Süddeutsche Zeitung

Wirtschaftskrise setzt Berlusconi zu:Knapp bei Kasse

Sein Regierungsamt ist weg, die satten Gewinne sind es auch. Silvio Berlusconi lernt sparen. Der ehemalige Ministerpräsident gibt weniger Geld für die Partei und den AC Mailand aus. Selbst sein einst allmächtiges Fernsehimperium schwächelt.

Ulrike Sauer, Rom

Erst musste der Fußballverein AC Mailand auf seine Stars Zlatan Ibrahimovic und Thiago Silva verzichten. Klub-Präsident Silvio Berlusconi verhökerte die Spieler für 65 Millionen Euro an Paris Saint Germain. Er lenkte damit eine Wende ein: Vorbei die Zeiten der millionenschweren Einkäufe. Jetzt müsse man selbst Talente entdecken, kündigte der Multi-Milliardär den strengen Sparkurs bei Milan Channel an. Er könne sich die Riesensummen einfach nicht mehr leisten. "Meine Familie hat jährlich 50 Millionen Euro in den Fußball gesteckt. Heute wäre das für uns nicht mehr möglich", bekannte der im vergangenen November gestürzte viermalige italienische Ministerpräsident. Er ist nun knapp bei Kasse.

Dann kam die Partei dran. Feiertagszuschläge und Überstunden für die 90 Angestellten des Popolo della Libertà (PDL) im römischen Hauptquartier wurden gestrichen. Damit nicht genug. Berlusconis Partei schickt sich an, ihren Hauptsitz in einem ehrwürdigen Palazzo hinterm Trevi-Brunnen mit einer großzügigen Bürofläche von 5000 Quadratmetern zu räumen.

Eine endgültige Entscheidung sei noch nicht gefallen, sagt der stellvertretende PDL-Kassenwart Maurizio Bianconi. Aber man werde sich wohl nach bescheideneren 2000 Quadratmetern umschauen. Bianconi spricht von einer "verzweifelten Lage". Schuld sei die vor wenigen Wochen beschlossene Halbierung der Parteienfinanzierung im spareifrigen Italien des Übergangspremiers Mario Monti. Berlusconi aber ist nicht mehr gewillt, die Löcher zu stopfen. "Er hat uns schon wissen lassen, dass es in Richtung AC Mailand gehen wird", sagt der Parteimann.

Egal ob die Fußball-Kicker oder die Partei - man hat eben über die Verhältnisse gelebt. Bei der PDL tritt das sehr deutlich zutage, weil ihrer Popularität bei den Italienern laut Meinungsumfragen von 37 Prozent auf unter 20 Prozent gestürzt ist. So lernt Berlusconi, der aus dem Prassen sein persönliches Statussymbol gemacht hatte, im Alter von 75 Jahren das Sparen.

Doch das ist alles nichts im Vergleich zu den Kriseneinschlägen im Herzen des Berlusconismus. Mediaset, das Fernsehimperium des Mailänder Magnaten, erlitt im ersten Halbjahr einen Gewinnrückgang um 73 Prozent. Der Umsatz der Mediaset-Sender in Italien und Spanien verringerte sich leicht auf knapp zwei Milliarden Euro. Der TV-Konzern kämpft mit Problemen, die er in seiner 34-jährigen Geschichte noch nie gekannt hat.

Verursacht hat den Gewinnsturz bei Mediaset der brüske Rückgang der Werbeerlöse. Sie fielen zwischen Januar und Juni um 12 Prozent. Inzwischen hat sich die Lage weiter verschlechtert. Im Juli brachen die Einnahmen um 20 Prozent ein, teilte das Unternehmen mit. Der negative Trend werde sich wohl auch im August fortsetzen.

In einem Jahr büßte der Aktienkurs 56 Prozent ein. Nach den Halbjahresergebnisse setzen die Analysten ihre Kursziele für Mediaset weiter nach unten. "Der Kurs wird mindestens bis zur Vorlage der nächsten Quartalsergebnisse unter Druck bleiben", mutmaßt man bei der Mediobanca.

Die harte Landung des Medienunternehmers Berlusconi nach seinem Rausschmiss aus dem Regierungsamt war durchaus zu erwarten. All die Jahre im Palazzo Chigi hatte Berlusconi seine politische Tätigkeit unverhohlen auch nach den eigenen geschäftlichen Interessen ausgerichtet. Sogar die Geschicke seines dauerkriselnden Hauptkonkurrenten, des Staatssenders RAI, beeinflusste er massiv.

Mediaset profitierte insbesondere von der Vorzugsbehandlung durch Italiens Industrielle. Die Firmen huldigten dem Regierungschef mit Werbespots auf den Berlusconi-Sendern Canale 5, Retequattro und Italia 1 sowie dem Bezahlsender Mediaset Premium. Unternehmen schichteten ihre Werbeetats zu Lasten der RAI und der Presse um. Nun ist Berlusconi abgeschrieben - er kann nichts mehr bewegen.

So kam es, wie es kommen musste. Erstmals seit 2001 ist der TV-Konzern Mediaset nicht gegen den Abschwung immun. Berlusconis Manager müssen jetzt tun, was der Konzerneigner als italienischer Staatsmann immer vernachlässigt hat: Schulden abbauen und Kosten drücken.

Für Großaktionär Berlusconi sind die Zeiten üppiger Dividenden vorbei. Schon 2011 schüttete Mediaset nur 10 Cent pro Aktie aus. Insgesamt ist die Beteiligung am Fernsehkonzern - die Familienholding Fininvest kontrolliert 39 Prozent von Mediaset - gerade einmal 600 Millionen Euro wert. Immerhin hat das neue Austeritätsklima auch sein Gutes für den eitlen Berlusconi. Endlich hat es mit seiner Diät geklappt. In Joggingmontur führte er vor wenigen Wochen eine abgespeckte Silhouette beim Fototermin am Kolosseum vor.

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SZ vom 04.08.2012
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