Internationaler Wettbewerb:Deutsche Unternehmen wandeln sich zu langsam

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Die deutsche Autoindustrie tut sich schwer mit der Transformation, ergab eine Studie. (Foto: Daniel Josling/dpa)

Ob Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder demografischer Wandel: Viele deutsche Firmen tun sich schwer, auf gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren, zeigt eine Studie. Macht der ganze Wohlstand träge?

Von Elisabeth Dostert, München

Die deutschen Unternehmen sind zu träge, sie wandeln sich zu zögerlich. Es gibt allerdings große Unterschiede. Zu diesem Ergebnis kommen Berater von Kearney und IW Consult in einer Studie. Dabei wäre eine schnelle Transformation ob der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit und gesellschaftlich-demografischer Wandel dringend geboten, sagt Kearney-Partner Marc Lakner: „Die Gefahr ist groß, dass die Unternehmen im internationalen Wettbewerb weiter zurückfallen.“ Aber warum sind die deutschen Unternehmen so unwillig, sich zu wandeln? Die einen wollen nicht, weil sie die Notwendigkeit zur Transformation verkennen, so die Autoren, die anderen können nicht, sie wissen nicht, wie Transformation geht.

Traditionelle Branchen verharren in ihren Strukturen

Für die Studie wurden im zweiten Quartal gut 500 Firmen befragt. Die Ergebnisse der repräsentativen Erhebung mündeten in einer Kennzahl, dem Transformation Score. Im Schnitt lag er bei 0,35 in einer Skala von null bis eins, also eher niedrig. Das wirtschaftliche Erfolgspotenzial Deutschlands werde derzeit nur unzureichend genutzt, sagt Lakner. Nur gut jedes zehnte Unternehmen ist ein „Transformationsleader“. Sie sehen die große Notwendigkeit zur Transformation und verfolgen sie ambitioniert. Follower und Nachzügler halten sich in etwa die Waage. Gerade die traditionellen Branchen, auf denen ein Großteil des deutschen Wohlstands fuße, erweisen sich als „strukturverharrend“.

Wie einzelne Firmen abschnitten, wird aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht veröffentlicht. Der Score wurde in diesem Jahr zum ersten Mal ermittelt. Die Grenze zwischen der Spitzengruppe (Leadern) und den Verfolgern (Follower) liegt bei einem Wert von 0,66. Nachzügler erreichen einen Score von weniger als 0,33.

In der Führungsriege, also unter den Leadern, finden sich kaum Unternehmen aus dem Maschinenbau und der Prozessindustrie, darunter fallen unter anderem Hersteller von chemischen Produkten, Kunststoffen und Papier. Der Blick in die Details zeigt allerdings auch, dass die Spannweite innerhalb einer Branche ziemlich groß sein kann. Die Pharmaindustrie, zum Beispiel, kommt im Schnitt nur auf einen Transformationswert von 0,27. Allerdings machen die Berater in der Pharmaindustrie auch 17 Prozent Leader aus, auf zwei Prozentpunkte mehr brachten es nur die Branchen Technologie und Energie. In der Pharmaindustrie gibt es allerdings auch besonders viele Nachzügler: Ihr Anteil liegt bei 65 Prozent.

Insbesondere die Pharmabranche sei vergleichsweise heterogen aufgestellt, sagt Lakner. Sie zeichne sich durch einen hohen Anteil an Leadern aus, aber eben auch durch viele Nachzügler. Dies liege nicht zuletzt an der breiten Zusammensetzung der Branche, die neben einem sehr forschungsintensiven Segment auch Consumer-Healthcare-Unternehmen umfasst, dazu zählen etwa die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln, Haut- und Haarpflegeprodukte sowie Generikahersteller.

Wer sich wandelt, wächst schneller

Noch ein Ergebnis der Studie: Größe spielt eine Rolle. Je größer das Unternehmen gemessen an der Mitarbeiterzahl ist, desto höher der Transformation Score. Die Autoren konstatieren auch eine Korrelation zwischen dem Willen zur Transformation und dem Erfolg, zum Beispiel gemessen an Umsatz. Transformationsaffine Firmen wachsen schneller. Wobei die Autoren ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Analyse nur Korrelationen identifizierte, aber keine Kausalitäten. Heißt: Ob der Erfolg zu Transformation führt oder umgekehrt, kann nicht ausgemacht werden. Den großen Unternehmen, so Lakner, komme eine hohe Bedeutung zu, damit die Transformation insgesamt gelingt. In ihrer zentralen Rolle in den Wertschöpfungsketten, in denen sie eng mit mittleren und kleinen Firmen kooperierten, übten sie einen „Transformations-Push“ aus.

Firmen geben dem Standort die Tranformationsnote „ausreichend“. Sie sind unzufrieden mit den Maßnahmen, die öffentliche Akteure wie Bund, Länder und Kommunen bieten, um die Transformation zu unterstützen. Sie bemängeln vor allem die unzureichende digitale Infrastruktur, das lückenhafte Bildungssystem und langwierige Genehmigungsverfahren. Die größeren Unternehmen sind deutlich unzufriedener mit dem Standort als mittlere und kleine. Im internationalen Transformationsrennen falle Deutschland zurück, so die Unternehmen. Sie nehmen der Studie zufolge nicht etwa Nordamerika als Spitzenreiter wahr, sondern China. Etwa drei Viertel der Befragten sehen einen Rückstand. Besonders betroffen seien davon die Branchen Transport, Automobil und Technologie.

Die schlechten Rahmenbedingungen seien, so Lakner, mit ein Grund dafür, dass Unternehmen die Transformation nicht umsetzen können. Aufgegeben haben die Firmen den Standort Deutschland „noch nicht“, sagt Lakner. Als Beleg führt er an, dass gerade die großen Unternehmen bei der Transformation recht gut aufgestellt seien. Dass die kleinen und mittleren Unternehmen zögerlicher seien, könne auch daran liegen, dass sie erst einmal abwarten, wie sich die Lage bei den Großen entwickele.

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