Süddeutsche Zeitung

Wirtschaftspolitik in Frankreich:Warum aggressive Einmischung schadet

Lesezeit: 3 min

Hartnäckig versucht die französische Regierung, in der Entscheidung um den Alstom-Konzern mitzumischen - und übersieht ihre Grenzen. Siemens sollte sich auf so altertümliche Vorstellungen von Unternehmensführung nicht einlassen.

Ein Kommentar von Karl-Heinz Büschemann

Manchmal ist es tröstlich, dass alte Bräuche auch in der modernen Welt noch geachtet werden. Aber längst nicht alles, was in der Vergangenheit als sinnvoll galt, sollte noch immer zur Beglückung der Welt genutzt werden. Dazu gehört die französische Industriepolitik, mit der Paris regelmäßig demonstriert, dass die Politiker dieser großen Nation am besten wissen, was für ihre Wirtschaft gut ist. Was Frankreichs Regierung mithilfe des Siemens-Konzerns plant, ist eine Industriepolitik, die nur noch in Geschichtsbüchern unter der Rubrik historische Irrtümer vorkommen sollte. Sie tut keinem der Beteiligten gut.

Siemens-Chef Joe Kaeser lässt sich gerade vor den Karren der Pariser Regierung spannen, die verhindern will, dass der französische Alstom-Konzern an den US-Rivalen General Electric (GE) verkauft wird. Der Industrieminister in Paris lehnt öffentlich das Übernahmeangebot von GE für Alstom ab und fordert Siemens auf, sich zu beteiligen. Kanzlerin Merkel und der französische Präsident Hollande sprachen bei ihrem Treffen in Rostock nicht nur über die Ukraine und Russland, sondern auch über Siemens und Alstom.

Kaum Konzerne mit Weltgeltung

Dass sich Kaeser für diesen Plan benutzen lässt, hat auch damit zu tun, dass Siemens schon lange an dem Kraftwerks- und Eisenbahn-Konzern interessiert ist, aber nie zum Zuge kam. Kaeser muss sich aber fragen lassen, warum er an den guten Ausgang dieses Abenteuers glaubt.

Der Verkuppelungsversuch der Regierung legt offen, dass sich Frankreich noch immer einer Wirtschaftspolitik verpflichtet fühlt, die selbst Deutschland überwunden hat. Noch immer setzt Paris auf Eingriffe in die Wirtschaft, mit der die Regierung große Konzerne schaffen will, die im nationalen Interesse auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sind.

Das klingt gut. Ein Blick zurück zeigt aber, dass diese jahrzehntelange geübte Praxis nichts gebracht hat. Frankreich hat nur noch wenige Industriekonzerne mit Weltgeltung. Der Autohersteller Peugeot-Citroën, an dem der französische Staat eine Beteiligung hält, ist kein internationaler Champion mehr, sondern inzwischen ein nationaler Katastrophenfall. In Frankreich ist die Arbeitslosigkeit höher als in anderen EU-Ländern. Das Land taugt nicht als Beispiel für gute Wirtschaftspolitik.

Lust am Dirigismus

Doch seine Politiker geben ihre Lust am Dirigismus nicht auf. Gerade hat Industrieminister Arnaud Montebourg erstaunlich deutlich erklärt, was er für richtige Wirtschaftspolitik hält: "den rheinischen Kapitalismus". Der räume den Gewerkschaften, den Gebietskörperschaften und dem Staat den nötigen Einfluss ein. Damit lobt der Minister genau das Mauschelprinzip der deutschen Nachkriegswirtschaft, das regelmäßig zulasten von Kunden und Eigentümern ging und glücklicherweise in diesem Lande fast beseitigt ist. Montebourg sollte sich einmal ansehen, womit der deutsche Energiekonzern RWE in seine jetzige Existenzkrise geraten ist, die Tausende Jobs kosten wird. Es sind die Spätfolgen der fatalen Melange von politischen, gewerkschaftlichen und kommunalen Interessen, die Paris für ein Erfolgsrezept hält.

Paris will bei Alstom mitreden, obwohl der Staat an dem Konzern nur 0,9 Prozent der Anteile hält. Unter anderem, weil der Staat den Konzern vor zehn Jahren vor dem Bankrott gerettet habe. Eine absurdere Begründung für staatliche Übergriffe hat man selten gehört. So kommt es, dass die Regierung den Einstieg von GE bei Alstom ablehnt, den das Management aber will und den auch die Gewerkschaften für richtig halten. Der nicht-französische Betrachter kann nur noch staunen.

Altertümliche Vorstellungen von Unternehmensführung

Es ist nicht verwerflich, wenn sich der Staat in die Wirtschaft einmischt. Er hat eine wichtige Kontrollfunktion. Dennoch muss man die Grenzen der Politiker sehen. Auch die haben eigene Interessen und es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass Minister in Fragen der Wirtschaft mehr Durchblick hätten als Manager. Schon gar nicht lässt sich begründen, dass Politiker mehr Vertrauen verdienen als die Macher der Wirtschaft. Beiden ist zu misstrauen. Beide sollten aber von denen kontrolliert werden, die dafür zuständig sind: Die einen von den Wählern, die anderen von den Aktionären.

Es mag in Frankreich Brauch sein, dass die Regierung gefragt werden will, ob ein Unternehmen Stellen streichen darf. Es mag Pariser Regeln entsprechen, wenn Politiker bestimmen wollen, welcher ausländische Investor als Retter für einen Krisenkonzern genehm wäre. Die Usancen ihrer Politik sind den Franzosen unbenommen. Ein modernes Unternehmen wie Siemens sollte sich auf so altertümliche Vorstellungen von Unternehmensführung aber nicht einlassen.

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Quelle:
SZ vom 12.05.2014
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