Wirtschaftliche Entwicklung:Einfach mal durchschnaufen

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Die Zeit der Rekord-Zahlen ist erst einmal vorbei: Die Exporte sinken, das produzierende Gewerbe tritt auf der Stelle. Ist der Aufschwung schon vorüber? Oder ist so eine Abkühlung zu diesem Zeitpunkt normal? Die Experten streiten.

Die deutsche Wirtschaft schaltet nach dem rasantem Wachstum im ersten Halbjahr einen Gang herunter. Die beiden Haupttreiber des Aufschwungs, die Exportbranche und die Industrie, legten im Juli eine Verschnaufpause ein. Zu Beginn der zweiten Jahreshälfte sanken die Ausfuhren überraschend, während das produzierende Gewerbe auf der Stelle tritt. "Die Aufholjagd ist vorbei, und das früher als erwartet", sagte Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater.

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Im laufenden Sommerquartal droht nun eine kräftige Abkühlung. Die Wirtschaft hatte im Frühjahr mit einem Plus von 2,2 Prozent eine Rekord-Schlagzahl vorgelegt und damit nach dem Einbruch im Krisenjahr 2009 kräftig Boden gutgemacht. Die Volkswirte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnen aber damit, dass in den Monaten von Juli bis September nicht einmal die Hälfte dieses Rekordtempos erreicht wird.

Im Juli ließ es die Wirtschaft bereits gemächlicher angehen: Die Firmen setzten 1,5 Prozent weniger im Ausland um als im Vormonat. Noch im Juni hatte es zu einem Export-Plus von 3,7 Prozent gereicht. Außenhandelspräsident Anton Börner sieht dennoch keinen Grund zur Klage: "Auch wenn die Rekordwerte des Vormonats nicht erreicht werden konnten, belegen die Zahlen eine große Stabilität." Von allen Regionen der Welt - insbesondere den Schwellenländern - gingen weiter Impulse für die deutsche Wirtschaft aus.

Verglichen mit dem Vorjahr fallen die Zahlen aber positiv aus. Der Gesamtwert der Ausfuhren belief sich auf 83 Milliarden Euro. Das waren 18,7 Prozent mehr als im Juli 2009. Zugleich wurden Waren in Höhe von 69,5 Milliarden Euro eingeführt. Dies entspricht einem Plus von 24,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Manche Experten sehen dennoch Probleme. "In einigen Ländern wie den USA und China hat sich das Wachstum schon verlangsamt. Das könnten Vorboten sein für einen nachlassenden Aufschwung bei uns", sagt Thorsten Polleit von der Barclays Bank. Deutschland könne sich auf Dauer nicht vom globalen Zyklus abkoppeln.

Wirtschaftsministerium gibt sich gelassen

Auch im produzierenden Gewerbe ist das Wachstumstempo deutlich geringer geworden: Es stellte im Juli nur 0,1 Prozent mehr her als im Juni. Viele Fachleute hatten mit einem Anstieg um 1,0 Prozent gerechnet.

"Der DGB hat unlängst darauf hingewiesen, dass der von Minister Brüderle verbreitete Jubel über den wirtschaftlichen Aufschwung eindeutig verfrüht ist. Angesichts der neuen Daten kann man von einer Abkühlung sprechen", sagte DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki auf Anfrage von sueddeutsche.de. Wenn sich die weltwirtschaftliche Abkühlung fortsetze, müsse sich auch Deutschland auf geringere Wachstumsimpulse einstellen - das könne für 2011 Stagnation bedeuten. "Anstatt also einseitig auf Export zu setzen, muss ein Handelsgleichgewicht hergestellt und die Binnennachfrage durch Lohnerhöhungen, Investitionen in grüne Technologien und Infrastruktur sowie die Einführung existenzsichernder Mindestlöhne gestärkt werden."

Für das Wirtschaftsministerium kommt die Abkühlung dagegen nicht überraschend: Nach der außerordentlich kräftigen Frühjahrsbelebung sei "eine ruhigere Gangart" zu erwarten gewesen. Das Ressort von Rainer Brüderle (FDP) geht davon aus, dass sich die Erholung mit langsamerem Tempo fortsetzen wird. Im Juli haben die Industriebetriebe auch weniger Großaufträge als üblich erhalten, so dass die Orders um 2,2 Prozent zurückgingen.

In der Produktion machte sich die nachlassende Bestelltätigkeit bereits bemerkbar. Der Ausstoß der Industriefirmen stagnierte. Auch die Produktion in den Unternehmen der Metall- und Elektro-Industrie ist im Juli geringfügig gesunken; hier war der Ausstoß schon im Juni nicht weiter gestiegen. "Bei der Produktion haben wir erst die Hälfte des Kriseneinbruchs wieder aufgeholt", sagte Gesamtmetall-Chefvolkswirt Michael Stahl. Die Unternehmen haben demnach zwar Stück für Stück Boden gutgemacht. "Aber von einer Wunderheilung oder Partystimmung ist die Branche weit entfernt", fügte der Ökonom hinzu.

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