Süddeutsche Zeitung

Wirtschaft kompakt:Überteuerte Abrechnungen

Falsche Krankenhausabrechnungen verursachen Milliardenschäden. Außerdem: Ein ranghoher früherer Siemens-Vorstand steht bald wegen der Schmiergeldaffäre vor Gericht. Das Wichtigste in Kürze.

Fehlerhafte Krankenhausabrechnungen kosten die gesetzlichen Krankenkassen jedes Jahr mehr als eine Milliarde Euro. Das geht einem Bericht der Passauer Neuen Presse zufolge aus internen Berechnungen des GKV-Spitzenverbandes hervor. Demnach waren 2009 rund 43 Prozent der Rechnungen fehlerhaft. Jeder falsch abgerechnete Fall koste im Schnitt 1100 Euro.

Der Bundesrechnungshof hatte bereits im November 2009 auf fehlerhafte Abrechnungen hingewiesen. Die Kassen gehen nach ihren Berechnungen von einem Gesamtschaden von 1,5 Milliarden Euro aus. Der GKV-Spitzenverband kritisierte, dass den Krankenhäusern bei Falschabrechnung keinerlei Sanktionen drohten.

Sie müssten lediglich zu viel erhaltene Mittel zurückzahlen. Hier sei die Politik in der Pflicht. Die Kassen fordern, dass Krankenhäuser zusätzlich zur Rückerstattung "je nachgewiesen fehlerhafter Abrechnung eine Pauschale von 300 Euro an die Krankenkasse" zahlen müssen.

Der frühere Siemens-Vorstand Thomas Ganswindt muss sich ab Mitte Januar wegen der Schmiergeldaffäre des Konzerns vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, von schwarzen Kassen und zweifelhaften Zahlungen im ehemaligen Telekommunikationsbereich des Unternehmens gewusst zu haben. Der Anklage zufolge ist er nicht hinreichend dagegen vorgegangen und hat sich somit einer Verletzung seiner Aufsichtspflicht und Steuerdelikten schuldig gemacht. Ganswindts Anwalt wollte keine Stellung zu den Anschuldigungen nehmen.

Ganswindt ist der bislang ranghöchste ehemalige Siemens-Manager, der wegen der größten Korruptionsaffäre in der deutschen Wirtschaftsgeschichte der Nachkriegszeit vor Gericht steht. Mehrere seiner früheren Mitarbeiter sind wegen schwarzer Kassen und Schmiergeldzahlungen für Aufträge in Russland und Nigeria bereits verurteilt worden. Der Prozess gegen den einstigen Konzernvorstand, der Ende 2006 knapp zwei Wochen in Untersuchungshaft gesessen hatte, beginnt am 11. Januar und ist auf zehn Verhandlungstage angesetzt, wie die Münchener Justiz am Dienstag mitteilte. (Az: 4 KLs 304 Js 36999/08)

Mit dem Verfahren neigt sich die strafrechtliche Aufarbeitung der Siemens-Korruptionsaffäre in Deutschland dem Ende zu. Gegen zwei frühere Topmanager laufen noch Ermittlungsverfahren. Ein Urteil könnte auch Auswirkungen auf die Schadensersatzforderungen von Siemens gegen Ganswindt haben. Das Unternehmen hat ein entsprechendes Zivilverfahren gegen den 50-Jährigen angestrengt, zugleich laufen aber auch seit rund einem Jahr Gespräche über eine außergerichtliche Einigung.

Für Siemens ist der Bestechungsskandal, bei dem 1,3 Milliarden Euro in dunkle Kanäle geflossen waren, weitgehend abgehakt. Der Konzern zahlte für Strafen, Steuerrückstände und die interne Aufklärung rund 2,5 Milliarden Euro. Mit den meisten seinerzeit verantwortlichen Vorständen hat sich Siemens auf Schadenersatzzahlungen geeinigt.

Der endgültige Verkauf der Hamburger Traditionswerft Blohm + Voss an den arabischen Schiffbauer Abu Dhabi Mar kommt Medienberichten zufolge erst 2011 zustande. Der Mutterkonzern ThyssenKrupp rechne mit einem Abschluss des Verkaufsprozesses im ersten Quartal 2011, schreibt das Handelsblatt. Grund für die Verzögerung sei der Einstieg des Staatsfonds Mubadala bei Abu Dhabi Mar.

Der Verkauf an Abu Dhabi Mar aus den Vereinigten Arabischen Emiraten war im Oktober 2009 eingefädelt, ein entsprechender Vertrag im April 2010 unterzeichnet worden. Die EU-Kommission genehmigte den Einstieg der Araber, die den Schiffsneubau, das Reparaturgeschäft und eine Maschinenbausparte mehrheitlich übernehmen sollen. Betroffen sind rund 2100 Arbeitsplätze.

Bei ThyssenKrupp bleibt der Bau von U-Booten bei HDW in Kiel sowie die Produktion von Überwasserschiffen für die Marine. Für den Marineschiffbau gibt es zwischen den Partnern ein Gemeinschaftsunternehmen zu gleichen Anteilen. Angaben des Hamburger Abendblatts zufolge hat Abu Dhabi Mar versucht, die Finanzierung der Übernahme auf eine breitere Basis zu stellen.

Die aktuelle Verzögerung gefährdet das Geschäft mit ThyssenKrupp offenbar nicht. Der Einstieg von Mubadala zeige, dass die Herrscher von Abu Dhabi dem Geschäft in Deutschland einen höheren Stellenwert einräumten als bislang, zitierte das Handelsblatt aus Verhandlungskreisen. Mubadala zählt demnach zu den weltweit größten Staatsfonds und hält Beteiligungen etwa an Ferrari sowie dem Chiphersteller Advanced Micro Devices.

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