Wirtschaftsprogramme:Was die Populisten gemeinsam haben

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Die AfD-Chefs Frauke Petry und Alexander Gauland bei einer Demonstration in Berlin. (Foto: John Macdougall/AFP)
  • Der Aufstieg des Populismus in den westlichen Industrieländern hat viel mit dem Zorn über die Finanzkrise und der Frustration besonders von Geringverdienern über deren Folgen zu tun.
  • In den Parteiprogrammen der Populisten - egal ob rechts oder links - finden sich oft die gleichen Antworten zu wirtschaftlichen Fragen wieder.

Von Nikolaus Piper

Vor nicht allzu langer Zeit begann die Alternative für Deutschland (AfD) einmal als Partei der Wirtschaftsprofessoren. Initiator war Bernd Lucke, Professor für Makroökonomie an der Universität Hamburg; der erste Parteitag der Neugründung wählte Lucke zu einem der Co-Vorsitzenden. Das Wirtschaftsprogramm stand im Zentrum der AfD-Kampagnen: raus aus dem Euro, keine Rettungspakete, im übrigen konservativ mit liberalen Einsprengseln wie Steuervereinfachung, Schuldenabbau, keine Vergemeinschaftung von Haftungsrisiken.

Dies mag nur drei Jahre her sein; tatsächlich jedoch fand die AfD-Gründung in einem anderen Zeitalter statt. Inzwischen gibt es die Flüchtlingskrise und jetzt ist alles anders. Die Geister, die sie gerufen hatten, trieben Bernd Lucke und seine Mit-Professoren aus der Partei. Jetzt herrschen dort Rechtspopulisten um die Vorsitzenden Frauke Petry und Jörg Meuthen. Ihr alles überragendes Thema ist die Abwehr von Flüchtlingen und Migranten, Äußerungen der Vorsitzenden zu expliziten Wirtschaftsfragen findet man dagegen kaum. Sieht man von einer Kampagne gegen die Abschaffung des Bargeldes ab, ist das Programm der AfD wirtschaftspolitisch erstaunlich dünn und enthält Leerformeln, die aber auch im Programm jeder Partei stehen könnten: "Eine solidarische Förderung der Familien ist eine Investition in unsere gemeinsame Zukunft und wesentlicher Teil des Generationenvertrages."

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Die Schweizer stimmen bald darüber ab - ziemlich wahrscheinlich mit "Nein". Das ist schade. Denn die Idee ist so gut, dass man sich endlich trauen sollte, sie umzusetzen.

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Nicht Wirtschaftsthemen elektrisieren die Massen - es ist das Thema Migration

Ein merkwürdiger Widerspruch: Der Aufstieg des Populismus in den westlichen Industrieländern nach der Finanzkrise hat viel mit dem Zorn über diese Krise und der Frustration besonders von Geringverdienern über deren Folgen zu tun. So schrieb der französische Ökonom Jean Pisani-Ferry, ein tieferer Grund für die Erfolge der Populisten sei die "schlechte Lage der unteren Mittelschichten". Es sind aber nicht Wirtschaftsthemen, die die Massen elektrisieren, es ist das Thema Migration.

So ist es in Deutschland mit der AfD, so ist es in der Schweiz mit der SVP und ihrem Tribun, dem Unternehmer Christoph Blocher. In den Vereinigten Staaten hat der Immobilien-Milliardär Donald Trump gute Chancen, die republikanische Kandidatur für das Amt des Präsidenten zu erringen. Sein Wahlkampf richtet sich vor allem gegen illegale Einwanderer und gegen Muslime in den USA. Trump will Amerika "wieder groß" machen, er hat aber - außer sich selbst - noch nicht einmal einen Wirtschaftsberater.

Es passt zu Trump, dass man von ihm nur wenig auf seiner informationsarmen Website findet, sondern, dass man Youtube nach Reden von "The Donald" durchsuchen muss. Was man dabei entdeckt, ist allerdings eindeutig: Trumps Wirtschaftsprogramm ist alles andere als rechts, es ist im amerikanischen Kontext noch nicht einmal konservativ. So will der Kandidat, ähnlich wie die amerikanischen Gewerkschaften, die USA vor Billigimporten aus China schützen. Schon vor fünf Jahren hatte er einen Strafzoll von 25 Prozent auf alle Einfuhren aus der Volksrepublik gefordert. Heute will er China offiziell als "Währungsmanipulator" brandmarken, wonach er nach US-Recht Strafmaßnahmen einleiten darf. Trump lehnt das Freihandelsabkommen TPP mit den Pazifik-Anrainern ab, bekennt sich aber trotzdem zum Freihandel. Die Lösung liegt, so sagt er, darin, dass Trump einfach ein besserer Verhandler ist: "Wenn Trump Präsident ist, wird China schon merken, dass Amerika zurück im Geschäft um globale Führungsstärke ist."

Er ist, anders als der Rest der Republikaner, für den Mindestlohn, aber gegen dessen Erhöhung. Nach Trumps Programm werden die Steuern auf breiter Front gesenkt. Eine Familie, die weniger als 50 000 Dollar verdient, zahlt überhaupt nicht, der Spitzensteuersatz sinkt von 35 auf 25 Prozent. Finanziert wird das Ganze dadurch, dass Trump mittels einer Steuerpräferenz im Ausland geparkte Gewinne von Apple, Google und anderen Konzernen in die USA zurückholen will.

Ganz anders ist das Bild bei Frankreichs Rechtspopulisten. Die Partei Front National hat ein durchgeschriebenes Wahlprogramm, in dem der Berater Florian Phillippot, ein 34 Jahre alter Absolvent der Elite-Universität Ena, sehr präzise aufgeschrieben hat, was die Partei will. Es ist völlig klar: Diese Partei bereitet sich erschreckend professionell auf die Übernahme der Regierung in Paris vor. Das Wirtschaftsprogramm ist ein stark nationalistisch gefärbter Sozialismus.

Marine Le Pen will die französischen Banken teilweise verstaatlichen. Auf alle Importe soll eine Abgabe von drei Prozent erhoben werden. Mit dem Geld will Le Pen niedrige Löhne um 200 Euro im Monat aufstocken. Die Strom- und Gaspreise sollen um drei Prozent gesenkt werden. Das Rentenalter soll auf 60 Jahre festgeschrieben werden. Schließlich strebt sie eine "strategische Partnerschaft" mit Russland an. Der Front National bekam 2014 einen Wahlkampf-Kredit über zehn Millionen Euro von der First Czech Russian Bank, die dem früheren Finanzchef des Gaskonzerns Stroytransgas, Roman Popov, gehört. Popov steht Putin nahe.

Le Pens Programm könnte auch für linke Wähler interessant werden

Und natürlich will der Front National Frankreich aus dem Euro (dem "Trojanischen Pferd der Ultra-Globalisierung", wie es heißt) holen. Der soll zur Parallelwährung werden, während das normale gesetzliche Zahlungsmittel ein neuer Franc wird. Der Franc dürfte auch nicht allzu fest werden, denn die Banque de France soll künftig gezwungen werden, zinslose Kredite direkt an die Regierung zu geben. Damit würde Gelddrucken zur Staatsräson, die Kapitalmärkte würden zurückgedrängt, Inflation wäre kaum zu vermeiden und vielleicht sogar erwünscht.

Die politische Dimension dieser Wirtschafts- und Währungspolitik ist kaum zu überschätzen: Es wäre die Abkehr von der Politik des franc for t, des s tarken Franken, die Frankreich einst in den Euro geführt hat und der die Republik wirtschaftlich auf Augenhöhe mit Deutschland bringen sollte. Der Verzicht darauf wäre auch eine politisch-ökonomische Abwendung von Deutschland. Weil viele Franzosen Sparpolitik und Euro verantwortlich für die Wirtschaftsmisere machen, könnte das Programm auch für viele Wähler der Mitte und der Linken attraktiv sein.

In die Reihe der Populisten gehört auch Bernie Sanders, der sozialistische Senator aus dem US-Bundesstaat Vermont. Sanders ist nicht fremdenfeindlich, er ergeht sich nicht in wüster Hetze gegen Mexikaner und Muslime. Er begeistert vor allem junge Leute, die sich als links empfinden. Aber er steht ganz in der Tradition des alten amerikanischen Populismus aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Zwei Dinge zeigen das: seine radikale Polemik gegen die Wall Street und sein Talent, echte Probleme mit nicht finanzierbaren Rezepten bekämpfen zu wollen. Die alten Populisten um William Jennings Bryan (1860-1925) wollten das Elend der Farmer im Mittleren Westen beheben, indem sie Silbermünzen zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärten und den Goldstandard bekämpften. Hätten sie sich durchgesetzt, wäre eine massive Inflation die Folge gewesen.

Es scheint, als wolle die AfD den Eindruck loswerden, sie sei wirtschaftsliberal

Bernie Sanders gibt für alle sozialen Probleme Amerikas Banken und Börsen die Schuld: "Die Wahrheit ist, dass in den vergangenen 40 Jahren die Wall Street und die Klasse der Milliardäre die Regeln manipuliert haben, um Vermögen und Einkommen zu den Reichsten und Mächtigsten in diesem Land umzuverteilen." Viele seiner Forderungen könnten im Programm jeder sozialdemokratischen Partei in Europa stehen: Kostenloser Zugang zu Colleges, weniger Einfluss für das große Geld auf Wahlkämpfe, höherer Mindestlohn. Was Sanders nur eben nicht liefert, ist ein glaubwürdiges Konzept der Finanzierung (es besteht im wesentlichen aus dem Vorschlag, dass die Reichen zahlen sollen). Sanders bekämpft, ähnlich wie Trump, das Pazifische Freihandelsabkommen TPP, ebenso das transatlantische Abkommen TTIP.

Für Deutschland hängt viel davon ab, wie stark die AfD bei den Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt abschneidet. Es scheint, als ob die Partei den Eindruck loswerden möchte, sie sei wirtschaftsliberal. Marcus Pretzell, Abgeordneter der AfD im EU-Parlament, schreibt auf seiner Webseite: "Eine weitere Ökonomisierung unserer Gesellschaft lehne ich ab. Wir sind keine rein wirtschaftsliberale Partei, schon gar keine, die sich lediglich der Optimierung von Konzernstrukturen verschrieben hat. Wir sind die Partei, die die Sorgen und Bedürfnisse des Mittelstandes ernst nimmt."

Gesellschaftspolitisch rechts, wirtschaftspolitisch links - das ist auch eine Strategie.

© SZ vom 27.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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