Wirtschaftskriminalität:Anwalt mit Pistole

Im Prozess gegen den Millionenerben Alexander Falk werden ungewöhnliche Vorgänge zur Sprache kommen. Nach einem Anschlag, hinter dem Falk stecken soll, bekam ein Jurist Polizeischutz, Schießtraining und Waffe.

Von Klaus Ott, Frankfurt

Schießtraining, Pistole, Polizeischutz; all das sollte ein Rechtsanwalt in Deutschland eigentlich nicht nötig haben. In einem Rechtsstaat, in dem Anwälte ungehindert und frei arbeiten können. All das aber war für den Juristen R. aus der Kanzlei Clifford Chance notwendig, nachdem sein Kollege J. am Morgen des 8. Februar 2010 in Frankfurt niedergeschossen worden war. Die beiden Anwälte hatten den Fall Falk bearbeitet. Alexander Falk, ein Hamburger Millionenerbe, war 2008 wegen versuchten Betrugs verurteilt worden. Clifford Chance kümmerte sich um jene, die Ansprüche gegen den schillernden Millionär geltend machten; die beiden Juristen waren Falks Gegenspieler. Es ging um Forderungen von mehr als 200 Millionen Euro. Und dann war da plötzlich der Anschlag auf J., dem ein bisher unbekannter Täter in den linken Oberschenkel schoss.

Die Kanzlei Clifford Chance empfand das als Warnschuss, die Kriminalpolizei ebenfalls. J. wurde noch im Krankenhaus unter Polizeischutz gestellt. Sein Kollege R. bekam ebenfalls umfassenden Schutz, inklusive Schießübungen und Pistole, eine Walther PPS, 9 Millimeter. Eine Waffe, die wegen ihres flachen Magazins nicht allzu sehr auffällt. Zur Sprache kommen wird das alles von Mittwoch an beim Landgericht Frankfurt in einem Prozess gegen Falk, der seit einem Jahr in Untersuchungshaft sitzt. Falk, der früher schon mal lange im Gefängnis war und sich dort mit einem Kriminellen angefreundet hatte, wird der versuchten Anstiftung zum Mord aus Habgier sowie der Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung verdächtigt.

Ein Kronzeuge, der ebenfalls unter Verdacht steht, soll eine hohe Belohnung erhalten haben

Der prominente Angeklagte hatte von seinem Vater den bekannten Stadtplan-Verlag Falk geerbt und dann teuer verkauft. Er steckte das Geld in Internetfirmen, verkaufte auch dort wieder und hatte dann mächtig Ärger wegen Betrugsvorwürfen. Und er soll hinter dem Anschlag auf J. stecken. Falk und sein Verteidiger Björn Gercke bestreiten das. Gercke hat dem Gericht jetzt ein Gutachten vorlegt, das seinen Mandanten entlasten soll. Einer der Hauptbeweise in der Anklage der Frankfurter Staatsanwaltschaft, eine Tonaufnahme mit Äußerungen von Falk über den Anschlag auf den Anwalt, soll demnach an mindestens zwei Stellen "eindeutig" manipuliert worden sein. Auf dem Audiomitschnitt ist zu hören, wie der Millionenerbe über den Schuss ins Bein jubelt. Das sei sehr geil, das sei genau das richtige Signal gewesen. In der Aufnahme äußert sich Falk auch sehr abfällig über R., den anderen Anwalt aus der Kanzlei Clifford Chance. Es gebe diesen zweiten Typen noch.

Der etwa acht Minuten lange, möglicherweise manipulierte Mitschnitt gibt auszugsweise ein Gespräch wieder, das Falk vier Monate nach dem Anschlag in Istanbul geführt hat. Im Kreise teils dubioser Figuren, mit denen sich Falk ausgehend von seiner ersten Zeit im Gefängnis nach und nach eingelassen hat. Die Audiodatei soll laut Verteidigung dazu gedient haben, Falk damit zu erpressen. Später landete der Mitschnitt über einen Kronzeugen, der eine zweifelhafte Rolle spielt, bei der Polizei und trug zu Falks Verhaftung und zu der Anklage gegen ihn bei. Aus Sicht der Ankläger belastet der Mitschnitt den Millionenerben. Aus Sicht der Verteidigung ist dem nicht so, weil auf der Aufnahme gerade nicht von einem Mordauftrag die Rede sei. Zu hören ist jedenfalls, wie Falk den Anschlag auf den Anwalt J. bejubelt und sich über dessen Kollegen R. auslässt.

Polizei-Schießstand

Antreten zum Schießtraining: Bei der Polizei ist das Alltag, für Anwälte die große Ausnahme - zumindest hierzulande.

(Foto: Rainer Jensen/dpa)

Für beide Juristen hatte sich das Leben damals gravierend geändert. Für J. sowieso, mit Krankenhaus und Operation, aber auch für R. Letzterer hatte von da an Polizisten im Hause und wurde mit gepanzerten Autos in die Arbeit, zu Terminen und anderswohin gefahren. R. stand monatelang unter Polizeischutz. Und er lernte auf zwei Schießständen der Polizei den Umgang mit der Waffe. Mit der Walther PPS, für die er einen Waffenschein erhielt und die er jahrelang mit sich führte, möglichst unauffällig, verdeckt am Gürtel.

Aber ein Mal, so wird das in Juristenkreisen erzählt, soll das doch aufgefallen sein. In einer U-Bahn, in der sich R. an einer Schlaufe oben festgehalten habe, so dass das Hemd hochgerutscht und die Pistole zu sehen gewesen sei. Die Leute sollen R. komisch angeschaut haben. Der Anwalt R. will ebensowenig wie sein Kollege J. über den Fall sprechen; beide wollen auch nicht namentlich genannt werden. Die Kanzlei Clifford Chance äußert sich nur allgemein. Man sei erleichtert über den Beginn des Prozesses "zur Aufklärung des Anschlags". Das sei nicht nur ein "rücksichtsloser Gewaltakt" gewesen, sondern auch der kriminelle Versuch, "unsere angemessene anwaltliche Interessenvertretung für einen Mandanten zu vereiteln". Es gehe immerhin um die Wahrung des Rechtsstaats.

Der damals angeschossene Anwalt J. hat längst die Kanzlei gewechselt, nicht des Anschlags wegen. Sein neuer Arbeitgeber will öffentlich nicht genannt werden. Beide Kanzleien, die alte und die neue von J., hatten insgesamt 100 000 Euro Belohnung für Hinweise ausgesetzt, die zur Aufklärung des Verbrechens beitragen würden. Inzwischen soll das Geld geflossen sein, an den Kronzeugen der Behörden. Das ist ein gewisser E., ein laut Falks Verteidiger mehrfach vorbestrafter Türke, der zusammen mit ebenfalls kriminellen Landsleuten in die ganze Sache verstrickt sein soll. Nach Angaben von Falks Anwalt Gercke soll dieser E. erst versucht haben, den Hamburger Millionenerben mit dem Audiomitschnitt zu erpressen. Was aber nicht gelungen sei. Weil es da laut Gercke nichts zum Erpressen gegeben habe.

Alexander Falk

Alexander Falk, 50, Erbe des gleichnamigen Stadtplan-Verlags, ist einer der schillerndsten Unternehmer in Deutschland. Er hat den Verlag früh verkauft und dann in Internetfirmen investiert. Und er hat viel Ärger mit der Justiz.

(Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Etliche Jahre nach dem Anschlag meldete sich dann E. plötzlich beim Hamburger Landeskriminalamt und belastete Falk schwer. Mit einer Aussage über einen angeblichen Mordauftrag, erteilt von Falk im Jahr 2009 bei einem Treffen in einem Hamburger Steakrestaurant. Das habe dann zu dem Anschlag auf den Anwalt J. im Jahr 2010 geführt. Diese Aussage und die von E. der Kriminalpolizei überreichte Audioaufnahme führten dazu, dass die bis dahin ergebnislosen Ermittlungen der Frankfurter Staatsanwaltschaft wieder in Fahrt kamen und Falk im Gefängnis landete. Doch wie glaubwürdig ist dieser E., und soll so jemand 100 000 Euro bekommen für eine Tat, an der er selbst beteiligt gewesen sein könnte? In den Ermittlungsunterlagen finden sich Angaben eines Landsmanns von E., wonach dieser mit seinen Leuten den Anschlag auf den Anwalt J. durchgeführt habe. Schon vor diesen Angaben hatte die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen E. wegen des Verdachts der Beihilfe zum versuchten Mord und der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung eingeleitet.

Der aus der Unterwelt stammende E. könnte sogar doppelt kassiert haben. Zusammen mit mutmaßlichen Spießgesellen für den angeblichen Mordauftrag, der Falk 200 000 Euro wert gewesen sei, was der Hamburger Millionenerbe alles bestreitet. Und dann 100 000 Euro Belohnung als Kronzeuge. Das wirkt einerseits grotesk. Andererseits lehrt die Erfahrung: Wer Verbrechen aufklären will, zu dem sich ein Kreis von Kriminellen verschworen hat, muss jemand aus diesem Kreise herausbrechen. Ob die Aussage von E. zutrifft, oder ob E. nur des Geldes wegen Falk belastet, das müssen die Richter herausfinden.

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