Wirtschaftspolitik:Appelle aus dem Bremen des Südens

Zum 70. Jubiläum des Münchner Ifo-Instituts soll Annegret Kramp-Karrenbauer erklären, wie sie sich soziale Marktwirtschaft vorstellt. Sie bietet dazu viele Streusel, aber keinen Kuchen.

Von Alexander Hagelüken

Sie stammt aus dem Saarland, das ist von Annegret Kramp-Karrenbauer bekannt. Doch ihr Bundesland gilt vielen Deutschen als wirtschaftsschwach, quasi ein Bremen des Südens. Daher hat die CDU-Parteichefin auch hier beim 70. Jubiläum des Ifo-Instituts eine Mission: Ein besseres Bild zu vermitteln. Das Saarland, das wüssten wenige, habe den höchsten Anteil von Hauseigentümern in Deutschland. "Noch höher als Baden-Württemberg".

Es bleibt ihre einzige persönliche Bemerkung an diesem Donnerstag in der Großen Aula der Uni München. Vielleicht hat das damit zu tun, dass jemand an der CDU-Spitze mutmaßlich Respekt davor hat, eine Grundsatzrede zur sozialen Marktwirtschaft zu halten. Ludwig Erhards Parole "Wohlstand für Alle" stellt noch immer das Maß vieler Dinge für einen Unions-Politiker dar. Zumal, wenn er unter Druck steht wie AKK, sich zu profilieren.

Die neue Parteichefin hängt die Latte gleich mal hoch: "Ob die soziale Marktwirtschaft erfolgreich bleibt, ist vielleicht die entscheidende Frage der Zeit", ruft sie den Zuhörern zu. So eine Ankündigung weckt natürlich Neugier, wie die potenzielle Kanzlerkandidatin der noch größten deutschen Partei die Marktwirtschaft erfolgreich halten will. Vielleicht mit mehr Wirtschaftswachstum, bei dem Deutschland laut Ifo-Chef Clemens Fuest seit der Jahrtausendwende hinter die USA oder Großbritannien zurückfällt? AKK hat dazu einzelne Streusel zu bieten, aber keinen Kuchen. Deutschland soll sich nicht aus der Biotechnologie zurückziehen. Entscheidend sei die Balance von Dynamik und Risiko. Bei der Digitalisierung gelte es, manches nur zu 80 Prozent zu regulieren und das Restrisiko hinzunehmen. Deutsche Gründer sagten ihr, sie wollten statt chinesischem Kapital lieber europäisches, fänden aber keines. Was daraus folgen sollte, erfahren die Zuhörer nicht.

Und was ist mit der Steuerpolitik? Die Ökonomen und Unternehmer, die da Handlungsbedarf sehen, hören von der CDU-Chefin Verständnis. "Eine wachsende Gruppe fragt sich, ob sich Leistung noch lohnt. Das führt zu einer Erosion des Vertrauens in die Marktwirtschaft". Sie zählt die kalte Progression auf, Firmensteuern und Innovationen, die sich erleichtern ließen. Dann spricht sie von Entlastung - ohne ins Risiko zu gehen, etwas Konkretes vorzuschlagen.

Angesichts der innenpolitischen Streusel fällt auf, wie ausführlich sich Kramp-Karrenbauer mit dem Ausland beschäftigt. Sie nennt China eine systemische Herausforderung. Anders als im Kalten Krieg die Sowjetunion sei nun mit China "zum ersten Mal ein System wirtschaftlich erfolgreich, dass unseren Vorstellungen von Demokratie und Menschenrechten widerspricht". Die unverhohlene Bewunderung mancher Unternehmer für China sieht sie kritisch. Die Antwort auf die systemische Herausforderung aus Fernost muss aus ihrer Sicht vor allem europäisch ausfallen. Auch in Handelsgesprächen mit den USA sei das schärfste Schwert "eine gemeinsame Position der EU". Wer mag da widersprechen? Aber auch: Wen überrascht das?

Überraschender ist da schon, als Kramp-Karrenbauer soziale Töne anschlägt. Manche vermuten ja, sie wolle die CDU konservativer machen. Nun aber spricht sie anhand eines Beispiels aus dem Saarland über jüngere Deutsche, denen nicht nur materieller Aufstieg wichtig sei, sondern auch Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das sind die eher leidenschaftlichen Momente einer Rede, die sonst arg ruhig in viele Rinnsale zerfällt. Entscheidend wäre wohl auch in diesem Fall die Balance von Dynamik und Risiko gewesen.

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