Wirtschaftspolitik:Der Staat als Getriebener

In Wahrheit kann die Politik in den schweren Zeiten kaum mehr tun, als zu vermeiden, dass sie die Rezession durch eigene Fehler noch verschärft. Der Rest ist Hoffen.

C. Hulverscheidt

Optimisten zeichnen sich dadurch aus, dass sie auch in dunkelster Nacht einen Lichtschimmer am Horizont wähnen und dass eine Krise für sie immer auch eine Chance bietet. Es ist nur wenige Wochen her, da gab es solche Optimisten in der deutschen Politik noch zuhauf. Natürlich, so lautete etwa die Analyse von Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück, hätten geldgierige Banker auf den Finanzmärkten ein beispielloses Desaster angerichtet, das auch in der realen Wirtschaft Spuren hinterlassen könne. Die Krise habe aber auch ihr Gutes, schließlich verhelfe sie einem Akteur auf der internationalen Bühne zum Comeback, der längst als unflexibel, unfähig und letztlich überflüssig abgeschrieben schien: dem Staat. Er habe sich in diesen wirtschaftlichen Chaostagen als letzter Stabilitätsanker erwiesen.

Wirtschaftspolitik: Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück erwarten für 2009 düstere Perspektiven.

Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück erwarten für 2009 düstere Perspektiven.

(Foto: Foto: dpa)

Die Genugtuung so mancher Regierender in aller Welt ist nur zu verständlich, schließlich wurden sie bis dato von den tolldreisten Investmentbankern in New York, London und Frankfurt bestenfalls belächelt. Und doch ist die Analyse ungeachtet aller Meriten, die sich Merkel und Steinbrück im Krisenmanagement erworben haben, grundfalsch - das Gegenteil ist richtig: In Wahrheit ist der Staat dieser Tage noch weniger Handelnder als er es in normalen Zeiten ist. Er ist ein Getriebener, er agiert nicht, er reagiert.

Käme jemand heute nach drei Monaten der Meditation aus Papua-Neuguinea zurück, was würde er wohl denken? Wäre er beeindruckt, dass es in Deutschland mittlerweile einen Banken-"Schutzschirm" gibt, der beinahe das doppelte Volumen des Bundeshaushalts hat? Wäre er begeistert, dass Regierungen in aller Welt heute Anteilseigner privater Großbanken sind? Wäre er fasziniert, wie schnell die Weltwirtschaft mittlerweile vom Boom in die Rezession abstürzen kann? Oder wäre er einfach nur verwirrt?

Vielen Politikern bleibt angesichts der Geschwindigkeit der Ereignisse kaum Zeit zum Luft holen und zum Nachdenken. So warnten etwa Merkel und Steinbrück noch vor wenigen Wochen vor Konjunkturpessimismus. Deutschland werde, so hieß es, vielleicht mit einem blauen Auge davonkommen. An diesem Wochenende jedoch hat sich die Tonlage gravierend geändert: Seither gehören die Feuerwehrchefin und ihr erster Brandmeister zu denen, die die Bürger unmissverständlich auf schwere Zeiten einstimmen.

Politiker sollten weder Schönfärberei, noch Schwarzmalerei betreiben. Insofern ist Merkel und Steinbrück gar kein Vorwurf zu machen: Sie haben sich lange an die wenigen Zahlen geklammert, die Anlass zur Hoffnung gaben. Mittlerweile aber ist klar, dass die Krise peu à peu alle Wirtschaftsbereiche erreicht, und dass das Bruttoinlandsprodukt 2009 schrumpfen dürfte. Dafür spricht auch eine Untersuchung des Internationalen Währungsfonds, nach der Rezessionen oft besonders schlimm ausfallen, wenn ihre Ursachen im Finanzsektor liegen. Niemand weiß - und wer das Gegenteil behauptet, ist ein Scharlatan -, was das für die derzeitige Lage im Einzelnen heißt. Die Zeichen aber stehen in der Tat auf Sturm.

Diese Erkenntnis dürfte für die Politik auch deshalb schmerzvoll sein, weil sie das Bild vom Staat als Krisengewinnler endgültig als Illusion entlarvt. Keine Regierung der Welt wird gegen eine globale Rezession ansteuern können, die darbende Autoindustrie zeigt das beispielhaft: Wenn die Menschen den Wunsch nach einem neuen Wagen hintanstellen, weil sie um ihren Job fürchten, dann wird sie keine Abwrackprämie und keine Steuersenkung zu einem Meinungswandel animieren können. Der Staat kann die auf Halde produzierten Autos aber auch nicht selber kaufen, und er kann auch ein Unternehmen wie Opel nicht dazu verpflichten, für die Zeit der Krise das Metier zu wechseln und öffentliche Schwimmbäder zu sanieren. In Wahrheit kann die Politik kaum mehr tun, als zu vermeiden, dass sie die Rezession durch eigene Fehler noch verschärft. Der Rest ist Hoffen.

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