Wirtschaftsflaute in Europa:Berlin und Paris starten Investitionsoffensive

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"Europa braucht Wachstum, das zugleich anhaltend und nachhaltig ist": Wolfgang Schäuble und Michel Sapin wollen die Investitionen in Europa ankurbeln.

(Foto: Bloomberg)

Sie gelten als Ramschpapiere und Auslöser der Finanzkrise: verbriefte Kredite. Nun wollen Berlin und Paris diese Geldquelle wiederbeleben, um die schwächelnde Konjunktur anzukurbeln.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Dass Wolfgang Schäuble und Horst Seehofer noch einmal Freunde werden, ist nach den jüngsten öffentlichen Scharmützeln der beiden Unions-Haudegen wenig wahrscheinlich. Das gilt umso mehr, als der Bundesfinanzminister nach der Pkw-Maut bereits das nächste Thema im Visier hat, das dem bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef ganz und gar nicht schmecken dürfte: Um die schwächelnde Konjunktur in Europa zu beleben, wollen Schäuble und sein französischer Amtskollege Michel Sapin eine Investitionsoffensive starten und den Markt für Kreditverbriefungen wiederbeleben.

Dieser war während der Weltfinanzkrise zusammengebrochen. Es geht um jene sogenannten ABS-Papiere, die auch die Europäische Zentralbank (EZB) künftig aufkaufen will - und die Seehofer erst am Wochenende in einer Philippika gegen die EZB als "Ramschpapiere" gebrandmarkt hatte.

Zwei Probleme würden gelöst

Hintergrund der Initiative ist die anhaltende Kreditknappheit in weiten Teilen Europas, die aus Sicht von Experten Investitionen behindert und das Wirtschaftswachstum belastet. Tatsächlich halten sich viele Geldhäuser bei der Darlehensvergabe zurück, weil sie Kredite mit deutlich mehr Eigenkapital unterlegen müssen als in früheren Jahren und viele Darlehen in der Vergangenheit nicht zurückgezahlt worden waren. Beide Probleme ließen sich - zumindest für die Banken - durch die Wiederaufnahme von Verbriefungen lösen.

Konkret wollen Schäuble und Sapin ein einerseits strenges, zugleich aber gut handhabbares, transparentes und europaweit einheitliches Regelwerk schaffen, das die Geldhäuser zu Verbriefungen ermuntert. Das geht aus einem internen Papier der beiden Regierungen hervor, dessen Inhalt die Staatssekretäre Thomas Steffen und Bruno Bézard auf Arbeitsebene bereits vorgestellt haben.

Am Samstag soll es beim Treffen der EU-Finanzminister in Mailand diskutiert werden. Das sechsseitige Dokument stammt vom 29. August dieses Jahres und ist als "Non-Paper" deklariert - offiziell existiert es also gar nicht.

Bei einer Verbriefung bündelt eine Bank Darlehen ihrer Kunden, also zum Beispiel Immobilien-, Auto- oder Verbraucherkredite, zu Paketen und verkauft sie in Form von Wertpapieren an Investmentfonds und andere Finanzhäuser weiter. Damit belasten sie nicht länger das Eigenkapital der Bank und machen den Weg frei für die Vergabe neuer Darlehen. Die Käufer der Wertpapiere wiederum erhalten eine höhere Rendite als bei anderen Anlageformen. Sie speist sich aus den Zins- und Tilgungszahlungen der Kreditnehmer. Ein Beispiel für ein solches Konstrukt ist der Pfandbrief.

Strenge Aufsicht, hohe Qualität

Asset Backed Securities (ABS), zu deutsch: forderungsbesicherte Wertpapiere, waren vor Jahren erheblich in Misskredit geraten, weil sie die globale Finanzkrise mitausgelöst und massiv befeuert hatten. Grund war, dass Banken ihren Kreditpaketen in großem Maß ausfallgefährdete Darlehen beigemischt hatten und dass bereits verbriefte Pakete erneut gestückelt und noch einmal verbrieft wurden. Am Ende wusste niemand mehr, welche ABS-Papiere risikobehaftet waren und welche nicht - weshalb das gesamte Geschäft einbrach.

Mit Zockergeschäften soll das Ganze nichts zu tun haben

Dies soll nun bei einer Wiederbelebung durch eindeutige Regeln und ein Höchstmaß an Transparenz verhindert werden. Dazu zählen auch "klare Ausschlusskriterien" für bestimmte Verbriefungsformen. Zudem wollen Deutschland und Frankreich verhindern, dass Banken Kredite, die korrekt bedient werden, in ihren Büchern halten und allein ausfallbedrohte Darlehen weiterreichen. Am Ende sollen sogenannte "High-Quality-Verbriefungen" stehen, die mit den Zockerpapieren der Vergangenheit nichts mehr zu tun haben.

Zu dieser hohen Qualität beitragen soll auch eine strenge Beaufsichtigung des "gesamten Kreditvergabeprozesses". Das ist aus Sicht der Regierungen in Berlin und Paris auch deshalb wichtig, weil in den USA bereits "einige Vorkrisenphänomene zurückkehren". Ein Verzicht auf das Instrument kommt für Schäuble und Sapin dessen ungeachtet nicht in Frage.

Im Gegenteil: "Europa braucht Wachstum, das zugleich anhaltend und nachhaltig ist", heißt es in dem gemeinsamen Papier. Dazu bedürfe es besserer Finanzierungsmöglichkeiten, zu denen ein "sicherer und robuster Verbriefungsmarkt" wesentlich beitragen könne. Darauf hätten neben einer Reihe anderer internationaler Institutionen zuletzt auch die Europäische Zentralbank und die Bank von England hingewiesen.

Tatsächlich hatte die EZB erst am Donnerstag angekündigt, den europäischen Banken in großem Stil ABS-Papiere abzukaufen. Im Gespräch ist ein Programm im Umfang von bis zu 500 Milliarden Euro. Die Institute erhielten so Raum für die Vergabe neuer Kredite. Seehofer hatte die Ankündigung scharf kritisiert.

"Wenn EZB-Chef Mario Draghi den Geldhahn der Zentralbank aufdreht und gleichzeitig Ramschpapiere kauft, dann macht das vielen Menschen Angst", sagte er der Bild-Zeitung. Seine Mitstreiter aus den Reihen der Union forderte er auf, die Beschlüsse nicht einfach hinzunehmen. "Es ist unsere Aufgabe, diese Politik der Schuldenmacherei zu kritisieren", so Seehofer. Mit Wolfgang Schäuble hatte er darüber im Vorfeld ganz offensichtlich nicht gesprochen.

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