Wirtschaftskriminalität:Star-Banker ins Gefängnis

Traders Appear In Court Over Alleged Manipulation To The Euro Interbank Offered Rate (Euribor)

Christian Bittar wurde in London zu fast fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt, ein Mitangeklagter zu acht Jahren.

(Foto: Jason Alden/Bloomberg/Getty)

Christian Bittar war einst Top-Verdiener bei der Deutschen Bank. Wegen Zins­manipu­lationen soll er lange in Haft. Ein früherer Freund entzieht sich der Justiz.

Von Björn Finke, London

Vom Star-Händler zum Häftling: Das Gericht Southwark Crown Court in London verurteilte am Donnerstag Christian Bittar zu fünf Jahren und vier Monaten Gefängnis. Außerdem muss er 3,7 Millionen Euro zahlen. Der Franzose war einst bestdotierter Händler bei der Deutschen Bank; das Institut sprach ihm für seine Spekulationsgeschäfte im Krisenjahr 2008 den Rekordbonus von 80 Millionen Euro zu. Doch bei seinem Erfolg halfen miese Tricks. Die Ankläger warfen ihm und fünf anderen Bankern vor, von 2005 bis 2009 den wichtigen Zinssatz Euribor manipuliert zu haben. Das ist gemeinschaftlicher Betrug. Bittar galt als Drahtzieher, er bekannte sich schuldig und sitzt bereits seit Frühjahr in Untersuchungshaft. Nach Verbüßen der Hälfte der Strafe kann er auf Bewährung entlassen werden.

Ein alter Freund Bittars muss noch länger ins Gefängnis - wenn die Justiz seiner habhaft wird: Philippe Moryoussef, ebenfalls Franzose, wurde in Abwesenheit zu acht Jahren verurteilt. Er war wie Bittar ein Star der Branche in London, arbeitete aber beim Rivalen Barclays. Im Februar 2017 plädierten Bittar, Moryoussef und die anderen Angeklagten bei einer Anhörung vor Gericht auf unschuldig. Als Bittar sich ein Jahr später plötzlich schuldig bekannte, entschied Moryoussef, dem Prozess fernzubleiben. Er lebt in Frankreich und ließ sich auch nicht von einem Anwalt vertreten. Das Verfahren begann im April. Die Geschworenen befanden Moryoussef vor drei Wochen für schuldig. Jetzt verkündete Richter Michael Gledhill das Strafmaß.

Ein anderer Angeklagter ist Manager der Deutschen Bank in Frankfurt. Der Deutsche wurde freigesprochen. Bei den übrigen drei Angeklagten, früheren Angestellten der Bank Barclays, konnten sich die Geschworenen nicht einigen. Das Serious Fraud Office, die Behörde für Fälle schwerer Wirtschaftskriminalität, verkündete, ein neues Verfahren gegen das Trio anzustrengen. Das beginnt im Januar.

Die Ankläger wollten fünf weitere Banker vor Gericht stellen: vier Deutsche, die einst für die Deutsche Bank tätig waren, und einen Franzosen. Sie erschienen Anfang 2016 nicht einmal zu den ersten Anhörungen vor dem Prozess. Auslieferungsanträge der Briten hatten keinen Erfolg; das Oberlandesgericht in Frankfurt entschied, die Deutschen müssten nicht überstellt werden, weil ihre Taten nach hiesigem Recht verjährt seien. Da sich die Fünf anders als Moryoussef von Anfang an nicht am Verfahren beteiligten, wurde gegen sie auch nicht in Abwesenheit verhandelt.

Euribor ist wie Libor ein sogenannter Referenz-Zinssatz. An diesen täglich ermittelten Werten orientieren sich Kredite und Wertpapiere im Volumen von Hunderten Billionen Dollar. Nach Ausbruch der Finanzkrise gingen Aufseher dem Verdacht nach, dass Banken die Sätze zu ihrem Vorteil gedreht haben. Die Konzerne zahlten gut neun Milliarden Dollar an Strafen. 2015 wurde der erste Händler wegen Libor-Manipulationen verurteilt. Das Verfahren gegen Bittar und Moryoussef war das erste, das sich mit dem Euribor beschäftigte.

Moryoussefs Anwälte in Paris kündigten schon vor dem Urteil an, durch alle Instanzen zu gehen, bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Das wird Jahre dauern, und währenddessen kann Moryoussef unbehelligt in Frankreich leben. In einem Interview sagte der 50-Jährige, was er getan habe, sei nach damaligem Recht "legitim, legal" und "in der gesamten Bankenbranche seit mehr als zwei Jahrzehnten üblich" gewesen. Im Verfahren schoben Ankläger und Angeklagte reichlich Schuld auf Moryoussef. Da der sich nicht verteidigen ließ, blieben die Vorwürfe unbeantwortet. Doch Moryoussef ist weiter ein freier Mann - anders als sein früherer Freund Bittar.

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