Süddeutsche Zeitung

Wirtschaftsaufschwung:Die Berliner Gefahr

Der Aufschwung in Deutschland ist fragiler als es die Prognosen der Regierung suggerieren. Nichts gefährdet ihn so sehr wie die drohende Tatenlosigkeit der Politik.

Markus Balser

Steiler Absturz, steiler Aufstieg: Die deutsche Wirtschaft hat ihren schwersten Einbruch seit Jahrzehnten fast schon wettgemacht. Nach dem Rekordwachstum des vergangenen Jahres erhöht die Bundesregierung nun die Prognosen für dieses und das kommende Jahr und verspricht den Deutschen einen langen Boom. Doch wie begründet ist angesichts der Staatsschuldenkrise in Europa die Hoffnung, dass der Wachstumsschub tatsächlich anhält und sogar in Vollbeschäftigung mündet?

Immer klarer wird: Die Erholung in Deutschland verlangsamt sich. Denn schwächelnde Handelspartner bremsen den Export. Vieles aber spricht dafür, dass der Aufschwung dennoch weiter geht. Der stark steigende Konsum wird der deutschen Wirtschaft helfen. Erstmals seit Jahren fußt Wachstum in Deutschland damit auf zwei tragenden Säulen.

Zum Risiko aber könnte ausgerechnet das Wachstum selbst werden, wenn die Politik jetzt in Selbstzufriedenheit verharrt. Denn trotz guter Zahlen: Nach wie vor bedrohen Ungleichgewichte den Zusammenhalt Europas, schlummern gewaltige Risiken im Finanzsektor. Die Bundesbank fordert die Bundesregierung immer drängender auf, die Schulden zu senken. Und der Fachkräftemangel wird schnell zum ernsten Problem für die deutsche Wirtschaft, wenn die Politik nicht mit einer neuen Bildungs- und Zuwanderungspolitik entschlossen gegensteuert.

Der Elan für Reformen darf nicht erlahmen. Der Aufschwung in Deutschland ist fragiler als die Prognosen der Regierung glauben machen. Nichts gefährdet ihn so stark wie die drohende Tatenlosigkeit der Politik.

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Quelle:
SZ vom 20.01.2011/kst
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