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Wirtschaft kompakt:Toyota durchgedreht - und wo ist der Beweis?

Toyota will Klagen von etlichen Autofahrern abweisen lassen, das RWI schraubt die Konjunkturprognose herauf und Opel produziert in Bochum mehr Autos als erwartet - das Wichtigste in Kürze.

Der Autohersteller Toyota hat vor einem Bundesgericht in Kalifornien eine Abweisung der Klagen Hunderter Autofahrer wegen angeblich ungewollt beschleunigender Fahrzeuge beantragt.

Die Anwälte der Kläger hätten keine Beweise für Defekte vorlegen können, erklärte Toyota in seinem eingereichten Antrag vor einem Gericht Santa Ana.

Toyota musste seit Ende 2009 wegen Qualitätsproblemen rund 9,5 Millionen Autos zurückrufen und zahlte wegen schlechter Informationspolitik über die Pannenserie in den USA eine Rekordstrafe von 16,4 Millionen Dollar (12,8 Millionen Euro). Daraufhin reichten Hunderte Autofahrer Klagen ein.

Einige machten die Elektronik für die ungewollte Beschleunigung verantwortlich. Anwälte von Toyota erklärten, dafür gebe es keine Hinweise.

Der Automobilhersteller Opel produziert in seinem Bochumer Werk im laufenden Jahr mehr Autos als erwartet. "Die Kurzarbeit ist deutlich zurückgegangen. Statt der erwarteten rund 100.000 Autos werden es zum Jahresende voraussichtlich 140.000 Wagen sein", sagte Betriebsratschef Rainer Einenke.

Bereits für September seien die ursprünglich angesetzten drei Wochen Kurzarbeit auf drei Tage gekürzt worden. Hintergrund sei eine hohe Nachfrage beim Kompaktvan Zafira und die inzwischen alleinige Produktion des Vans am Standort Bochum, sagte Einenkel. Das polnische Werk Gliwice hat seinen Zafiraanteil im Sommer an Bochum abgetreten. Dort werden zurzeit Astramodelle montiert.

In Bochum wird auch ab Spätsommer 2011 der neue Van produziert. Der Name ist noch unbekannt. Die Bochumer Produktion ist auch langfristig gesichert. In den Werksferien sind wesentliche Teile für den Bau der neuen Van-Generation installiert worden. Die Bandstraße soll Ende des Jahres stehen. Die Investitionen belaufen sich auf 170 Millionen Euro. Nach einer Testphase soll die Vollproduktion im Spätsommer 2011 anlaufen. Der bisherige Zafira werde aber noch weitergebaut werden, ebenso wie die Astramodelle Caravan und Fünftürer, sagte der Betriebsrat. Möglicherweise könne in Bochum auch ein Zafira mit Elektroantrieb auf Basis des jetzigen Modells produziert werden.

Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) hat seine Konjunkturprognose für das laufende Jahr deutlich angehoben. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde voraussichtlich um 3,4 Prozent zulegen, teilte das RWI in Essen mit.

Im Juni waren die Volkswirte noch von einem Anstieg um nur 1,9 Prozent ausgegangen. Aus Sicht der Forscher wird das Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr eine langsamere Gangart einlegen. Erwartet wird ein Plus von 2,2 Prozent.

Die Zahl der Arbeitslosen werde 2011 unter die Drei-Millionen-Grenze sinken, die Neuverschuldung auf 3,0 Prozent zurückgehen. Deutschland befinde sich zwar in einem Aufschwung, die Lage sei aber bei weitem nicht so günstig, wie es die überraschend starke Zunahme der Wirtschaftsleistung im ersten Halbjahr vermuten lasse, hieß es. Weder Produktion noch Auftragseingänge hätten derzeit das Vorkrisenniveau erreicht.

In den ersten sechs Monaten dieses Jahres habe die deutsche Wirtschaft unerwartet kräftig expandiert, erklärten die Essener Wirtschaftsexperten weiter. Dazu beigetragen hätten die stärkere Auslands- und Inlandsnachfrage, ein Zuwachs der Anlage- und Bauinvestitionen sowie ein gestiegener Staatsverbrauch. Außerdem füllten viele Unternehmen ihre Lager wieder auf. Verbessert habe sich auch der private Konsum, der zuletzt vom Arbeitsmarkt Impulse erhalten habe, hieß es.

Auf den Ölplattformen des britischen Konzerns BP in der Nordsee sind einem Bericht der Financial Times zufolge in den vergangenen Jahren immer wieder Sicherheitsmängel festgestellt worden. Im Jahr 2009 etwa seien vier von fünf untersuchten Anlagen nicht ausreichend auf das unerwartete Auslaufen von Öl vorbereitet gewesen, zitierte die Zeitung aus einem Bericht der britischen Umwelt- und Energieaufsichtsbehörde. So seien unter anderem Mitarbeiter nicht genug für den Ernstfall trainiert gewesen. Die Zeitung hatte Einsicht in die Behörden-Unterlagen gefordert.

BP gestand die Fehler gegenüber dem Blatt zum Teil ein. Es sei richtig, dass einige der ausgebildeten Mitarbeiter "nicht in der vorgeschriebenen Zeit" an einem Auffrischungskurs teilgenommen hätten, hieß es in einem Statement. Der Konzern wies jedoch darauf hin, dass man das Sicherheitskonzept seit einer Gesetzesänderung 2009 vollkommen überarbeitet habe. "Die ganze Industrie hat einen Prozess der Erneuerung ihrer Reaktionspläne auf ein Öl-Auslaufen durchgemacht."

Seit der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko stehen BP und die gesamte Branche mit Blick auf ihre Sicherheit unter starker Beobachtung. Am Mittwoch wurde BP-Chef Tony Hayward, der zum 1. Oktober sein Amt an Bob Dudley abgibt, vor einem Energie-Ausschuss des britischen Parlamentes erwartet. Dabei sollte er unter anderem Auskunft über die Sicherheit von Tiefsee-Bohrungen in britischen Gewässern geben.

Im Rennen um den bis zu 35 Milliarden Dollar schweren Tankflugzeug-Auftrag der US-Luftwaffe signalisiert der europäische EADS-Konzern Entgegenkommen beim Preis.

Anpassungen nach oben wie nach unten seien möglich, sagte Nordamerika-Chef Ralph Crosby. Dies sei abhängig von den Anforderungen des Auftraggebers. "Wir sind in diesem Wettbewerb, weil wir glauben, dass unser Preis in der Gesamtbewertung niedriger sein wird", machte er deutlich. Der Airbus-Mutterkonzern sei in jedem Fall entschlossen im Falle eines Zuschlags Geld mit der Bestellung zu verdienen, unterstrich der Manager auf einer Veranstaltung des Luftwaffenverbandes.

Eine Entscheidung über den Prestigeauftrag über 179 Tankflugzeuge soll im Herbst fallen.

In der aktuellen Phase des seit Juli laufenden Wettstreits mit dem US-Rivalen Boeing erörtern die Unternehmen der Luftwaffe ihre Gebote, wie Crosby sagte. Danach sollten die Bieter ihre endgültigen Vorschläge einreichen.

Die Preisfrage ist politisch heikel. Die Unterstützer der Boeing-Offerte im US-Kongress werfen EADS vor, mit Hilfe von europäischen Fördermitteln günstigere Offerten machen zu können. Boeing hatte in der Ausschreibung zunächst den Zuschlag erhalten. Nachdem jedoch einer der größten Beschaffungsskandale der USA im Zusammenhang mit der Vergabe ans Licht kam, wurde der Bieterprozess neu aufgerollt. Dabei setzte sich EADS mit dem damaligen Partner Northrop Grumman durch. Nach Protesten von Boeing wurde die Ausschreibung neu aufgerollt. Die Europäer stiegen daraufhin aus und warfen der US-Regierung Voreingenommenheit vor. Der Konzern entschied sich dann aber anders und reichte ebenso wie Boeing am 9. Juli seine Bewerbung ein.

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