Wirtschafts-Nobelpreis:Nobels späte Erben
Ein amerikanisch-britisches Forschertrio gewinnt den Wirtschafts-Nobelpreis. In ihrer erst 42-jährigen Geschichte ging die Auszeichnung an viele Amerikaner, aber nur an einen Deutschen und an eine Frau. Ein Überblick in Bildern.
Zwei Forscher aus den USA erhalten den Wirtschaftsnobelpreis: Ausgezeichnet wurden die Ökonomen Christopher Sims und Thomas Sargent. Zusammenhänge zwischen Politik und Wirtschaft sind ihr Thema: Sie haben den Einfluss politischer Entscheidungen auf Phänomene wie Inflation oder Arbeitslosigkeit erforscht. Erst seit 1969 gibt es die Auszeichnung. Zu den Preisträgern zählen viele Amerikaner, aber nur ein Deutscher, nur eine Frau und ein Forscher, dessen Name für die Prägemünze zu lang war. Einige interessante Beispiele in Bildern. Mit 68 Jahren Verspätung kamen die Wirtschaftswissenschaftler zu ihrer Nobelpreis-Ehre, wenn auch nicht zu einer hundertprozentigen. Denn anders als die Auszeichnungen für Physik, Chemie, Medizin, Literatur und Friedensbemühungen ging der Wirtschaftsnobelpreis nicht auf den schwedischen Preisgründer Alfred Nobel zurück, sondern auf eine Stiftung der Schwedischen Reichsbank, die 1968 ihr 300-jähriges Jubiläum feierte. Entsprechend lautet der offizielle Bandwurm-Titel auch "Preis für Wirtschaftswissenschaften der schwedischen Reichsbank in Gedenken an Alfred Nobel". Die ersten Wissenschaftler, die ihn erhielten, waren Ragnar A. K. Frisch (Norwegen) und Jan Tinbergen (Niederlande, im Bild links, mit Schwedens König Gustav Adolf VI.), die sich mit der "Entwicklung und Anwendung dynamischer Modelle zur Analyse von Wirtschaftsprozessen" beschäftigt hatten. Tinbergerns Bruder Nikolaas erhielt vier Jahre später den Medizinnobelpreis. Texte: Johannes Aumüller
Seit dem Ende des 20. Jahrhundert revolutionierte die "Österreichische Schule" die Wirtschaftswissenschaften, und hätte es den Wirtschaftsnobelpreis so wie den Literaturnobelpreis schon 1901 gegeben - wahrscheinlich wäre er dem Schulenbegründer Carl Menger oder seinem wissenschaftlichen Erben Eugen Böhm Ritter von Bawerk gewiss gewesen. Erst der Vertreter der sogenannten vierten Generation der "Österreichischen Schule", Friedrich Hayek, konnte 1974 den Preis in Empfang nehmen - gemeinsam mit dem Schweden Gunnar Myrdal. Die offizielle Begründung: "Für ihre bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der Geld- und Konjunkturtheorie und ihre tiefgründigen Analysen der wechselseitigen Abhängigkeit von wirtschaftlichen, sozialen und institutionellen Verhältnissen."
Dass 1975 die Vergabe des Nobelpreises an zwei Wissenschaftler "für ihren Beitrag zur Theorie der optimalen Ressourcen-Verwendung" besonders war, lag vor allem am Herkunftsland des einen Preisträgers: Denn Leonid Witaljewitsch Kantorowitsch kam aus der Sowjetunion und war damit der erste und bis heute einzige Wirtschaftsnobelpreisträger des Landes, das sich gemeinhin zwar vieler naturwissenschaftlicher, jedoch deutlich weniger wirtschaftswissenschaftlicher Kenntnisse rühmt. Die Präger der Nobelpreismedaille stellte er übrigens vor ein ungewohntes Problem, weil sein Name so lang war und für den Aufdruck der Zeichenabstand verringert werden musste. Manche Russen reklamieren übrigens noch einen zweiten Wirtschaftsnobelpreis für sich: den für Simon Kuznets aus dem Jahr 1971, denn Kuznets wurde 1901 in Pinsk geboren - doch sein Studenten-, Forscher- und Professorenleben verbrachte er in den USA.
Wirtschafts-Nobelpreis
Milton Friedman
Für Lawrence Summers, den erst kürzlich zurückgetretenen Wirtschaftsberater des US-Präsidenten Barack Obama, ist der Fall klar: "Wenn John Maynard Keynes der einflussreichste Ökonom der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war, dann war Milton Friedman der einflussreichste Ökonom der zweiten Hälfte." Friedman, 1976 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet, zählt (sich) zu den klassischen Liberalen. Er publizierte grundlegende Arbeiten auf diversen Gebieten der Wirtschaftswissenschaften, wandte sich aber nicht nur ans akademische Fachpublikum, sondern auch an die normalen Bürger - zum Beispiel über seine Fernsehserie "Free to Choose".
Zu den insgesamt 66 Preisträgern (in der Regel erhalten jedes Jahr zwei oder gar drei Wissenschaftler die seit 1969 verliehene Auszeichnung) zählt auch ein Deutscher. Im Jahr 1994 erhielt Reinhard Selten zusammen mit John Harsanyi und John Forbes Nash Jr. für die "grundlegende Analyse des Gleichgewichts in nicht-kooperativer Spieltheorie" den Wirtschaftsnobelpreis. Außer dem Gleichgewicht in nicht-kooperativer Spieltheorie hat Selten noch ein zweites Leib- und Magenthema: die Kunstsprache Esperanto. Selten parliert seit Jugendjahren in Esperanto, auch mit seiner Frau, und 2009 kandidierte er bei der Europawahl für die Liste Europa - Demokratie - Esperanto (EDE).
Im Prinzip ist der Wirtschaftsnobelpreis eine angelsächsische Veranstaltung. 46 Mal waren die Preisträger aus den USA, neun Mal aus Großbritannien. Doch ab und an bekommen auch Forscher aus anderen Ländern die Auszeichnung - wie der Franzose Maurice Allais (1988), der Deutsche Reinhard Selten (1994) oder der Inder Amartya Sen (1998, im Bild). Sen forschte und forscht vor allem zur Wohlfahrtsökonomie, zur Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung und zum Lebensstandard und ist heute einer der meist beachteten Ökonomen. Auf seiner Idee fußt zum Beispiel der Human Development Index (HDI) der UN.
Als Paul Krugman 2008 den Nobelpreis bekam, war Milton Friedman schon zwei Jahre tot. Und dennoch gibt es eine enge Beziehung zwischen den beiden amerikanischen Ökonomen. Krugman, der Begründer der "neuen ökonomischen Geographie", gelang es wie Friedman, über spezielle Fachkreise hinaus bekannt zu werden - unter anderem durch seine wöchentlichen Kolumnen in der New York Times. Und in den Fachkreisen wiederum zettelte Krugman 2007 eine besondere Debatte an, als er den Essay "Who Was Milton Friedman?" veröffentlichte, in dem er sich kritisch mit Friedmans wissenschaftlichem Erbe beschäftigte.
Wenn zwei oder drei Wissenschaftler in einem Jahr den Preis erhalten, liegt das in der Regel daran, dass sie sich mit demselben Thema auseinander setzen. Im Jahr 2009 war das anders: Da bekam Elinor Ostrom (im Bild) den Preis für ihre "Analyse ökonomischen Handelns im Bereich Gemeinschaftsgüter", Oliver E. Williamson für seine "Analyse ökonomischen Handelns im firmeninternen Bereich". Was sie aber verbindet, ist die Tatsache, dass sie beide zu den Vertretern der Institutionen- und Ordnungsökonomie zählen, die in den Jahren davor kaum berücksichtigt worden war, als die Preise stets an Ökonomen aus dem mathematisch orientierten Lager ging. Doch noch entscheidender war eine andere Premiere: Ostrom war die erste Frau, die den Wirtschaftsnobelpreis bekommen hatte.