Süddeutsche Zeitung

Wirtschaft kompakt:Veltins profitiert vom Bierdurst der Fußballfans

Die Fußball-WM beschert Veltins ein strammes Umsatz- und Ergebnisplus, und das gegen den Trend. Außerdem: Frauen gelangen kaum in Führungspositionen. Das Wichtigste in Kürze.

Die Deutschen trinken immer weniger Bier, aber im Jahr der Fußballweltmeisterschaft hat die Privatbrauerei Veltins vom Bierdurst der Fußballfans profitiert. Die Zuwächse der Konkurrenten Warsteiner und Beck's blieben dahinter weit zurück.

In einem insgesamt schrumpfenden Biermarkt stieg der Absatz der Veltins-Biere 2010 um 4,8 Prozent auf 2,58 Millionen Hektoliter. Unter den deutschen Premiummarken habe der Brauer aus dem sauerländischen Meschede-Grevenstein damit den größten Zuwachs verbucht, sagte der Generalbevollmächtigte Michael Huber.

Der Gesamtumsatz legte trotz des Preisdrucks um 4,7 Prozent auf 268 Millionen Euro zu. "Auch mit dem Ertrag können wir sehr zufrieden sein", betonte Huber, ohne Details zu nennen. Allerdings wies er darauf hin, dass sich der Preiskampf im vergangenen Jahr verschärft habe. Zudem seien die Rohstoffpreise gestiegen. Daher habe es mehr Verlierer als Gewinner gegeben, sagte Huber.

"Auch Marken, die noch im zurückliegenden Jahrzehnt von einer Sonderkonjunktur getragen wurden, erlebten plötzlich Absatzeinbrüche", merkte er an. So musste etwa Beck's ein Absatzrückgang von 9,4 Prozent verschmerzen und auch Warsteiner und Krombacher erreichten 2010 in etwa lediglich das von der Wirtschaftskrise geprägte Vorjahresniveau.

Nach Schätzungen des deutschen Brauerbundes sank der Bierabsatz insgesamt in Deutschland um 1,4 Prozent.

Trotz aller Gleichberechtigungsbestrebungen sind Frauen weiterhin in Führungspositionen unterrepräsentiert. So lag der Frauenanteil in den Vorständen der größten 200 Unternehmen in Deutschland im Jahr 2010 bei 3,2 Prozent, wie aus Managerinnen-Barometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervorgeht.

877 der insgesamt 906 Vorstandsposten werden von Männern besetzt. Bei den Top-100-Unternehmen und den 30 DAX-Unternehmen beträgt der Frauenanteil demnach sogar nur 2,2 Prozent. Die Autorin des Barometers, Elke Holst, sagte, "es bewegt sich kaum etwas". In den vergangenen fünf Jahren sei der Männeranteil in den Vorständen um lediglich zwei Prozentpunkte auf 96,8 Prozent zurückgegangen.

Etwas besser stellt sich die Situation der Studie zufolge in den Aufsichtsräten dar. Dort sind 10,6 Prozent der Posten mit Frauen besetzt. Holst zufolge sind dafür allerdings die Mitbestimmungsregeln verantwortlich. "Mehr als 70 Prozent der Frauen in Aufsichtsräten sind Arbeitnehmervertreterinnen", sagte sie. Nur bei zwei der 200 größten Unternehmen führten Frauen den Aufsichtsratsvorsitz - bei Henkel und bei der Würth-Gruppe. In beiden Fällen stammen die Frauen aus der Eigentümerfamilie.

Im europäischen Vergleich befindet sich Deutschland bei der Besetzung der Aufsichtsräte mit Frauen aufgrund der Mitbestimmungsregelung den Angaben zufolge im Mittelfeld. Bei der Besetzung der Vorstandsposten landen allerdings neben Ländern wie Schweden, Frankreich und den USA auch China, Brasilien und Russland vor Deutschland.

Holst sagte, die Einführung einer Frauenquote könne eine Lösung sein. Allerdings setzt sie auf ein Umdenken in den Unternehmen. Auch angesichts eines einsetzenden Fachkräftemangels sei es für die Unternehmen besser, damit anzufangen, "sich die besten Frauen aus dem Pool zu schnappen".

Der Kaffeeröster Tchibo steigt aus dem Versicherungsgeschäft aus. Ein Firmensprecher erklärte, Tchibo wolle sich im Vertrieb von Dienstleistungen auf die Themen Strom, Reisen und Mobilfunk sowie auf die klassischen Angebote um den Kaffee und die bekannten Non-Food-Artikel konzentrieren. Seit Jahresbeginn würden keine Versicherungen mehr angeboten. Bankprodukte habe die Kaffeekette schon vor Jahren aus dem Programm genommen, sagte der Sprecher.

Tchibo war bei Versicherungen als sogenannter Tippgeber aufgetreten, hatte die Kunden also auf Versicherungsprodukte aufmerksam gemacht. Interessierte Kunden konnten sich dann direkt an die Versicherungsgesellschaft wenden.

Gegen diese Praxis der Tippgeber und gegen Tchibo hatten Verbraucherschützer geklagt. Nach Angaben des Düsseldorfer Fachblattes Markt Intern soll der Prozess fortgesetzt werden, obwohl Tchibo aus dem Markt ausgestiegen ist. Auch Tchibo bestätigte die Fortsetzung des Rechtsstreites. Wieviel Umsatz Tchibo mit den Versicherungstipps gemacht hat, wollte der Sprecher nicht sagen.

Finanzmarkt-Experten sehen die deutsche Wirtschaft weiter deutlich im Aufwind. Im Januar stieg der vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) berechnete Index zur Konjunkturerwartung um 11,1 Punkte auf 15,4 Zähler, wie das ZEW mitteilte.

Zu dieser positiven Einschätzung dürfte nach Ansicht der Experten beigetragen haben, dass "im In- und Ausland wieder investiert wird", sagte das Institut. "Das aktuell niedrige Niveau der Realzinsen dürfte die Nachfrage nach Investitionsgütern in Deutschland stärken", erklärte ZEW-Präsident Wolfgang Franz. Bei niedrigen Zinsen ist es weniger interessant, Geld anzulegen, und attraktiver, sich Geld zu leihen und zu investieren.

Franz fügte hinzu, eine "gestiegene Arbeitsplatzsicherheit" trage "zur Belebung des privaten Konsums bei". Auch die aktuelle konjunkturelle Lage für Deutschland bewerten die vom ZEW Befragten weiter als positiv. Der entsprechende Index stieg laut dem Institut im Januar um 0,2 Punkte auf 82,8 Zähler.

Der ZEW-Index ist ein monatlicher Stimmungstest zur deutschen Wirtschaft. Das Institut befragt regelmäßig Analysten und institutionelle Anleger, wie sie die aktuelle Lage und die Entwicklung in den kommenden sechs Monaten bewerten.

Europa könnte nun doch Auswirkungen des Energiestreits zwischen Weißrussland und Russland zu spüren bekommen. Nach Angaben von Händlern setzte Weißrussland seine Diesel-Exporte Richtung Westeuropa aus. "Hier kommt nichts mehr an", sagte ein Händler von Ölprodukten in London. Dabei sei die Versorgung ohnehin schon knapp.

Üblicherweise liefert Weißrussland etwa 200.000 Tonnen Diesel pro Monat nach Westeuropa. Doch derzeit braucht das Land den Treibstoff möglicherweise selbst, denn Russland hatte seine Öllieferungen nach Weißrussland zu Jahresbeginn gestoppt. Hintergrund ist ein Streit über den Preis. Die russischen Lieferungen über die Druschba-Leitung via Weißrussland nach Polen und Deutschland wurden indes nicht unterbrochen.

2010 waren Weißrussland und Russland nur knapp an einem Ölkonflikt vorbeigeschrammt. Weißrussland wollte wegen seiner angeschlagenen Staatsfinanzen von Russland billiges Erdöl und -gas erhalten und zugleich von den Transitgebühren profitieren. Russland kam zuletzt wiederholt mit einigen Ländern in Streit, weil es für seine Öl-Lieferungen nach eigenen Angaben inzwischen marktgerechte Preise fordert. Beobachter werten Moskaus Vorgehen aber auch als Druckmittel, um politischen Einfluss zu gewinnen.

Die Vereinten Nationen haben vor einer neuen Rezession in Europa gewarnt. Ein von der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) in Genf vorgelegter Bericht zu Lage und Perspektiven der Weltwirtschaft macht dafür das unkoordinierte Vorgehen der großen Volkswirtschaften gegen die Krise verantwortlich. Vor allem das Risiko eines Währungskrieges drohe die leichte Erholung der Weltwirtschaft im abgelaufenen Jahr umzukehren. Eine neue Krise lasse sich nur mit einer global abgestimmten Steuer- und Geldpolitik verhindern, warnte der Hauptautor des Berichts, Rob Vos.

Selbst im besten Fall sagen die UN-Ökonomen für die Euro-Zone im laufenden Jahr eine Stagnation voraus. Nach 1,6 Prozent im Jahr 2010 erwarten sie 1,3 Prozent Wachstum für 2011, wenn das moderate Wachstum in Deutschland anhält. Verantwortlich für die globale Erholung sei dagegen das anhaltende Wachstum in Schwellen- und Entwicklungsländern beispielsweise in Lateinamerika und Afrika. Doch auch hier rechnen die UN-Ökonomen mit einer nachlassenden Tendenz. So wird in China und Indien 2011 ein Wachstum von je sieben Prozent (2010: 10,1 Prozent in China, 8,4 Prozent in Indien) erwartet.

Als Achillesferse der Weltwirtschaft bezeichnet UNCTAD die hohe Arbeitslosigkeit, die in vielen Ländern auf hohem Niveau stagniere. Steuerliche Anreize müssten deshalb primär auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze ausgerichtet werden. Mindestens 22 Millionen neue Arbeitsplätze müssen dem Bericht zufolge geschaffen werden, um das Beschäftigungsniveau vor der Finanzkrise zu erreichen. Selbst bei unveränderter Erholung dauere dies noch mindestens fünf Jahre.

Als besonders bedenklich bezeichnen die UN-Experten die Arbeitslosigkeit von jungen Menschen. Weltweit waren demnach 81 Millionen Arbeitnehmer zwischen 15 und 24 Jahren Ende 2009 ohne einen Job. Das entspricht einer Quote von dreizehn Prozent.

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