Wirtschaftsprüfer: Die Wirschaftsprüfungsgesellschaft EY gehört zusammen mit Deloitte, KPMG and PwC zu den sogenannten "Big Four" der Wirtschaftsprüfer.

Die Wirschaftsprüfungsgesellschaft EY gehört zusammen mit Deloitte, KPMG and PwC zu den sogenannten "Big Four" der Wirtschaftsprüfer.

(Foto: Martin Gerten/dpa)

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY will ihr Prüfungs- und Beratungsgeschäft aufspalten. Das kommt einer Revolution gleich - in einer Branche, die seit Langem in der Kritik steht.

Von Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Carmine Di Sibio hat den Wirtschaftsgipfel in Davos verlassen und sitzt auf dem Heimflug an Bord der "EY One". So nennt die Belegschaft der Wirtschafts- und Beratungsgesellschaft EY scherzhaft den Bombardier-Jet ihres Chefs. Über den Wolken geht der italienisch-amerikanische Manager seinen ehrgeizigen Plan nochmals durch. Er möchte die eigene Firma in zwei Teile aufspalten; nach der Landung verschickt er dazu einen Rundbrief an die 312 000 Mitarbeiter. EY berät andere Firmen bei solchen Geschäften. Aber nun könnte so etwas im eigenen Haus passieren: Wirtschaftsprüfer und Berater sollen getrennte Wege gehen. Ein Börsengang ist möglich. Die Aufspaltung, so sie denn kommt, wäre eine Revolution in einer Branche, die seit Jahrzehnten in der Kritik steht.

EY ist da nur das jüngste Beispiel. Deren Prüfer haben jahrelang den Betrug bei Wirecard übersehen, im Jahr 2008, damals noch unter dem Namen Ernst & Young, schlampten sie bei der Bilanzkontrolle von Lehman Brothers. EY gehört zu den "Big Four". Zusammen mit Deloitte, PwC und KPMG kontrollieren sie das weltweite Prüfungsgeschäft von kleinen Firmen bis hin zu multinationalen Konzernen.

Wirtschaftsprüfer haben in der Marktwirtschaft hoheitliche Aufgaben. Sie sollen sicherstellen, dass Kunden, Aktionäre und Kreditgeber den Bilanzen der Unternehmen trauen können. Nun ist das Prüfungsgeschäft allein nicht sonderlich lukrativ, man verdient viel mehr Geld, wenn man Unternehmen auch berät: bei Fusionen, der Strategie oder auch der Steuervermeidung. Hier aber lauert ein Interessenkonflikt, meinen viele, denn womöglich drückt der Prüfer ein Auge zu, um ein lukratives Beratungsmandat zu ergattern. Aber dafür gelten inzwischen in vielen Ländern strengere Regeln.

Dennoch dauert die Debatte dazu an. Auch Kritiker der Prüfungsbranche verfolgen die EY-Pläne daher mit Interesse. "Wenn es wirklich zu einer eigentümerrechtlichen Trennung des Beratungs- und Prüfgeschäfts kommt, wäre das ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, am Ziel wären wir aber noch nicht", sagt Konrad Duffy, Referent Finanzkriminalität bei der Organisation Finanzwende. Zwar würde verhindert werden, dass Informationen aus dem einen Bereich für den anderen genutzt werden können. Das Problem, dass die Big Four Unternehmen und Regierungen gleichermaßen beraten, sei dadurch aber nicht weg, sagt Duffy. "So wissen wir zum Beispiel aus den Lux Leaks, dass die Big Four, damals vor allem PwC, Unternehmen bei aggressiven Steuervermeidungsmodellen beratend zur Seite standen." Gleichzeitig beraten die Big Four Regierungen zu verschiedensten Themen, wie auch Steuerthemen. Hier bestehe weiterhin ein starker Interessenkonflikt.

"Wir lesen die Aufspaltungsideen bei EY als Signal."

Warum also plant EY die Aufspaltung, wenn es den Interessenkonflikt auch nicht abschließend auflöst? Außerdem hegt, nach allem, was man weiß, keiner der drei Wettbewerber ähnliche Pläne. Geht es um Haftung? "Wir lesen die Aufspaltungsideen bei EY als Signal, dass man sich der deutschen Haftung wegen des Wirecard-Desasters entziehen will", meint Wolfgang Schirp, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.

Auch in der Branche mutmaßen manche, es könne mit Wirecard zu tun haben. "Wenn die EY-Wirtschaftsprüfer ihr Beratungsgeschäft verkaufen, erhalten sie viel Geld, das erhöht die Haftungsmasse", meint ein Wirtschaftsprüfer, der die Gemengelage kennt. Zwar genießen die Prüfer in Deutschland seit Jahrzehnten ein weltweit wohl einmaliges gesetzliches Haftungsprivileg. Wenn die Kläger aber grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz nachweisen können, kann im Extremfall eine Milliardenforderung auf EY zukommen. Nicht ausgeschlossen, dass auch EY Haftungsansprüche auf sich zukommen sieht und deshalb verkauft. Womöglich, so fragen sich manch andere, haben es auch die Berater bei EY satt, für die Wirtschaftsprüferkollegen im Ernstfall zu haften, und wollen deshalb raus.

Tatsächlich wird das Thema Wirecard für EY derzeit immer ungemütlicher. Aktuell führt die deutsche Abschlussprüfersaufsichtsstelle Apas sowohl gegen EY als auch gegen zwölf Personen Berufsaufsichtsverfahren im Zusammenhang mit Wirecard. Das ist ein Mammutverfahren, das die Aufseher 2021 massiv beschäftigt hat, wie die Behörde gerade in ihrem Jahresbericht dargelegt hat. Noch in diesem Jahr will die Apas entscheiden, ob die für Wirecard zuständigen Prüfer ihre Berufspflichten verletzt haben und ob Sanktionen gegen sie verhängt werden.

Bei EY hält man die Spekulationen, die Aufspaltung könne etwas mit Wirecard zu tun haben, für völlig abwegig. Fest steht aber: Das Prüfungsgeschäft bringt deutlich weniger Geld als das Beratungsgeschäft, gleichzeitig befruchten sich beide Geschäftsbereiche. Die Mitarbeiter profitieren also von den Erfahrungen der anderen. "Die Beratung ist Teil des Lehrstoffes für einen Wirtschaftsprüfer", sagt ein hochrangiger Brancheninsider. Daher: Warum geht EY diesen für sie riskanten Schritt? Noch dazu freiwillig?

Bei EY heißt es, entschieden sei noch nichts. Man analysiere gerade "alternative Strukturen und Geschäftsmodelle". Insbesondere im Bereich Wirtschaftsprüfung sei es oberste Priorität, den öffentlichen Auftrag bestmöglich zu erfüllen. Ein Insider ergänzte, eine Aufspaltung biete neue Wachstumsmöglichkeiten, man habe weniger Interessenkonflikte, weswegen die Einheiten getrennt leichter auf Kundenfang gehen könnten. Allerdings müssen dem Vorhaben die Partner in den großen Ländergesellschaften zustimmen.

Dort sind einige gleichwohl skeptisch: Man sei als Prüfer immer nur zu bestimmten Monaten ausgelastet, sagt ein EY-Partner. "Was machen die Leute in der übrigen Zeit? Das war bisher der Vorteil des integrierten Modells", sagt der Insider, der meint: "Eine reine Prüfungsmaschine aufzubauen, ist wirtschaftlich echt schwierig." Um qualifiziert beraten und prüfen zu können, müsse man sich in beiden Bereichen auskennen. Auch Klaus-Peter Naumann, Chef des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) ist der Ansicht, dass "die Prüfungsleistung" auf die Qualität der Beratung abstrahlt. "Daher macht es weiterhin Sinn, beides unter einem Dach anzubieten." Werden andere Firmen dem Beispiel von EY folgen? Der oberste Lobbyvertreter der Prüfer in Deutschland glaubt das vorerst nicht.

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