Redet zum Beispiel Horst Seehofer vor Unternehmern über die Krise, will er natürlich zeigen, wie bodenständig er ist; also sagt er, dass sein Vater Bauarbeiter war, dessen Grundregel lautete: "Wenn's der Firma gutgeht, geht's mir auch gut."
Beliebter Ort zur Verbreitung von Angst, Schrecken, Panik, Hysterie oder auch nur gewöhnlicher Volksmelancholie: der Saal der Bundespressekonferenz in Berlin mit Wirtschaftsforschern.
(Foto: Foto: dpa)Dabei könnte Seehofer es nun belassen, er müsste die Bemerkung nicht noch ausschmücken, oben am Pult in der Wappenhalle der Münchner Messe. Kommt er nun zum Ende, werden endlich der Schrobenhausener Spargel und das Filet vom Milchkalb serviert. Aber die eine Pointe hier muss noch sein: "Studierten Ökonomen ist diese Grundregel natürlich viel zu einfach!"
Gerhard Schröder wusste schon, an welche Instinkte er appellierte, als er im Wahlkampf vor vier Jahren den Steuerrechtler Paul Kirchhof den "Professor aus Heidelberg" nannte.
Programmierter Lacherfolg mit "Herrn Sinn"
Ein Gewerkschaftsboss, der seine Funktionäre unterhalten will, muss sogar nur "Herr Sinn" sagen. Seine Zuhörer wissen, dass damit Hans-Werner Sinn, der Chef des Münchner Ifo-Instituts, gemeint ist, und sie werden lachen.
Neulich auf der Maikundgebung ging Hubertus Schmoldt von der Chemiegewerkschaft noch einen Schritt weiter und sagte, es sei "unerträglich und lächerlich zugleich, wie diese neunmalklugen Wirtschaftsprofessoren ihre Kaffeesatzlesereien als wissenschaftliche Gutachten verkaufen".
Es hört sich ja auch nicht selten nach Kaffeesatz an. Wie lautete die Wachstumsprognose, die acht Institute noch im vergangenen Oktober abgaben, für das Jahr 2008, das damals nur noch zweieinhalb Monate hatte? 1,8 Prozent sagten die Forscher in ihrem sogenannten Herbstgutachten voraus - am Ende waren es nur 1,3. Dann der Januar.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnete für das gerade begonnene Jahr mit einem Minus von einem Prozent; wer das für viel zu optimistisch hielt und eher einen Rückgang von fünf Prozent erwartete, dem warf Klaus Zimmermann, der Chef, noch im Februar vor, zu übertreiben - bevor er im April dann eine neue Prognose abgab: minus 4,9.
Das Beeindruckende ist dabei, mit welcher Gewissheit die Ökonomen jederzeit auftreten und mal dies, mal das verkünden. Ben Bernanke, der frühere Wirtschaftsprofessor in Princeton und heutige Chef der amerikanischen Notenbank, sagte mal, das Wissen über ökonomische Zusammenhänge sei inzwischen so weit fortgeschritten, dass größere Wirtschaftskrisen ausgeschlossen werden könnten.
Von Missverständnissen geprägt
Hans-Werner Sinn, der Ifo-Chef, antwortete im Oktober 2007 auf die Frage nach einer Bankenkrise: "Ich glaube nicht, dass die Banken das Hauptproblem sind."
Wenn man ihn heute in seinem Münchner Büro besucht und ihm mit dem Herbstgutachten kommt, an dem sein Institut beteiligt war, wer also auf die Diskrepanz zwischen Prognose und Realität hinweist, dem sagt Sinn: "Die Schärfe dieser Krise haben wir nicht vorausgesehen. Der plötzliche Absturz der Weltwirtschaft sprengte jeglichen Rahmen."
Das Verhältnis zwischen Öffentlichkeit und Wirtschaftswissenschaft ist seit langem von Missverständnissen geprägt. Wenn Wissenschaftler eine in eine Zahl gegossene Prognose vorlegen, nimmt ein großer Teil des Publikums diese Zahl wörtlich.
Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum die Wirtschaftsforscher nicht auf die Idee kommen, ihre Methoden zu erklären.