Wirtschaftskraft der Regionen:Triumph der Autostädte

Wolfsburg aus der Luft

Wolfsburg aus der Luft: schaut ja dynamisch aus

(Foto: dpa)

Starke Standorte im Süden, doch ein großer Teil des Ostens stagniert neuerdings - das Institut der deutschen Wirtschaft hat deutsche Regionen miteinander verglichen. Mit teils überraschenden Ergebnissen.

Von Charlotte Dietz

In Deutschland unterscheidet sich die Wirtschaftskraft in den einzelnen Regionen deutlich. Woran liegt das? Was machen die einen gut, die anderen schlecht? Einen Königsweg zum Erfolg gibt es nicht, Regionen punkten mit ganz unterschiedlichen Vorgehensweisen.

Ein Beispiel ist Wolfsburg. Ein einzelner Konzern beschert der ganzen Stadt Erfolg. Die Zahl der Arbeitsplätze ist dort seit 2007 um fast 30 Prozent gestiegen. Das war nicht immer so: Noch in den Neunzigerjahren machten die Krisen des Autoherstellers auch der Stadt zu schaffen. Nun aber bescheren die üppigen Gewinne des Konzerns der Stadt hohe Einnahmen und den Wolfsburgern hohe Einkommen. Zusätzlich sponsert der Konzern viele Angebote, die die Stadt attraktiv und erfolgreich machen: etwa eine eigene Fußballarena, eine Weiterbildungsuni für Mitarbeiter und eine Leichtbau-Forschungsfabrik.

Einmal im Jahr veröffentlicht das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft Köln (IW) seine Studie "Regionen im Wettbewerb", gut 400 Regionen wurden dazu in Deutschland analysiert. "Der Vergleich zeigt den Regionen, wo sie stehen und wie sie sich bisher entwickelt haben, um sich weiterentwickeln zu können", erläutert Mitautor Hanno Kempermann.

Ein anderes Beispiel ist Magdeburg. Zu DDR-Zeiten war die Stadt eine Hochburg des Schwermaschinenbaus, nach der Wende fielen Tausende Stellen weg. Mittlerweile sind wieder rund 10 000 Menschen im Maschinenbau beschäftigt. Der Hersteller von Windenergieanlagen Enercon gehört zu den größten Arbeitgebern. Auch wissenschaftlich macht Magdeburg Fortschritte: Ein neuer Forschungscampus soll innovative Heilmethoden etwa für Krebs- oder neurologische Erkrankungen entwickeln.

Und dann ist da Berlin. Die "Arm aber sexy"-Metropole arbeitet mit gezielten Kampagnen daran, bei Touristen beliebter zu werden. Offenbar mit Erfolg: Die Stadt gehörte 2012 zu den Top-3-Reisezielen Europas. Allein die Zahl der Fluggäste stieg von 10,8 Millionen Passagieren 1996 auf 25,2 Millionen.

Zwei Rankings messen den Erfolg einer Region

Um Erfolg oder Misserfolg zu erklären, erstellt das IW zwei Ranglisten. Das Niveauranking zeigt, wie eine Region absolut abschneidet. Das Dynamikranking hingegen wertet die Entwicklung einer Region seit 2007 aus.

Drei Bereiche analysiert das Institut dazu: Wirtschaftsstruktur, Arbeitsmarkt und Lebensqualität. Konkret untersucht es dann zum Beispiel, wie stark die Industrie vor Ort ist, wie viele Arbeitsplätze es gibt oder wie hoch die Ärztedichte ist.

Niveauranking: In absoluten Zahlen liegt der Süden vorne

Beim Niveauvergleich schneiden Regionen in Bayern und Baden-Württemberg besonders gut ab. Immerhin 88 der 100 erfolgreichsten Regionen liegen in diesen beiden Bundesländern. Auf dem ersten Platz landet der Landkreis München. Zum Erfolg der südlichen Regionen tragen vor allem die starken Industrie und hohe Steuereinnahmen bei.

Eher düster sieht es im Osten und im Ruhrgebiet aus. Schlusslicht im Ranking ist der Landkreis Anhalt-Bitterfeld in Sachsen-Anhalt. Auch Gelsenkirchen landet unter den 20 schwächsten Regionen. "Das Ruhrgebiet hat sich immer noch nicht vom Strukturwandel erholt" sagt Kempermann. Leider würden sich dort viele Regionen nicht um Kooperationen mit anderen Gebieten bemühen - etwa um Gründer anzulocken und attraktiver im Wettbewerb mit den großen Metropolen zu werden.

Dynamikranking: Der Osten fällt zurück

Interessanter ist noch, wie sich die Regionen seit 2007 verändert haben. Eine besonders gute Entwicklung bescheinigt das IW den Städten Wolfsburg, Ingolstadt und Kassel - sie belegen beim Dynamikranking die ersten drei Ränge.

Schlecht schneiden hier wiederum Regionen im Osten ab. Zu den zehn schwächsten Regionen gehören unter anderem Nordsachsen, Gera im Osten Thüringens und der Kreis Anhalt-Bitterfeld, der beim Niveauranking am schlechtesten abschneidet. Unter den 50 dynamischsten Regionen finden sich nur zehn aus östlichen Bundesländern - vorwiegend in Gegenden rund um Berlin, die vom anhaltenden Boom der Hauptstadt profitieren.

"Im Osten muss man schauen, wie man den Erfolgsmotor wieder anschmeißen kann", sagt Kempermann. Vor allem fehle es dort an Innovationskraft. "Wir beobachten, dass sehr wenige Patente in diesen Regionen angemeldet werden", sagt Kempermann. Zudem sei die Zahl der Schulabbrecher sehr hoch. "Da fehlen in Zukunft dann die Fachkräfte."

Was kann eine schwache Region tun? Das Institut empfiehlt Modelle, wie sie die Stadt Erlangen anwendet: Sie fördert beispielsweise junge Menschen und ausländische Fachkräfte mit Sprachkursen, Bildungspaten oder speziellen Lernstuben. Außerdem sei Vernetzung sehr wichtig.

Autos alleine reichen nicht

Unterm Strich gewinnt in der IW-Studie die Stadt Wolfsburg auf ganzer Linie: Bei beiden Rankings landet die Stadt unter den Top Ten, beim Dynamikvergleich liegt sie sogar ganz vorn.

Auch andere Städte, in denen große Automobilhersteller produzieren, schneiden sehr gut ab - Ingolstadt (Audi), Regensburg und Dingolfing-Landau (BMW) gehören zu den Aufsteigern. "Ein Erfolgsgarant ist das allein aber nicht", sagt Kempermann. Köln und Rüsselsheim seien Beispiele, die zwar Standorte großer Autofirmen seien, im Dynamikranking aber nicht ganz so positiv auffielen.

Im EU-Vergleich steht Deutschland als Wirtschaftsstandort trotz großer regionaler Unterschiede aber gut da. Es gehört zu den fünf Ländern mit der höchsten Standortqualität - die Arbeitslosigkeit ist nur halb so hoch wie der Durchschnitt der zu diesem Zeitpunkt untersuchten 27 Mitgliedstaaten.

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