Wirtschaft kompakt:Krake Woolworth

Woolworth will Deutschland mit Filialen überziehen. Außerdem: Russland kommt einem WTO-Beitritt einen Schritt näher und die Bahn stärkt den Datenschutz. Das Wichtigste in Kürze.

Die Kaufhauskette Woolworth will nach ihrer Insolvenz mit neuen Eignern massiv expandieren. Langfristig könne es in Deutschland bis zu 500 Filialen geben, kündigte der geschäftsführende Gesellschafter Dieter Schindel an. Im kommenden Jahr solle pro Woche ein neues Warenhaus eröffnet werden. Jede Stadt mit mehr als 30.000 Einwohnern in der Bundesrepublik sei ein Ziel für Woolworth.

Kaufhaus Woolworth in Berlin

Woolworth will viele neue Filialien in Deutschland eröffnen.

(Foto: dpa)

Für die Renovierung der gegenwärtig über 160 Häuser stünden 40 Millionen Euro bereit, die Neueröffnungen sollen dagegen mit Einnahmen aus dem laufenden Geschäft finanziert werden. Woolworth arbeite profitabel, betonte Schindel. Woolworth war am 1. Juli mit neuen Konzepten, Eignern und neuem Management gestartet. Hinter Woolworth stehen nun unter anderem der Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub und Kik-Gründer Stefan Heinig.

Der US-Finanzinvestor Cerberus sei nicht beteiligt, betonte Schindel. Cerberus ist Eigentümer vieler Gebäude, in denen sich Woolworth-Filialen befinden. Woolworth wolle nun mit Markenprodukten von Pritt bis Lego, Lizenzmarken von Disney bis Playboy und einem stark reduzierten Feld von Eigenmarken auf Kunden mit unteren und mittleren Einkommen zielen, sagte Schindel. Jede Woolworth-Filiale solle künftig 1000 bis 2000 Quadratmeter haben - deutlich weniger als in der Vergangenheit.

Die Zahl der Artikel wurde zusammen gestrichen, die Logistik, bei der Woolworth mit der Post-Tochter DHL zusammenarbeitet, schlanker gemacht, um die Kosten zu drücken. Alkohol, Zeitungen und Straßenschuhe suchen die Kunden etwa vergeblich in den neu gestalteten Filialen, statt dessen hält Woolworth nun Heimdekoration oder Artikel für die Haustiere der Kunden bereit. Gelinge die Expansion, könnten mehr als 3000 neue Stellen bis Ende 2012 geschaffen werden.

Russland ist einem Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO einen Schritt nähergekommen. Das Land einigte sich mit der Europäischen Union auf die Abschaffung von Exportzöllen auf Rohstoffe wie Holz, wie beide Verhandlungsparteien in Brüssel bestätigten. Damit könnten etwa die Rohstoffkosten für die Papierindustrie in Europa sinken.

Mit dem Abkommen gibt die EU auch ihre Blockade eines WTO-Beitritts Russlands auf. Die Zölle sollen nach dem Beitritt in die Organisation auslaufen. Russland will im kommenden Jahr in der WTO aufgenommen werden.

Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin erneuerte unterdessen seinen Wunsch nach einer europäisch-russischen Freihandelszone. Ziel sei eine harmonische Wirtschaftsgemeinschaft zwischen Lissabon und Wladiwostok, schrieb Putin in einem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung. Infrage komme auch eine noch weitergehende wirtschaftliche Integration. Notwendig sei zudem eine gemeinsame Industriepolitik. Putin ist ab Donnerstag zu einem Besuch in Deutschland. Vorgesehen ist auch ein Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel.

Die Bahn zieht nach Datenskandal Konsequenzen

Mit einer umfangreichen Betriebsvereinbarung zum Datenschutz hat die Deutsche Bahn AG Konsequenzen aus dem Bespitzelungsskandal in ihrem Unternehmen gezogen. Gerd Becht, DB-Vorstandsmitglied für Compliance, Datenschutz und Recht, nannte die Vereinbarung "ein Zeichen des kulturellen Wandels" im Unternehmen. Dessen Ansehen hatte durch jahrelange heimliche Erhebung persönlicher Daten und Überwachung seiner rund 160.000 Beschäftigten schwer gelitten.

In der Folge war vor anderthalb Jahren nahezu der gesamte Vorstand des staatlichen Konzerns ausgewechselt worden und Bußgeld in Millionenhöhe wurde fällig. Der stellvertretende Konzernbetriebsratsvorsitzende Jens Schwarz sagte: "Die neue Kultur besteht darin, dass man vorher informiert wird." Becht legte Wert darauf, dass innerhalb des Unternehmens mit rund 1000 Tochtergesellschaften "verloren gegangenes Vertrauen wieder zurückgewonnen wird".

Teilweise geht die Vereinbarung über die gesetzlichen Vorgaben zum Arbeitnehmer-Datenschutz hinaus. Die Abwägung schutzwürdiger persönlicher Interessen gegen die berechtigten Interessen des Unternehmens werde im Benehmen mit den Arbeitnehmervertretungen geregelt, betonten Becht und Schwarz. So muss der Zweck einer Erhebung persönlicher Daten im Voraus festgelegt werden. Unterhalb einer Schwelle, die etwa der Abmahnung entspricht, werden Daten überhaupt nicht mehr erhoben. Ferner ist es verboten, Daten über Bewerber etwa in sozialen Netzwerken einzuholen.

Der Datenschutzskandal war seinerzeit entstanden, weil die Konzernführung mit der Überwachung glaubte, Korruption unterbinden und Lücken im Vertraulichkeitssystem schließen zu können. Beides sei seinerzeit nicht gelungen, resümierte Becht. Die Korruptionsgefahr bei der Bahn mit ihrem hohen Investitionsvolumen sei zwar hoch, aber die Datenerhebung habe jedenfalls keine kapitalen Fälle aufdecken können. Hinweise auf Verdachtsfälle gingen zwar ständig ein, aber tatsächliche Fälle gebe es "nicht besonders viele", sagte er.

Die FDP ist im regierungsinternen Streit mit der Union über einen Mindestlohn für Zeitarbeiter uneins. Fraktionsvize Heinrich Kolb zeigt sich kompromissbereit. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Johannes Vogel, weist dagegen die Pläne der Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) klar zurück. Von der Leyen will eine Mindestlohnregelung vor dem 1. Mai 2011, weil dann der Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer aus 25 der 27 EU-Länder geöffnet wird.

Zoff um Mindestlohn

"Wir sind in guten Gesprächen", sagte Kolb der Zeitung Die Welt. Die FDP sei bereit, über eine Lohnuntergrenze für die Branche zu reden. Sie dürfe aber nicht isoliert betrachtet werden. "Wir brauchen ein Gesamtpaket, in dem sich alle Koalitionspartner wiederfinden", sagte Kolb. Dabei müssten alle Fragen zur Zeitarbeit, auch die Entlohnung auf den Tisch.

Vogel erklärte dagegen in der Neuen Osnabrücker Zeitung, er sehe für Mindestlöhne weiterhin keine Notwendigkeit. "Es sind heute fast alle Arbeitgeber in der Zeitarbeit an Tarifverträge mit Gewerkschaften gebunden." Auch die Freizügigkeit für Arbeitnehmer ab dem 1. Mai gebe keinen Anlass zur Sorge: "Alle Erfahrungen aus dem europäischen Ausland sprechen dagegen, dass hier ein Lohnproblem entsteht." Von der Leyen will mit dem Mindestlohn ein Lohndumping durch ausländische Billig-Tarifverträge verhindern.

Die Regierung kann den von den Tarifparteien bereits vereinbarten Mindestlohn durch Aufnahme ins Arbeitnehmer-Entsendegesetz bindend für die gesamte Zeitarbeitsbranche regeln. Darüber redet von der Leyen derzeit mit Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). Die FDP setzt sich dafür ein, dass Stammbeschäftigte und Zeitarbeiter nach einer Frist gleich bezahlt werden. Kolb plädierte für eine Regelung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Eine Aufnahme der Zeitarbeitsbranche ins Entsendegesetz nach dem Vorbild der Baubranche lehnte er ab.

Boeing hat nach Brand neuen Plan

Nach dem Brand bei einem Testflug des neuen Langstreckenfliegers Dreamliner hat der US-Flugzeugbauer Boeing "kleinere Änderungen" am elektrischen System der Maschine angekündigt. Die Netz-Schaltfelder der Boeing 787 sollten überarbeitet und die Software aktualisiert werden. Ein Dreamliner hatte vor rund zwei Wochen notlanden müssen, nachdem es in der Kabine zu Rauchentwicklung gekommen war. Das Problem habe mittlerweile im Labor rekonstruiert werden können, erklärte Boeing.

Das Unternehmen arbeite daher nun an einem Plan, um die Testflüge möglichst schnell wieder aufzunehmen. Der Dreamliner ist das erste neue Boeing-Modell seit mehr als zehn Jahren. Das Flugzeug ist aufgrund neuartiger Baustoffe deutlich leichter als bisherige Maschinen, die 787 soll daher bei Langstreckenflügen bis zu 20 Prozent weniger Kraftstoff verbrauchen. Boeing hängt seinem ursprünglichen Zeitplan für die Auslieferung mittlerweile mehrere Jahre hinterher.

Gesetz entscheidet über Versicherung von Hartz-IV-Empfängern

Privat versicherte Hartz-IV-Empfänger sollen in gesetzliche Krankenkassen wechseln, fordert Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, nach Informationen der Frankfurter allgemeinen Zeitung. Dies gehe aus einem Änderungsantrag zu den laufenden Beratungen über die Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze und Bildungsleistungen für Kinder hervor, die der Bundestag in der nächsten Woche verabschieden will.

Mit dieser Ergänzung könnte die Regierung einem Beschluss des Bundessozialgerichts zur Übernahme der Kosten privat versicherter Langzeitarbeitsloser zuvorkommen. Das Gericht will im Januar ein Urteil fällen, ob Jobcenter einen höhren Anteil an der privaten Krankenversicherung (PKV) übernehmen sollen. Die Zusatzlasten für wenige Tausend PKV-Versicherte wären mit 20 Millionen Euro zwar überschaubar, stellten aber die gesetzlichen Kassen die Forderung nach kostendeckenden Beiträgen, könnten die zusätzlichen Kosten zwei Milliarden Euro betragen.

Zur Lösung des Problems der privat versicherten Hartz-IV-Empfängern gibt es zwei Varianten. Entweder sollen sie in die gesetzlichen Kassen wechseln oder der Beitrag soll auf den Betrag begrenzt werden, der auch von gesetzlichen Krankenkassen eingefordert wird. Das Defizit würde das Versicherungsunternehmen tragen. Hierzu müsste der Gesetzgeber das Recht ändern.

Gesundheitspolitiker der Union empören sich über beide Varianten. Der Solidargemeinschaft der gesetzlich wie privat Versicherten würden Lasten aufgebürdet, "die versicherungsfremd sind", sagte der Vize-Fraktionsvorsitzende der Union, Johannes Singhammer (CSU). "Wir halten die Kostenübernahme durch die Jobcenter für eine sachgerechte Lösung", ergänzte der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Jehns Spahn (CDU). Eine weitere Belastung der PKV könnte verfassungsrechtlich problematisch werden. Bei einem Zwangswechsel aller privat versicherten Hartz-IV-Empfänger in die GKV könne es ebenfalls zu einer Sonderbelastung kommen, da es Fehlanreize für ältere Beschäftigte setzen könnte. Für einen niedrigeren Kassenbeitrag im Rentenalter könnten sie Langzeitarbitslosigkeit in Kauf nehmen.

Magna bleibt ausschließlich Autozulieferer

Der Autozulieferer und Ex-Opel-Kaufinteressent Magna hat seinen Traum vom Aufstieg in die Liga der Autohersteller endgültig begraben. Das Vorhaben, durch den Kauf eines Autobauers selbst zum Produzenten zu werden, "haben wir ad acta gelegt", sagte der neue Magna-Chef Don Walker dem Handelsblatt. "Die Pläne sind tot." Magna sei zu hundert Prozent ein Autozulieferkonzern. "Das ist unsere Rolle, und die wollen wir ausfüllen". In Zukunft wolle das Unternehmen die Autokonzerne nicht mehr herausfordern. Magna hatte in den vergangenen Jahren mehrfach versucht, zum Autobauer aufzusteigen.

Bis in den Herbst vergangenen Jahres stand der österreichisch-kanadische Zulieferer kurz vor der Übernahme von Opel. Der US-Autokonzern General Motors (GM) wollte sich im Zuge seiner schweren Krise von der deutschen Tochter trennen, entschloss sich dann aber überraschend zu deren Sanierung in Eigenregie. 2007 wollte Magna vergeblich den verlustträchtigen US-Autobauer und GM-Konkurrenten Chrysler kaufen, von dem sich damals Daimler trennte. Danach scheiterte für Magna der Einstieg bei Russlands größten Autohersteller Avtovaz.

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