Wirtschaftskonferenz:"Lasst uns kooperieren"

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Handelsstreit, Brexit und Staatsschulden beunruhigen die internationale Finanzwelt. Und veranlassen Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds, zu einem ungewöhnlich emotionalen Appell.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Die Nachricht von den Beratungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank auf Bali ist, dass es trotz einiger schwelender Krisenherde ausreichend Grund gibt, optimistisch zu sein. Jedenfalls dann, wenn sich alle an die vereinbarten Spielregeln halten. IWF-Chefin Christine Lagarde beendete das umstrittene Treffen der globalen Finanzelite auf der Ferieninsel Bali mit einem ungewöhnlich emotionalen Appell. "Lasst uns kooperieren, soviel wir können", sagte Lagarde am Samstag in Nusa Dua (Indonesien): "Gemeinsam sind wir stärker."

Das Treffen war von der Sorge geprägt, dass sich die zahlreichen kleinen Krisen zu einem weltumspannenden Desaster entwickeln könnten. "Politische Unsicherheiten, historisch hohe Schuldenstände, steigende finanzielle Anfälligkeiten und limitierte finanzpolitische Spielräume könnten das Vertrauen und die Wachstumsperspektiven weiter untergraben", heißt es in der Abschlusserklärung des Währungsfonds. Der IWF hatte vor Beginn des Treffens seine Prognosen zum globalen Wirtschaftswachstum um 0,2 Prozentpunkte auf 3,7 Prozent gesenkt. Zahlreiche Staaten, darunter auch Deutschland, sind von der neuen Einstufung betroffen. Anlass zu ganz großer Sorge besteht aus Sicht der IWF-Ökonomen aber nicht, weil die Wirtschaft trotz der Korrektur auf einem "beständigen" Wachstumspfad sei. "Die allgemeine Wahrnehmung ist, dass der globale Aufschwung sich fortsetzt", sagte auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann am Samstag auf Bali.

Einige der politischen Unsicherheiten sind in Europa verortet: Der Brexit, die italienischen Haushaltsplanungen und der innereuropäische Steuersenkungswettbewerb. Der für den 29. März 2019 geplante Austritt des Vereinigten Königreichs rückt näher, zugleich ist weiter unklar, ob und welche Schockwellen dadurch ausgelöst werden. Der britische Finanzminister Philip Hammond bemühte sich auf Bali, die Sorgen zu zerstreuen. Er kündigte an, eine "Fiskalrücklage" bilden zu wollen, mit der die Regierung nach Vollzug des Brexit "bei Bedarf die Nachfrage in der Volkswirtschaft des Vereinigten Königreichs stützen" werde, sagte er in einem TV-Interview mit Bloomberg. Die Gelder könnten eingesetzt werden, um Investitionen zu steigern, die Steuern zu senken oder die Staatsverschuldung schneller als geplant abzubauen. Zur Höhe der geplanten Rücklage machte Hammond keine Angaben. Er sagte lediglich, sie werde "angemessen" ausfallen.

Die Sorge um die Folgen der italienischen Politik zog sich durch fast alle Gespräche. Lagarde forderte die Regierung in Rom auf, ihren Haushalt nach den Regeln der Europäischen Union zu planen: "Ich möchte alle daran erinnern, dass wenn man Mitglied eines Klubs ist und sich entscheidet, in diesem Klub zu bleiben, dann spielt man nach den Regeln dieses Klubs." Die neue italienische Regierung will mehr neue Schulden machen als zwischen der Vorgängerregierung und der EU-Kommission vereinbart worden war.

Der IWF warnte, dass die historisch hohen Staatsschulden "das Vertrauen der Anleger und die Wachstumsaussichten" weiter untergraben. Die wieder steigenden Zinsen legten bisher verdeckte wirtschaftliche Schwachstellen bloß. Das könne Investoren vertreiben und die Finanzierungskosten der Staaten erhöhen.

Auffällig ist, dass es die USA geschafft haben, ihre Sicht des Welthandels im internationalen Sprachgebrauch unterzubringen. So ist beim IWF nun von einem "freien, fairen und für beide Seiten nützlichen Handel" die Rede. Vor dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump hatte die internationale Gemeinschaft vor allem vom freien Handel gesprochen. US-Finanzminister Steven Mnuchin widersprach auf Bali den Befürchtungen, der Handelskrieg zwischen den USA und China bedrohe die Weltwirtschaft. Das Ziel der USA sei es lediglich, "eine ausgewogene Handelsbeziehung" zu haben. Mnuchin zeigte sich überzeugt, dass Trumps Politik, China mit Strafzöllen zu überziehen, um die Volksrepublik zu fairen Handelsverträgen zu bewegen, erfolgreich sein werde. Davon würden nicht nur die USA profitieren, sondern auch Europäer, Japaner, alle Verbündeten und letztlich sogar China.

Andere Teilnehmer teilten diese Sicht nicht. "Ein Handelskonflikt ist schlecht für alle Volkswirtschaften, nicht nur jene der USA und China", sagte Haruhiko Kuroda, Chef der japanischen Zentralbank. Die USA kritisieren den hohen Handelsbilanzüberschuss Chinas und werfen dem Land vor, geistiges Eigentum zu kopieren. Trump hat Waren im Wert von 250 Milliarden Dollar mit Zöllen belegt, das ist die Hälfte der chinesischen Ausfuhren in die USA. China hat Zölle auf Waren im Wert von 110 Milliarden Dollar verhängt.

© SZ vom 15.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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