Süddeutsche Zeitung

Wirtschaftsforschung: DIW und WM:Was Paul kann, können wir auch

Die Wirtschaftsforscher des DIW rühmen sich, bei den WM-Vorhersagen so gut wie der Krake Paul gewesen zu sein. Vielleicht sollte das Institut rasch ein Aquarium aufmachen.

Melanie Ahlemeier

Das schwierige Feld der Wirtschaftsforschung könnte tierisch einfach sein, wenn mal jemand wie Krake Paul entscheiden dürfte. Vielleicht sollte daher das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) umstrukturieren - und ein Aquarium aufmachen wie in Oberhausen, wo WM-Wettheld Paul im Sea Life seinen Ruhesitz gefunden hat.

Im Grunde genommen ist alles ganz einfach: Für jede noch so ökonomische Frage reichen zwei schlichte Behälter und ein wenig Muschelfleisch. Und Paul, der inzwischen weltberühmte Krake. Sowie natürlich ein wenig Geduld.

Vermutlich hat sich das DIW vom Paulismus dieser Tage anstecken lassen. "Paul, Paul, alle reden immer nur von Paul", werden sich die Verantwortlichen in der Pressestelle des Instituts mit Sitz im schönen Berlin am Tag eins nach der Fußball-Weltmeisterschaft gedacht haben. Ihre Strategie: radikal dagegenhalten.

Paul, längst Krake mit Kultstatus, geht auch noch nach der WM als Thema durch. Nur so ist zu erklären, dass die Ökonomen am Montagnachmittag eine E-Mail in die Welt verschickten, in der sich das Institut ein wenig selbst, vor allem aber zwei Professoren feierte.

Nach der Mitteilung war es dem Soziologie-Professor Jürgen Gerhards und dem Volkwirtschafts-Professor Gert G. Wagner tatsächlich gelungen, "den Marktwert aller 32 Mannschaften basierend auf dem Marktwert der einzelnen Spieler" für das DIW zu berechnen - und Spanien als Gewinner des WM-Turniers in Südafrika vorherzusagen.

Beide Wissenschaftler lagen mit ihrer Prognose "nach der WM 2006 und der EM 2008 zum dritten Mal richtig", jubiliert das Institut. Die Überschrift der wertvollen Information: "Das muss Paul erst mal nachmachen!" Hierbei handelt es sich um ein Originalzitat des eigenen Ökonomen Wagner.

Glückwunsch nach Berlin

Glückwunsch nach Berlin, das DIW-Triple ist eine eigene Trophäe wert. Dagegen hat selbst der allwissende Paul keine Chance und wird auch bei der nächsten EM nicht zurückschlagen können. Paul hat nur noch eine geringe Lebenswerwartung - das Viech wird dann vermutlich längst das Zeitliche gesegnet haben.

Natürlich bleibt die Leistung Pauls bestehen. Man wird sich erinnern, dass der Tintenfisch sämtliche Spiele der deutschen Mannschaft plus Finale korrekt vorherorakelt hat und damit selbst prominente Professoren wie David Spiegelhalter aus Cambridge rigoros an die Wand spielte. Der Gelehrte für Wahrscheinlichkeitsberechnungen bangt bereits um sein Lebenswerk.

Was aber können wir aus der Tintenfisch-Saga lernen? Ganz einfach: Vielleicht werden die Prognosen des DIW noch besser, wenn das Institut eine Ablösesumme für den Kraken zahlt und ihn einfach adoptiert. Die diffizile Rechnerei und das ganze Abwägen wären handstrichartig passé: Einfach das Weichtier auf zwei Behälter setzen, zwei Prozentzahlen mutig auf die Gläser schreiben - und Paul in Ruhe machen lassen. Ach so, und natürlich vorher die Presse informieren. Wegen der Live-Übertragung.

Falls die anderen Wirtschaftsforschungsinstitute über einen Wettbewerbsnachteil klagen sollten, könnte Paul zur Not auf Wanderschaft gehen. Wer acht Arme hat, kann auch fünf Institute bedienen. Diese Woche Berlin, nächste Woche Kiel (Institut für Weltwirtschaft), danach Essen (Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung), anschließend München (Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung), dann Halle (Institut für Wirtschaftsforschung Halle).

Vielleicht aber sollte es einfach ein Berichtsverbot über Paul, den Kraken, geben.

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